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Niklas Lotz und Naomi Seibt: Die Anti-Rezos

Der linke YouTuber Rezo wurde durch sein Video „Die Zerstörung der CDU“ bekannt. Doch spricht er für eine ganze Generation? Zwei nicht-linke YouTuber positionieren sich deutlich gegen den Mainstream
YouTuber Rezo
Foto: privat/dpa | Rezo ist eine Ikone der rebellischen Jugend. Seine unkonventionelle Kritik an der Bundesregierung und der CDU findet viel Zuspruch. Aber es gibt auch noch Jugendliche, die sich dieser Massenbegeisterung widersetzen.

Deutschlands Jugend liebt es, an Freitagen gegen den Klimawandel zu demonstrieren, verteilt „Refugees Welcome“-Sticker an Bushaltestellen und Straßenlaternen und wird spätestens mit der Immatrikulation Mitglied der Antifa? Dass der politische Common Sense gerade unter jungen Menschen linker und die empörten Rufe „gegen rechts“ lauter geworden sind, scheint offensichtlich. Es ist ein gesellschaftliches Bild und eine politische Haltung, die nicht zuletzt medial forciert zu werden scheint – aber auch unter jungen Menschen auf Widerspruch stößt.

Niklas Lotz betreibt als „Neverforgetniki“ einen YoutTube-Kanal

„Dass ich mich immer wieder rechtfertigen muss, dafür, nicht links zu sein, ist ein echtes Armutszeugnis für diese Gesellschaft. In meinem Umfeld musste sich noch nie ein junger Mensch dafür rechtfertigen, links zu denken, das scheint also ein einseitiges Problem zu sein“, schreibt Niklas Lotz. Als „Neverforgetniki“ betreibt der junge Mann aus Cottbus, gerade Anfang zwanzig, einen YouTube-Kanal mit mittlerweile 155 000 Abonnenten und hat im vergangenen Jahr zudem sein Buch „Mein Weckruf für Deutschland“ veröffentlicht.

Irgendwo und irgendwie „extrem rechts“

Während Kritiker ihn irgendwo „extrem rechts“ verorten und als „gefährlichen“ Influencer beschreiben, will „Niki“ nach eigenen Angaben vor allem eines: eine Gegenstimme sein zur „Stille einer ganzen Generation“. Die meisten Menschen in Deutschland seien nicht mehr frei, meint er. „Der Mensch verkommt immer mehr zum Sklaven des Systems“, schreibt Lotz und diagnostiziert seiner eigenen Generation eine „große Naivität und Beeinflussbarkeit“. Der junge Mann, der die Freiheit und Unabhängigkeit seiner medialen Arbeit betont, beobachtet in Deutschland eine „links-grüne Prägung von Medien, öffentlichen Institutionen wie Schulen und Universitäten, der Szene der Stars und Sternchen oder der herrschenden politischen Klasse“. Es reiche nicht mehr aus, neutral zu sein, man müsse vielmehr „laut und bekennend links sein und sich an linken Aktionen beteiligen“, um „nicht in einen Rechtspopulismus-Verdacht hineinzugeraten“.

Ganz konkret steht im Zentrum seiner Kritik neben den öffentlich-rechtlichen Medien und der Bundesregierung selbst unter anderem die deutsche Migrationspolitik. „Nun meinen viele linksliberale Vordenker, Eliten und Politiker aufgrund ihrer Ideologie und ihres ,humanistischen‘ Menschenbilds, dass man alle Menschen gleich gut integrieren kann“, schreibt Lotz. In dieser „Gleichheitslüge“ sieht der junge Mann das „Fundament aller Probleme“. Es sind nicht nur gesamtgesellschaftliche Beobachtungen, sondern auch Erfahrungen aus dem eigenen, vor allem schulischen Umfeld, die ihn insbesondere an der Integrationsfähigkeit von muslimischen Zuwanderern zweifeln lassen. In der islamischen Welt herrsche ein anderes Wertesystem, es gebe eine andere Mentalität und Sozialisierung, zudem keine Trennung von Staat und Religion. Mit der „westlichen Wertegemeinschaft“ seien die Ausprägungen dieser Unterschiede, etwa im Blick auf das Frauenbild oder Homosexualität, kaum vereinbar. „Was wir in Deutschland in den letzten Jahren erlebt haben, lässt sich am ehesten als Destabilisierung auf allen Ebenen bezeichnen“, kritisiert Lotz. „Bestimmte Werte und Identitätsmerkmale gehen verloren, die Zeiten sind schnelllebig und das Leben bietet wenig Konstanten.“

„Die meisten Menschen, die über Klimawandel reden,
wissen eigentlich nicht, worüber sie reden“

Das lässt sich auch auf die Familienpolitik beziehen. Lotz wirft der Politik, den Medien und Bildungseinrichtungen einen „subtilen Kriegszug gegen das klassische Familienbild“ vor. Auch durch die Forcierung von neuen Rollenbildern, Tabubrüchen und alternativen Lebensmodellen habe man Beständigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt eingebüßt. „Warum sollen die Lebensmodelle der Generationen vor uns denn zwanghaft schlecht gewesen sein? Warum soll heute ein Mann möglichst wenig Mann und eine Frau möglichst wenig Frau sein? Die Frage muss doch sein: Befreien wir so wirklich Menschen von Zwängen und Rollenbildern, oder schicken wir sie ohne Halt in die Orientierungslosigkeit?“ Neverforgetniki sieht darin ein ganz grundsätzliches Problem: „Ich als junger Mensch würde mir wünschen, dass man endlich aufhört, alles zu verteufeln, was sich nach alten Werten und Normen richtet. Alle konservativen Ansätze abzuwerten und stattdessen politischen Nonsens wie Gendersprache zu verherrlichen, erschafft einen Zeitgeist, der dieses Land zumindest in meinen Augen in eine sehr negative Richtung bewegt“, schreibt er. Und: „Fortschritt nur um des Fortschritts willen hilft absolut niemandem, Bewährtes bewahren muss immer eine Möglichkeit sein.“

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Naomi Seibt spricht sich gegen Abtreibung aus

Eine ihrer eigenen Generation und dem Mainstream gegenüber ähnlich kritische Haltung vertritt eine andere junge YouTuberin: Naomi Seibt. Knapp 92 000 Abonnenten hat ihr Kanal, über den sie sich zu unterschiedlichen politischen Themen äußert. Bekannt geworden ist sie unter anderem durch ihre Positionierung in der Klimadiskussion.

Die deutsche „Anti-Greta“ zeigt sich „skeptisch, was den Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Erderwärmung betrifft“ und kritisiert die aktuelle Debatte als äußerst unwissenschaftlich. „Die meisten Menschen, die über Klimawandel reden, wissen eigentlich nicht, worüber sie reden“, meint sie im Blick auf eine vereinheitlichte und fatalistische Auseinandersetzung mit der Thematik. „I don't want you to panic, I want you to think“ („Ich will nicht, dass ihr in Panik geratet, ich will, dass ihr denkt“), formuliert Seibt, die sich selbst nicht als „Klimaleugner“, sondern als „Klimarealist“ bezeichnet, in Anlehnung an Greta Thunbergs Aussage „I want you to panic.“ Die Menschen wieder zum selbstständigen Denken und einer skeptischen Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen anregen, das ist Naomi Seibts erklärtes Ziel. Die junge Frau aus Münster ist gerade 20 Jahre alt geworden. Ihr Abitur hat sie bereits vor drei Jahren – mit einer Durchschnittsnote von 1,0 – abgelegt, mit politischen Themen beschäftigt sie sich, seit sie 15 Jahre alt ist. Ihre eigene Haltung – sie habe „sehr freiheitliche Ansichten“ und bezeichnet sich insgesamt als „libertär“ – vertritt Seibt sehr deutlich, will sie jedoch niemandem überstülpen, sondern zu einem offenen Austausch anregen.

In ihren Videos und bei verschiedenen Auftritten spricht sie sich etwa gegen Abtreibung und für Grenzen aus, kritisiert die „Black Lives Matter“-Bewegung und beklagt eine zunehmende mediale Zensur. „Ich sehe die Gefahr, dass dieses Land auf eine sozialistische Diktatur zusteuert“, erklärt sie in ihrer Kanalvorstellung. Darin bekennt sie auch offen, dass sie die AfD gewählt hat und sich bewusst ist, dass viele sie und ihre Meinungen vermutlich als „rechts“ einstufen werden.Wie auch Niklas Lotz weiß Seibt, dass sie für ihr Alter und ihre Generation „etwas unpopuläre politische Meinungen“ vertritt. An Kritik nicht nur persönlicher Art – Lotz hat bereits mehrfach Morddrohungen erhalten –, sondern auch von Seiten großer Medien (etwa Spiegel TV) fehlt es dabei nicht. Schweigen wollen beide dennoch nicht. Wie auch immer man sich zu den Haltungen von Seibt und Lotz positionieren mag, das zumindest zeigen die beiden: Politisch waches Denken geht auch abseits von „Fridays for Future“.

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