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Netflix-Serie „Barbaren“: Die Römer stecken im Morast fest

Die Netflix-Serie „Barbaren“ verknüpft eine fiktive, emotionale Geschichte mit einem historischen Hintergrund, der mit dem Stand der Forschung übereinstimmt.
Filmszene aus Netflix-Serie „Barbaren“
Foto: Netflix/ Katalin Vermes

Im September des Jahres 9. n. Chr. fand im Teutoburger Wald eine Schlacht mit kaum zu überschätzender Bedeutung für die Geschichte statt. In der sogenannten Varusschlacht wurden drei römischen Legionen, also etwa 15 000 Mann, von Germanen in einen Hinterhalt gelockt und vernichtend geschlagen. Die von römischen Historikern bezeichnete „clades Variana“ (Varus-Niederlage) bedeutete insofern eine Zäsur in der europäischen Geschichte, als Rom daraufhin auf die „Germania maior“, auf die Gebiete östlich des Rheins und nördlich der Donau verzichten musste.

Davon sowie von der Vorgeschichte der „Varusschlacht“ handelt die deutsche, sechsteilige Netflix-Serie „Barbaren“. Hauptfigur ist der Anführer germanischer Stämme, von dessen „Verrat“ übereinstimmend die römischen Geschichtsschreiber Velleius Paterculus, Tacitus, Florus und Cassius Dio, allerdings bis auf Paterculus aus einem zeitlichen Abstand von mindestens 90 Jahren, berichten. Sie nennen ihn mit seinem römischen Namen Arminius. Da auf Seiten der Germanen keine schriftlichen Zeugnisse überliefert sind, wurde nicht einmal dessen germanischer Name bekannt. Luther nannte ihn „Hermann“. Die Autoren der „Barbaren“-Serie Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Andreas Heckmann entschieden sich für Ari (Laurence Rupp).

Dramaturgischer Kniff: emotionale Handlung

Die Autoren sowie die Regisseure Barbara Eder und Steve St. Leger erzählen aus der Perspektive der cheruskischen Fürstentochter Thusnelda (Jeanne Goursaud) und des einfachen Kriegers Folkwin (David Schütter), die im Geheimen ein Paar sind. Als die römischen Besatzer unter Statthalter Varus (Gaetano Aronica) immer höhere Tribute von den Stämmen erpressen, die sie „Germanen“ nennen, beginnen sie sich zu wehren. Eine von Thusnelda und Folkwin auf eigene Faust durchgeführte Demütigung der Römer führt zu einer furchtbaren Rache, bei der Arminius eine wichtige Rolle spielt.

Als dramaturgischen Kniff setzen die Serienentwickler die Freundschaft der als Kinder unzertrennlichen Ari/Arminius, Thusnelda und Folkwin als emotionalen Handlungsantrieb ein: Der junge Mann, der als Kind als „Pfand“ für die Freundschaft zwischen Rom und den Germanen seinem Vater Segimer (Nicki von Tempelhoff) entrissen und in Rom von Varus selbst erzogen wurde, muss sich für eine Seite entscheiden. Seine Geschichte wird in kurzen, immer wieder in die Handlung eingestreuten Rückblenden veranschaulicht.

Spürbares Bemühen um historische Genauigkeit des Hintergrunds

Zur Dramaturgie führt Mit-Autor Arne Nolting aus: „Wir haben uns die Freiheit genommen, Figuren zu erfinden, historisch verbriefte Figuren in unserem Sinn zu interpretieren, und natürlich haben wir dramatisiert und verdichtet.“ Ist der emotionale Kern von „Barbaren“ fiktional, so lehnt sich der Hintergrund an die archäologischen Funde an.

Die zurzeit stattfindende Ausstellung „Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme“, die in der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel bis zum 21. März (so die Corona-Einschränkungen es erlauben) besucht werden kann, liefert ein Bild der Stämme, die vom 1. Jahrhundert vor bis zum 4. Jahrhundert nach Christus den Raum östlich des Rheins und nördlich der Donau bevölkerten, das mit dem Produktionsdesign von „Barbaren“ übereinstimmt: Es waren agrarisch ausgerichtete kleine Gemeinschaften, für die zwar Caesar den Begriff „Germanen“ als Sammelbezeichnung und Ordnungsgröße prägte, die jedoch nicht nur keinen größeren Gesellschaftsverband bildeten, sondern auch sich immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen lieferten. Insofern entspricht die zentrale Aussage in „Barbaren“ den Forschungsergebnissen: Der Varus-Schlacht musste eine wie auch immer zustande gekommene Einigung der „germanischen“ Stämme vorausgehen.

 

 

Mit der Forschung korrespondiert ebenfalls die Anordnung der Schlacht im nach Tacitus sogenannten „saltus Teutoburgiensis“, die übrigens bereits das zweiteilige ZDF-Dokudrama „Kampf um Germanien“ (DT vom 14.03.2009) akribisch rekonstruierte: Arminius lockt unter dem Vorwand eines lokalen Aufstands die römischen Legionen auf ein unwegsames Gelände, wo sie in einen Hinterhalt geraten. Die römischen Legionen, die auf offenem Gelände so gut wie unschlagbar waren, fallen ihrer schweren Ausrüstung zum Opfer: Die Soldaten bleiben im morastigen Waldboden einfach stecken, während sie die leichtbewaffneten Germanen vollständig aufreiben.

Zur Authentizität trägt ebenfalls bei, dass die Römer lateinisch sprechen und von Italienern gespielt werden. Allerdings ist die schöne Idee nicht immer ganz gelungen, weil nicht alle Schauspieler Latein so fließend reden wie etwa Varus-Darsteller Gaetano Aronica, und dieser Kniff deshalb mitunter etwas künstlich wirkt. Weil mangels schriftlicher Zeugnisse nicht bekannt ist, wie die „Germanen“ gesprochen haben, reden sie einfach Deutsch, hin und wieder allerdings eine Spur zu „modern“.

Dennoch: Die aufwändig produzierte Serie beleuchtet historisch korrekt den Hintergrund eines wichtigen Kapitels „deutscher“ Geschichte.


„Barbaren“, Deutschland 2020. Regie: Barbara Eder, Steve St. Leger. Sechsteilige Serie mit insgesamt 280 Minuten, auf Netflix

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