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Die Welt als multikulturelle Wohlfühloase

In Giuseppe Gracias Roman „Der letzte Feind“ will ein christophobes Establishment Kirche und Welt verändern.
"Der letzte Feind"
Foto: Adobe Stock | Apokalyptische Zustände im Vatikan: In Gracias Thriller "Der letzte Feind" stürmen von einer christophoben Elite engagierte Islamisten das "Dritte Vatikanische Konzil".

Der Schweizer Autor Guiseppe Gracia hat ein neues Buch vorgelegt. Zwei Jahre nach „Das therapeutische Kalifat“ nimmt er sich wieder einem hochaktuellen Thema an. Diesmal handelt es sich jedoch nicht um ein Sachbuch, sondern um einen Roman.

Um es gleich vorweg zu nehmen, es ist mehr als ein Roman, es ist ein Fanal. Ein notwendiges Wortgewitter, das aufblitzt in einer Literaturwelt, die längst am Tropf der politischen Korrektheit vor sich hinstirbt. Gracia gehört zu der Spezies, die sich nicht nur auf wissenschaftliche Texte versteht, sondern auch auf dem Gebiet der Belletristik Zeichen setzt. Es gibt nicht viele, die dergleichen können.

Eine weltweite Verschwörung

„Der letzte Feind“ beginnt mitten im Herzen der katholischen Welt. „Das Gedröhne und Geknatter, von den Ampeln notdürftig orchestriert, schießt warm an Hank vorbei, im Durcheinander vor den Cafés, Shops und Souvenirständen“. Hank, der eigentlich den gewaltsamen Tod eines Jugendfreundes, Padre Rossis, aufklären will, gerät immer tiefer in den Strudel der Ereignisse. Dabei hatte sich der atheistische Journalist zeitlebens wenig für die Kirche interessiert. Im Gegensatz zu seinem ermordeten Freund, der hat „Sein ganzes armes Herz … an die Tür dieser Kirche nageln lassen“. Je weiter Hank recherchiert, desto mehr unfassbare Wahrheiten entdeckt er.

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Es geht um eine weltweite Verschwörung, die von einem christophoben Establishment angezettelt wird, das die Welt zu einer multikulturellen Wohlfühloase umbauen will. Das Christentum ist in den Augen der Silicon-Valley-Elite eine Sklavenreligion, für die im 3. Jahrtausend kein Platz mehr ist. Der neue Papst, dem Gracia den beziehungsreichen Namen „Pius XIII.“ verleiht, ist in den Augen der Global Player ein rückständiger Traditionalist. Auch den kirchlichen Progressisten gilt er als Konservativer, der die Uhren zurückdrehen will. Zu seinen schärfsten innerkirchlichen Gegenspielern gehört Kardinal Feuerbach, „Erzbischof von Köln und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz“. Der umtriebige Feuerbach will die Kirche radikal erneuern und ihre Lehre dem Mainstream angleichen. Die Namensgleichheit mit Ludwig Feuerbach, dem großen Religionskritiker des 19. Jahrhunderts ist natürlich gewollt. Gracia gehört zu den wenigen Autoren, die bei der Namensgebung ihrer Figuren stark assoziative Namen wählen.

Gottlose Politiker und Theologen in Stellung

Zuletzt hat als deutschsprachiger Autor Heinrich Böll derart fingerfertig solche Assoziativnamen verwendet. Wie übrigens auch Böll in seinen Werken Fiktion und Nichtfiktionales vermischt – am deutlichsten in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Auch in Gracias Roman sind die Bezüge zur Realität unverkennbar. Beispielsweise die milliardenschwere Stiftungsgruppe mit Namen „Global Humanitarian Foundations“. Was diese NGO unter „Entwicklungsprogrammen“ versteht, offenbart den Zynismus einer Elite, deren Mitglieder sich für Götter halten. So verfügt diese Elite, „Frauen gegen Krankheiten (zu) impfen und ihnen dabei Wirkstoffe zu(zu)führen, die sie unfruchtbar machen“. In diesen Momenten wird Gracias Roman zu einer wirklichkeitsversessenen Dichtung, die der Realität die Schau stiehlt. Es hat tatsächlich in der Schweiz eine NGO gleichen Namens gegeben, die ihre Tätigkeit 2010 wegen Überschuldung einstellen musste – einer ihrer Gründer, der nicht ganz unbedeutende Kofi Annan.

„Der letzte Feind“ nimmt früh Fahrt auf, was ihn zu einem Pageturner macht. Binnen Kurzem geht es nicht mehr nur um den Tod eines Priesters. Es geht um brisantes Belastungsmaterial, das die NGO „als mörderische Geldspritze auf dem schwarzen Kontinent“ erscheinen lässt. Zu deren finsteren Machenschaften gehören absichtlich herbeigeführte Unruhen, Ermordung von Missionaren, Politikern und Christenverfolgung. Das ist nicht alles. Der Gutmenschen-Trust ist auch Financier radikaler Islamisten. Die werden gezielt darauf angesetzt, einen Anschlag auf den Vatikan zu verüben. Das bringt selbst Alexander Martens, Handlanger der „Global Humanitarian Foundations“, ins Zweifeln. Ein „Anschlag in dieser Größenordnung, am dritten Tag des Konzils“ würde selbst 9/11 in den Schatten stellen. Mehr noch, ein: „…toter Papst im Namen des Islam (…) wer kann die Folgen einer solchen Aktion ernsthaft abschätzen?“

Mysteriöse Todesfälle im Vorfeld des „Dritten Vatikanischen Konzills“

Pius XIII., „unter dem bürgerlichen Namen Francesco Gasperri geboren“ ist kein einfacher Charakter. Dieser Papst ist traditionsbewusst, und zwar „derart, dass ihn die Liberalen dazu gedrängt haben, ein ,Drittes Vatikanisches Konzil‘ einzuberufen“. Einstweilen verzögert sich die Durchführung wegen der Corona-Krise. Dieser Aufschub wiederum bedeutete einen Zeitgewinn für die Progressisten, was damit gleichkommt, „gottlose Medien, Politiker und Theologen“ in Stellung zu bringen. Klar ist, die Versammlung von über 3 000 Bischöfen und Kardinälen wird geprägt sein von heftigen Richtungskämpfen.

Indes, „Die Konzilien der Kirche sind immer … eine geistliche Kampfzone, die der Kirchenvater Basilius … als ,nächtliche Seeschlacht‘ bezeichnet hat“. Schließlich geht es um die Verteidigung des wahren Glaubens. Ein Exorzist, der den Papst aus früheren Missionszeiten in Afrika kennt, soll ihm dabei helfen. Die Krise spitzt sich zu, als es im Vorfeld es zu mysteriösen Todesfällen kommt. Auch auf Martens steigt der Druck. Er muss im Vorfeld des Konzils alle Kontakte nutzen, um einen „Rechtsrutsch in der Universalkirche zu verhindern“.

Ein mutiges Werk

Die Katastrophe tritt ein, als das islamistische Terrorkommando den geplanten Anschlag verübt. In einer Vision schaut Pius XIII.: „Die Bestien kommen, wenn du Gott gefällst. Sie kommen, wenn du in der Wüste mit Jesus stehst, weit weg von den Zerstreuungen der Welt, wenn der Tod seine Ungeheuer schickt, um dich vom Herrn wegzubringen und zu vernichten.“ Bei dem islamistischen Anschlag werden 52 Kardinäle und Bischöfe getötet. Gracia beschreibt es packend, aber nie in dem Ganovenjargon, der die neuere deutsche Literatur prägt. Gracia gehört zu den wenigen Ästheten, dessen Wörter wie „wattenfarben“ oder „Hitzeschleierfarben“ eine lyrische Feinheit verraten, über die gegenwärtig nur wenige zeitgenössische Autoren verfügen. Auf der anderen Seite sind es griffige Formulierungen: „Sollen wir Mutter Teresa vergessen, die uns gewarnt hat, dass der größte Zerstörer des Friedens in der Moderne der Schrei der Natur und der ungeborenen Kinder sein wird?“ Zu einem Thriller gehört natürlich auch eine unvermittelt harte Sprache, Gracia beherrscht auch sie: „Der Terrorist zielt auf sie, spürt Kugeln an sich vorbeizischen und schießt so lange, bis ihm das Blut in den Augen explodiert“.

Es ist ein mutiges Werk, weil es zutiefst vom christlichen Denken durchdrungen ist, ohne frömmlerisch zu wirken oder unkritisch. Keine Übertreibungen, wie in Dan Browns „Illuminati“, bei dem es auch um ein Konklave mit vielen Toten geht, keine langatmigen Sentenzen, wie in Malachi Martins „Der letzte Papst“. Gracias Roman hat alles, was ein guter Thriller braucht, spannende Handlung, knackige Dialoge, gelungene Wortspiele. Es bleibt unbedingt zu wünschen, dass „Der letzte Feind“ eine erkleckliche Menge an Lesern findet.

Giuseppe Gracia: Der letzte Feind. Roman. Fontis Verlag, 2020, 256 Seiten, ISBN 978-303848-196-6, EUR 18,–

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