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"Gebete sind sehr mächtig"

Pater Tom Uzhunnalil wurde im Jemen 18 Monate von Islamisten gefangen gehalten. Jetzt ist er mit dem Stephanuspreis für verfolgte Christen geehrt worden.
Pater Tom kurz nach seiner Freilassung 2017.
Foto: Agenzia Info Salesiana | Pater Tom kurz nach seiner Freilassung 2017.

In all dem habe ich die Hand Gottes gesehen, wie sie mich führt. Vielleicht war das der Grund, warum ich keine Angst hatte.“ Ein unerwartet ruhiger Frieden liegt in den Worten von Pater Tom Uzhunnalil, eine fast frohe Ausgeglichenheit, die überraschen mag angesichts seiner Geschichte. „Pater Tom“, so hatte er sich schlicht lächelnd vorgestellt, wurde 2016 im Jemen von Islamisten entführt und 18 Monate gefangen gehalten. Der Vorfall ging um die Welt, überall beteten Menschen für den indischen Priester, nicht nur Christen, auch Hindus und Muslime, bis er am 12. September 2017 freigelassen wurde.

Was machen eineinhalb Jahre Gefangenschaft mit einem Menschen und seinem Glauben, könnte man sich fragen. Die Antworten, die Pater Tom gibt, kehren die Frage jedoch um: Wie muss ein Mensch sein und glauben, um nach solchen Erfahrungen zu sprechen wie dieser Mann?

Pater Tom wurde 1960 in der südindischen Provinz Kerala in eine katholische Familie geboren. Mit seinen frommen Eltern und sechs Geschwistern wuchs er in einer ländlichen Gegend auf. Immer wieder kamen Missionare in die Gemeinde und erzählten von ihrer Arbeit. Als Tom in der 10. Klasse war, kam ein Salesianerpater. Am Ende des Vortrags stellte der Missionar die Frage, wer sich vorstellen könnte, Salesianer zu werden. Und Tom meldete sich, mit ihm noch ein oder zwei weitere Jungen. Nach einigen Gesprächen wurden sie in das Auswahl-Camp der Salesianer eingeladen. Eine Woche voller Freude und Spaß, erinnert sich Pater Tom, in der die Jungen jedoch genau beobachtet wurden. Tom wurde ausgewählt und trat so nach Abschluss der 10. Klasse 1975 bei den Salesianern Don Boscos ein.

Seelsorge im Jemen: Nicht bekehren, sondern dienen

1990 wurde er zum Priester geweiht und arbeitete zunächst 20 Jahre in Indien als Technik-Lehrer mit Jugendlichen. 2010 schließlich ergab sich für ihn die Möglichkeit, als Ersatz für zurückkehrende Priester in den Jemen zu gehen, neben Nepal eines der zwei Länder, in denen seine Ordensprovinz tätig war. Seit 1973 gibt es in Jemen Mutter-Teresa-Schwestern. Sie waren auf Einladung der muslimischen Regierung Nord-Jemens gekommen, um dort caritative Zentren aufzubauen. Da die Schwestern Priester brauchten, durften sich auch die Salesianer im Land niederlassen. Nach der Wiedervereinigung des nördlichen und südlichen Teils im Jahr 1990 gab es vier Zentren der Missionarinnen der Nächstenliebe im Jemen. Pater Tom war der letzte Priester, der in das Land kam, der Krieg machte die Arbeit im Land fast unmöglich. Das seelsorgerische Wirken war ohnehin streng begrenzt. Pater Tom und seine Mitbrüder durften sich nur um die Christen aus dem Ausland kümmern, den Einheimischen zu predigen, war verboten, erzählt er. Und wie um die Härte dieser Vorschriften zu mildern fügt er direkt hinzu: „Es gibt dort viele gute Muslime … Unser Ziel ist nicht, sie zu bekehren, sondern ihnen zu dienen.“

2015 musste er aus gesundheitlichen Gründen für einige Zeit nach Indien zurückkehren. Die Situation im Jemen wurde unterdessen immer gefährlicher. Drei der vier Priester verließen das Land, 5 000 Inder wurden evakuiert. Doch Pater Tom, es war in der Zeit um Ostern, fühlte einen inneren Ruf und bat seinen Provinzial um die Erlaubnis, zurückkehren zu dürfen. Es war eine folgenschwere Entscheidung, dieser Inspiration zu folgen; für Pater Tom wird darin aber nur noch deutlicher, dass all das Gottes Wille war.

Am Morgen des 4. März 2016, er kam gerade aus der Kapelle, die Schwestern waren schon bei der Arbeit, hörte er Schüsse. Bewaffnete Männer waren auf das Gelände eingedrungen, erschossen mehrere Mitarbeiter und führten vier der fünf Schwestern herbei. Pater Tom wurde Zeuge ihres Martyriums. „Ich betete für sie. Betete für die, die sie töteten.“ In einer Situation, in der die Angst um das eigene Leben ihm hätte verständlicherweise jeden klaren Gedanken rauben können. Doch Pater Tom wurde nicht erschossen, wie er es erwartet hatte. Er lebt und will das, was er in den langen Tagen seiner Gefangenschaft gelernt hat, weitergeben und all denen danken, die für ihn gebetet haben. „Ich hatte nie Alpträume oder Depressionen.“ Pater Tom ist sich sicher, dass die unzähligen Gebete weltweit ihn in dieser Zeit getragen haben. „Ich konnte gut schlafen. Wenn ich aufwachte, dankte ich dem Herrn und betete den Angelus.“ Dann Rosenkränze, die Betrachtung des Kreuzwegs, die geistige Feier der Eucharistie. Er wurde gut behandelt, betont er, fast, als erzähle er von einer Studienreise.

Gott hat einen Plan und Leiden einen Sinn

Woher kommt dieser Frieden, den er ausstrahlt? „Ich habe verstanden, dass der Herr für jeden Einzelnen von uns eine Bestimmung hat und eine ganz bestimmte Mission.“ Pater Toms Geheimnis ist das Bewusstsein, dass Gott jeden Menschen führt und dass jedes Leiden einen Sinn hat. „In seinem Willen liegt unser Frieden“, schreibt Dante. Und Pater Tom vertraut diesem göttlichen Willen, nach seiner Gefangenschaft sogar noch stärker. Jetzt möchte er Zeugnis geben für diesen Gott und auch für die Kraft des Gebetes, die er erfahren durfte. „Dieser Gott ist unser lebendiger Gott und weil er der lebendige Gott ist, hört er nicht auf, die Gebete von jedem von uns zu hören und zu beantworten. Nur manchmal kommt die Antwort nicht genau zu dem Zeitpunkt, zu dem wir sie erbitten, aber sie kommt zu seiner guten Zeit, zum Guten für uns alle. Er wird antworten. Und ich bin hier als Zeuge für diese Wahrheit, dass der Herr unsere Gebete beantwortet. Gebete sind sehr mächtig.“

Pater Tom hat seine beeindruckenden Erfahrungen in einer Autobiographie zusammengefasst. „By the grace of God“, „Durch die Gnade Gottes“ ist der Titel. Und der Inhalt. Am vergangenen Sonntag wurde der Priester in Frankfurt am Main mit dem Stephanuspreis der „Stephanus-Stiftung für verfolgte Christen“ geehrt.

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