Schlimmer als die konkrete Furcht vor der Realität des Lebensbedrohlichen wie damals etwa vor der Spanischen Grippe und heute eben Covid-19 ist die Angst, die durch die Imagination des Schreckens genährt wird. Das ist die Sache der modernen Propheten der Apokalypse, die meist in wissenschaftlichem Gewand auftreten. Sie unterstützen die grüne Ersatzreligion einer grenzenlosen Umweltsorge, mit der eine Partei der Verbote das schlechte Gewissen der Wohlstandsgesellschaft ausbeutet.
Welttribunal, um die Erde zu retten
Statt „Was darf ich hoffen?“ – eine Frage, auf die man früher von der christlichen Religion eine Antwort erwartete, fragt sie: Was muss ich fürchten? Dazu passt dann auch die angemaßte Weisheit von Kindern, die ein Welttribunal veranstalten möchten, um die Erde zu retten.
Wer im Aufmerksamkeitswettbewerb nicht untergehen will, muss von Klima auf Virus umstellen. So lautete eine Überschrift der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Der Mensch hat Pause – der Planet atmet auf“. Den Lockdown, die Ausgangssperre, die praktisch die gesamte Weltgesellschaft zum Stillstand gebracht hat, eine „Pause“ zu nennen, mag man noch schlicht als infantile Unverschämtheit hinnehmen. Doch der Wahnsinn steckt in der Anmaßung, eine Perspektive oberhalb des Menschen einzunehmen und sich zur Stimme der „gequälten“ Erde zu machen.
Nicht Corona, der Mensch ist die Krankheit
Nicht Corona sondern der Mensch sei die Krankheit – und Corona die Heilung. Das ist die aktuelle Variante eines Phantasmas, das man bei allen radikalen Umweltbewegungen findet, nämlich dass die „geschändete“ Natur jetzt Rache am Menschen nimmt. Was Umweltgipfel und Klimaprotokolle nicht geschafft haben, leistet die Natur jetzt selbst: Corona lässt fast alle Räder still stehen und verbessert damit die CO2-Bilanz. DT/nbo
Norbert Bolz über Corona, Klima und Naturschutz. Lesen Sie den ganzen Text in der kommenden Ausgabe der Tagespost.