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„The New Pope“: Allzu menschliche Sicht der Kirche

In der neuen Staffel von „The New Pope“ verwirren zu viele Nebenhandlungen. Die allgegenwärtige Hypersexualisierung lässt sich historisch nicht belegen.
„The New Pope“ - Filmsezene mit Silvio Orlando
Foto: Sky | Weil Papst Pius XIII. seit einem Jahr im Koma liegt, entscheidet der mächtige Kardinalstaatssekretär Angelo Voiello (Silvio Orlando, rechts), dass es an der Zeit ist, ein Konklave einzuberufen, um einen neuen Papst ...

In der Streaming-Serie „The Young Pope“ (2016) bot der italienische Regisseur Paolo Sorrentino das Bild eines (fiktionalen) Papstes und des Vatikans aus der Sicht eines zwar Ungläubigen, der aber offensichtlich Faszination, ja Bewunderung für die katholische Kirche empfindet – oder wenigstens für deren äußere Formen. Die Bewunderung galt wohl allerdings nicht so sehr der Liturgie im engeren Sinne, denn von den Sakramenten scheint Sorrentino nicht viel zu verstehen, sondern eher den Riten der katholischen Kirche. Ein übersteigertes Interesse an Ästhetik zeigte Sorrentino ebenfalls in seinen Spielfilmen „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ (2013), „Ewige Jugend“ (2015) und „Loro – Die Verführten“ (2018). Der Suche nach filmischer Schönheit mengt der Regisseur allerdings immer wieder erotische Zutaten bei.

„The Young Pope“ handelte von dem jungen amerikanischen Bischof Lenny Belardo, der nach seiner Wahl zum Papst den Namen Pius XIII. annimmt. Was Sorrentino vielleicht am meisten anzog, war die Zurschaustellung von Ritualen und bunten Gewändern, die der „rückschrittliche“ Papst wieder einführt, der jedoch am Ende Zugeständnisse an die politische Korrektheit macht. Als wohl noch widersprüchlicher als Belardos Pius XIII. nimmt sich die Figur des Kardinalstaatssekretärs Angelo Voiello (Silvio Orlando) aus, der die Kirche rein politisch zu verstehen scheint, aber seine knapp bemessene Freizeit damit verbringt, ein behindertes Kind zu betreuen.

Am Ende von „The Young Pope“ erlitt Pius XIII. bei einem Besuch in Venedig einen Herzinfarkt – ein dramatischer Schluss, der eine Art „Cliffhanger“ für eine Fortsetzung bietet. Die Handlung der zweiten Staffel mit dem Titel „The New Pope“ beginnt etwa ein Jahr später, als Pius XIII. immer noch im Koma liegt. Deshalb beschließt Voiello, dass ein Konklave einberufen werden soll. Sein Hauptanliegen bei der Wahl des neuen Papstes: Den argentinischen Kardinal Hernandez (Silvio Orlando in einer Doppelrolle) zu verhindern, dem er unter anderem vorwirft, pädophile Priester gedeckt zu haben.

Erotisierung von der ersten Minute an

Auch in der zweiten Staffel spielen ästhetische Gesichtspunkt – insbesondere etwa bei einer Beerdigung im Petersdom –zwar weiterhin eine große Rolle. Sie wirken jedoch nicht nur weniger überraschend als in „The Young Pope“. Darüber hinaus werden sie von einer Dramaturgie beeinträchtigt, die im Gegensatz zur ersten Staffel durch zwei scheinbar gegensätzliche Aspekte gekennzeichnet ist: Einerseits durch den Versuch, möglichst viele Themen anzusprechen, die in der Öffentlichkeit als die aktuellen Herausforderungen innerhalb der Kirche – vom Fundamentalismus über den Umgang mit Migranten bis hin zu den zeitgeistgemäßen Forderungen, etwa der gleichgeschlechtlichen Ehe und dem Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern – beziehungsweise als äußere Gefahren ausgemacht werden: von finanziellen Aspekten über Islamismus und Terrorismus bis zur teils blutigen Christenverfolgung. Andererseits wirkt das Drehbuch redundant. Ja, es kann kaum das Bemühen verbergen, die einzelnen Folgen mit Nebenhandlungen in die Länge zu ziehen, die kaum etwas zum Hauptstrang beitragen.

Dazu führen die Drehbuchautoren neue Rollen ein, so etwa eine finstere und rätselhafte Figur namens Bauer (Mark Ivanir), oder sie erweitern die Rolle von Charakteren aus der ersten Staffel. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass das nun bekannt gewordene Privatleben der Vatikan-Pressesprecherin Sofia Dubois (Cécile de France) auf sozusagen heterodoxe Sexualpraktiken in ihrer Ehe reduziert wird. In „The New Pope“ ist Erotisierung von der buchstäblich ersten Minute an ein allgemeiner Trend.

Dagegen sprach sich etwa das Patriarchat von Venedig aus. Der Delegierte des Patriarchen für den Denkmalschutz Pater Gianmatteo Caputo kritisiert besonders die Eröffnungsszenen der ersten Folgen, in denen junge Nonnen mit einem Kreuz am Hals einen erotischen Tanz unter einem Kruzifix aufführen. Die in einem Saal der Stiftung Cini auf der Insel San Giorgio vor Paolo Veroneses Bild „Die Hochzeit zu Kana“ gedrehte Szenen seien „beleidigend. Es fehlt hinzu jeglicher Kontext, der diesen Inhalt gerechtfertigt“, so Caputo. Dazu kommen homosexuelle Kardinäle, als „karitativ“ ausgegebene Prostitution, Orgien und weitere Abirrungen – „The New Pope“ bietet eine nicht nur repetitive, sondern auch hypersexualisierte Dramaturgie.

„The New Pope“. Regie: Paolo Sorrentino. 9 Episoden a 46 bis 63 Minuten, ab 20. Februar immer in Doppelfolgen auf Sky Atlantic HD und auf Abruf.

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