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Ernst Moritz Arndt zum 250. Geburtstag

Wurde in der Paulskirche gefeiert und schrieb geistliche Lieder: Ernst Moritz Arndt zum 250. Geburtstag.
Ernst Moritz Arndt sehnte sich nach geeintem Deutschland
Foto: IN

Noch sind in vielen deutschen Städten Straßen und Schulen nach ihm benannt, auch wenn wohl die wenigsten mit seinem Namen noch konkrete Vorstellungen verbinden.

Manche sind freilich der Ansicht, dass heute keine Straße oder Schule mehr diesen Namen tragen sollte. Ernst Moritz Arndt polarisiert. 2018 legte die Universität Greifswald nach langjährigen Debatten seinen Namen ab. Aber wer war eigentlich dieser romantische Dichter und Publizist, dessen Geburtstag sich heuer zum 250. Mal jährt, und warum ist er heute umstritten?

Leben und Wirken von Ernst Moritz Arndt

Ernst Moritz Arndt wurde am 26. Dezember 1769 auf der damals noch schwedischen Insel Rügen in Groß Scheritz geboren. Als Sohn eines Pächters (und ehemaligen Leibeigenen) wuchs er in der Nähe von Stralsund auf. Der Kontakt mit einem Kandidaten der Theologie weckte im Vierzehnjährigen das Interesse an der Wissenschaft. Nach vier Jahren autodidaktischer Studien konnte er 1787 das Stralsunder Gymnasium beziehen. Ab 1791 studierte er an den Universitäten von Greifswald und Jena evangelische Theologie, daneben belegte er auch Kurse in Geschichte, Erd- und Völkerkunde, Sprachen und Naturwissenschaften. Die schale Aufklärungstheologie, die er im Studium kennenlernte, verleidete ihm eine Laufbahn als Pastor. Über die protestantischen Geistlichen seiner Zeit urteilte er später scharf: „Sie glauben nicht mehr, lehren aber doch den Glauben.“ Durch die rationalistische Theologie seien „die Religion und der Glaube aus der Welt geflohen“.

"Die glauben nicht mehr, lehren aber noch den Glauben!"

1798/99 unternahm Arndt eine ausgedehnte Reise durch Frankreich, Österreich, Oberitalien und Belgien. Nach seiner Rückkehr verteidigte er 1800 in Greifswald eine Dissertation, in der er „die Zivilisation gegen die Einfälle Rousseaus“ in Schutz nahm. Mit seiner Promotion habilitierte er sich nach den damaligen Regeln sogleich auch als Privatdozent der Geschichte und Philologie. Als Historiker publizierte er 1803 seine verdienstvolle „Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“, die ihm Anklagen mehrerer Grundbesitzer zuzog. Der schwedische König jedoch urteilte nach der Lektüre, Arndt habe recht geschrieben, und hob 1806 die Leibeigenschaft in Vorpommern auf.

Unter dem Eindruck der napoleonischen Besatzung Deutschlands wurde Arndt zum politischen Publizisten (etwa mit der Abhandlung „Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Grenze“) und zum Kriegslyriker („Der Gott, der Eisen wachsen ließ,/ der wollte keine Knechte./ Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß/ dem Mann in seine Rechte“). Zugleich verstärkte sich seine Sehnsucht nach einem geeinigten Deutschland; schon früher hatte er beklagt: „Weil der Nationalgeist fehlt, ist ein Volk von dreißig Millionen Menschen der Spott Europas geworden.“ Arndts Nationalgefühl hatte freilich Schattenseiten, die ihm heute mit Recht zur Last gelegt werden. Da ist zum einen seine maßlose Abneigung gegen Frankreich. Seinen Landsleuten riet er: „Lasst uns die Franzosen nur recht frisch hassen“. Und diesen Rat wollte er nicht auf die Zeit bis zur Befreiung von Napoleons Joch begrenzt wissen, denn: „Ich will den Hass gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg, ich will ihn für lange Zeit, ich will ihn für immer.“ Und da ist zum anderen sein unbestreitbarer Antisemitismus. Die Einwanderung russischer Juden nach Deutschland bezeichnete er etwa als „die unreine Flut von Osten her“.

Nationalgefühl mit Schattenseiten

1817 heiratete Arndt Nanna Schleiermacher, die Schwester des Philosophen. Ein Jahr später wurde er Professor für Geschichte an der neugegründeten Universität Bonn. Sein Nationalgefühl machte ihn in der Restaurationsära politisch verdächtig und trug ihm 1819 eine Untersuchung „wegen demagogischer Umtriebe“ ein. Obwohl es zu keinem Schuldspruch kam und sein Gehalt ihm noch jahrelang weiter ausgezahlt wurde, durfte er bis 1840 keine Vorlesungen mehr halten.

In der Frankfurter Paulskirche wurde der fast Achtzigjährige 1848 gefeiert. Deutlich positionierte er sich für eine kleindeutsche Lösung unter Führung Preußens und Ausschluss Österreichs. Er war Mitglied der Delegation, die dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. vergeblich die deutsche Kaiserkrone antrug.

Neben seinen politischen und akademischen Aktivitäten blieb Arndt der Dichtung treu, gerade auch dem geistlichen Lied. Zwei seiner Texte finden sich noch heute im Evangelischen Gesangbuch („Ich weiß, woran ich glaube“ und das Abendmahlslied „Kommt her, ihr seid geladen“). Ökumenische Gedanken waren dem studierten Theologen nicht fremd. In seiner Abhandlung „Von dem Wort und dem Kirchenliede“ fordert er ein gemeinsames deutsches Gesangbuch, in dem alle wertvolle geistliche Dichtung der letzten dreihundert Jahre berücksichtigt sei, ganz egal ob sie von „Katholiken, Lutheranern, Zwinglianern, Kalvinisten, Methodisten, Böhmianern“ oder sonst einer Konfession stamme. Erwähnung verdienen aus seinem literarischen Werk auch die lesenswerten „Märchen“ und das köstliche „Lügenlied“.

Wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag starb Arndt am 29. Januar 1860 in Bonn. Posthum wurde ihm die zweifelhafte Ehre zuteil, sowohl im Dritten Reich als auch in der DDR für politische Zwecke instrumentalisiert zu werden. Die 1930er und 1940er brachten in der Germanistik eine Flut tendenziöser Abhandlungen über Arndt hervor, dessen antisemitische und antifranzösische Ausfälle begeistert rezipiert wurden. Dass Arndts Nationalismus keine Herrschaft eines Volkes über andere vorgesehen hatte, wurde dabei geflissentlich ignoriert. Andererseits gab ein Zitat von Arndt auch den Männern des 20. Juli Kraft für ihren Widerstand („Denn wenn ein Fürst seinen Soldaten befiehlt, Gewalt zu üben gegen die Unschuld und das Recht, […] müssen sie nimmer gehorchen.)“ Die DDR ehrte ihn als „Kämpfer gegen den Feudalismus“. Ernst Moritz Arndt ist eine prägende, vieldeutige und manchmal auch fragwürdige Gestalt der deutschen Geistesgeschichte. Die produktive und kritische Auseinandersetzung mit seiner Person und seinem Werk lohnt sich auch heute noch. Straßen und Universitäten umzubenennen, mag demgegenüber als die bequemere Lösung erscheinen; der richtige Weg ist es sicher nicht.

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