Zu den Metaphern der Stunde zählt die vom „Schwarzen Schwan“. Zu Berühmtheit gelangte sie, als sich die „Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“ vornehmlich in den Terroranschlägen von 2001 und in der Finanzkrise von 2007/08 konkretisierte. Taleb hat diese von Karl Popper stammende Theoriefigur in seinem 2007 erstmals auf Deutsch erschienenen Erfolgstitel aufgegriffen.
Das Gewisse vom Ungewissen her gedeutet
Talib versucht das Gewisse vom Ungewissen her zu deuten, das Normale vom Extremen, das Wahrscheinliche vom Unwahrscheinlichen. Die entsprechenden Größen sind komplementär. Parallel zum rapid wachsenden Wissen steigt die Rate des Ungewissen. Seriöse Prognosen sind daher immer schwerer möglich.
Nun kann man natürlich darüber streiten, ob die Corona-Krise wirklich einen Anwendungsfall der Theorie vom Schwarzen Schwan darstellt. Handelt es sich wirklich um ein unwahrscheinlich-unvorhersagbares Ereignis? Man darf skeptisch sein. Ein verwandtes Virus, SARS-CoV-1, konnte in China vor über eineinhalb Jahrzehnten erfolgreich eingedämmt werden. Der Bundestag simulierte bereits 2013 eine SARS-Pandemie. Eine epidemiologische Studie, verfasst von Peng Zhou aus Wuhan 2019, hat den weltweiten Verlauf der Seuche relativ genau vorhergesehen. Vor diesem Hintergrund ist begreiflich, dass Taleb sich dagegen ausgesprochen hat, „Corona“ als Schwarzen Schwan zu interpretieren. Das verbreitete Wegsehen von der Gefahr ist kein Beleg für die Stimmigkeit dieser Theoriefigur.
Seuchen zählen zu den Lebensrisiken, die das endliche Dasein bedrohen. Wenngleich sie anscheinend weltweit an Relevanz verloren haben, darf man nicht von ihrem Verschwinden ausgehen.
Felix Dirsch über Corona, Gott und Risiken. Lesen Sie den ganzen Text in der kommenden Ausgabe der Tagespost. Holen Sie sich das ePaper dieser Ausgabe kostenlos