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Netflix-Originalfilm „The Hater“: Wenn die Welle des Hasses rollt

Der polnische Netflix-Originalfilm „The Hater“ zeigt die Methoden der „Trolle“, die in den sozialen Netzwerken das Ansehen von Menschen oder Firmen schädigen
Filmszene aus „The Hater“
Foto: Netflix / Jaroslaw Sosinski

Eine Welle des Hasses“ soll Tomek (Maciej Musialowski) für „Best Buzz“ entfachen. Sein erster Auftrag für die von Beata Santorska (Agata Kulesza) gegründete Firma besteht darin, wohl für einen Konkurrenten die Internetsendung einer Fitness-Trainerin zum Erliegen zu bringen. Dazu startet Tomek mit Hilfe fiktiver Facebook-Accounts einfach eine Kampagne gegen die junge Frau. 

Rufmord im Netz: Wie dieses bekannte Problem mit Hilfe sogenannter „Trolls“, falscher Behauptungen und natürlich eines bedeutenden Zeitaufwands funktionieren kann, zeigt der polnische Netflix-Originalfilm „The Hater“ von Mateusz Pacewicz (Drehbuch) und Jan Komasa (Regie).

Ein gerissener Charakter  

Pacewicz und Komasa verdeutlichen zu Beginn, wie es dazu kam: Tomek wurde von der Uni zwangsexmatrikuliert, nachdem er als Semesterarbeit ein Plagiat vorlegte. Bereits die Szene, in der sich der (noch) Student vor dem Rektor und einer Professorin erklären muss, dann aber seine Bewunderung für die Professorin zum Ausdruck bringt, um von ihr eine Widmung auf dem von ihr verfassten Handbuch zu ergattern, legt meisterhaft einige Züge von Tomeks gerissenem Charakter offen: Dem Zuschauer wird es klar, dass der junge Mann diese Widmung für irgendeine Finte nutzen wird. 

Denn sie benutzt er dann, um das wohlhabende Ehepaar Krasucki zu blenden: Zofia (Danuta Stenka) und Robert (Jacek Koman) Krasucki finanzieren Tomeks Studium. Offenbar kannten sie Tomek bereits als kleinen Jungen, denn sie verbrachten den Urlaub in dem Dorf, wo er aufgewachsen ist. Mit der Familie verbindet Tomek noch etwas: Er ist in die jüngste Tochter Gabi (Vanessa Aleksander) verknallt, ohne dass sie jedoch seine Gefühle erwidert. Dies erfährt er klipp und klar, als er sein Handy bei den Krasuckis „vergisst“, um sie auszuspionieren. Dann weiß er aber auch, was sie wirklich von ihm denken.

Menschen gezielt in Misskredit bringen 

Die Verbitterung über die Exmatrikulation und über die Verachtung derjenigen, die er noch „Tante“ und „Onkel“ nennt, gepaart mit seinen Informatikkenntnissen und seiner Fähigkeit, in die sozialen Netzwerke manipulativ einzugreifen, sowie mit Geldnot bringen ihn dann auf den Gedanken, bei „Best Buzz“ anzuheuern, der darauf spezialisierten Marketingagentur, Menschen gezielt in Misskredit zu bringen.

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Nach dem „Erfolg“ mit der Internet-Fitness-Trainerin soll Tomek den Warschauer Bürgermeisterkandidaten Pawel Rudnicki (Maciej Stuhr) ausspionieren, und gegen ihn ebenfalls eine Kampagne starten. 

Regisseur Jan Komasa und Drehbuchautor Mateusz Pacewicz hatten zuvor den Spielfilm „Corpus Christi“ gedreht, bei dem sich ein junger Mann als katholischer Priester ausgibt; „Corpus Christi“ startet allerdings erst nächste Woche im Kino – „Die Tagespost“ wird ausführlich berichten.

Internet-Rufmord als Geschäftsnische

Mit „The Hater“ gewannen sie den Preis für den besten internationalen Spielfilm beim renommierten Tribeca Film Festival 2020. Pacewicz und Komasa wechseln die Perspektive gegenüber Filmen mit ähnlichem Thema, die ja aus der Sicht des Opfers erzählen. Hier geht es vielmehr um eine Firma, die im Internet-Rufmord eine „Geschäftsnische“ gefunden hat, vor allem aber um einen jungen Mann, der aus Enttäuschungen diesen verwerflichen Weg geht. Die Charakterzeichnung dieses Tomek, der von Maciej Musialowski mit einer im wahrsten Sinn unheimlich wirkenden Kälte dargestellt wird, lässt keinen Zweifel aufkommen: Er schert sich nicht um Moral. 

Zwar verliert das Ende an Glaubwürdigkeit, „The Hater“ macht dennoch nachdenklich über die Macht des Internets und insbesondere der Sozialen Netzwerke, die eine Karriere, eine Firma oder auch einzelne Menschen zugrunde richten kann.


„The Hater“, Regie: Jan Komasa, Polen 2020, 136 Minuten. Auf Netflix. 

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José García

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