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Märchen trifft Wirklichkeit

Christian Petzolds Film „Undine“ adaptiert den Mythos als moderne Geschichte, mit einer Frau, die Mensch bleiben will.
Garcías Filmtipp: "Undine"
Foto: Schramm Film | Undine (Paula Beer) lernt Industrietaucher Christoph (Franz Rogowski) kennen und lieben. Sie will diese Liebe nicht verlieren, denn sonst müsste sie den Mann töten und ins Wasser zurückkehren – so der Undine-Mythos, ...

In der Mythologie lebt Undine als Wasserfrau in einem See. Sie liebt einen Mann, dessen Liebe zu einer (echten) Frau nicht erwidert wird. Aber Undines Liebe darf nicht verraten werden, denn dann müsste der Mann sterben. Dies geschieht im Mythos, wenn die Frau doch noch den Mann liebt, und er Undine verlässt.

Der Mythos als zeitgenössische Version

Christian Petzold, der nach „Yella“ (2007), „Jerichow“ (2008), „Barbara“ (2012), „Phoenix“ (2014) und „Transit“ (DT vom 05.04.2018) seinem Konzept treu bleibt, kurze, prägnante Namen als Filmtitel zu verwendet, hat mit „Undine“ den Mythos als zeitgenössische Version auf die Leinwand gebracht. Beim Berlinale-Wettbewerb 2020 gewann Paula Beer den Silbernen Bären für die beste Darstellerin. Der internationale Filmkritiker-Verband verlieh dem Film den FIPRESCI-Preis.

 

Petzolds Undine (Paula Beer) ist Stadthistorikerin in Berlin. Als ihr Freund Johannes (Jacob Matschenz) sie verlässt, müsste sie eigentlich ihn töten, und ins Wasser zurückkehren. Aber sie widersteht dem Fluch aus dem Mythos. Hals über Kopf verliebt sich Undine in den Industrietaucher Christoph (Franz Rogowski). Diese Liebe will sie nicht verlieren.

"Undine" besticht über das Erzählerische hinaus

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„Vielleicht kann man sagen, dass Undine eine Märchenfigur ist, die Mensch werden will. Und wir sehen sie bei der Verwirklichung dieses Wunsches. Sie ist ja schon Mensch, sie will Mensch bleiben“, führt der Drehbuchautor und Regisseur aus. Das Märchen trifft auf die Wirklichkeit.

Aber über das Erzählerische hinaus besticht „Undine“ durch eine hervorragende Kamera, die in den Unterwasserszenen einen leicht magischen Charakter annimmt. Hans Fromm, der bei allen bisherigen Filmen von Petzold die Kamera führte, erklärte auf der Berlinale-Pressekonferenz sein „Geheimnis“: Er verwende „Objektive, die charmant mit den Menschen umgehen“.

Mit „Undine“ fügt Christian Petzold, der auf der Berlinale mit dem französischen Kulturorden „Ordre Officier des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet wurde, den Frauen aus seinen frühen Filmen eine weitere Figur hinzu, die wie sie etwas Entrücktes hat.

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