Der amerikanische Schriftsteller Rod Dreher analysiert und kritisiert in einem Beitrag für The American Conservative die Bestrebungen der Bewegung „Disrupt Texts“, klassische Werke wie jene eines Shakespeare oder Homer aus dem Lehrplan zu entfernen. Rod Dreher sieht in diesen Versuchen der Literatursäuberung einen „sanften Totalitarismus“ am Werk: „Der Staat zwingt keine Schule und auch keinen Lehrer, dies zu tun. Aber sie tun es dennoch – sie schicken die Werke großer Schriftsteller, einschließlich der Werke, die grundlegend für unsere Zivilisation sind, in das Gedächtnisloch - alles im Namen einer utopischen politischen Vorstellung, die den Unterricht als Therapie behandelt“.
Dreher: Leidenschaftlich Kultur und Zivilisation verteidigen
Der Autor der „Benedikt-Option“ fragt die Eltern unter seinen Lesern: „Wissen Sie, ob dies auch an der Schule Ihres Kindes vor sich geht? Beunruhigt Sie das?“ Es sollte ihnen nicht egal sein, meint Dreher. Denn „diese Fanatiker“ von #DisruptTexts meinten es tatsächlich ernst und „sind wirklich leidenschaftlich in Bezug auf ihr Anliegen. Wenn wir nicht zumindest ebenso leidenschaftlich im Hinblick auf die Verteidigung unserer Kultur und Zivilisation sind, werden wir verlieren“.
Hintergrund ist ein Artikel im „Wall Street Journal“, der unter dem Titel „Even Homer gets mobbed“ beklagt, dass eine Schule in Massachusetts sich entschlossen hat, die „Odyssee“ „aufgrund der white supremacy“ aus dem Curriculum zu streichen. Ein anhaltendes Bestreben sei im Gange, „Kindern den Zugang zur Literatur zu verweigern“. Unter dem Motto #disrupttexts „säubern Ideologen der Kritischen Theorie, Schullehrer und Agitatoren bei Twitter klassische Texte“, dabei falle ihnen „alles von Homer bis F. Scott Fitzgerald und dem Kinderbuchautor Dr. Seuss zum Opfer“.
Es könnte jeden Autor treffen
Ihr Ethos, so heißt es in dem Artikel weiter, besage, „dass Kinder keine Geschichten zu lesen haben sollten, die in einer anderen als der heutigen Umgangssprache verfasst wurden – besonders jene nicht, ‚in denen Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen des Hasses die Norm sind‘, wie die junge Autorin Padma Venkatraman im ‚School Library Journal‘ [einer amerikanischen Fachzeitschrift für Kinder-, Jugend- und Schulbibliothekare] schreibt“. Kein Verfasser sei wichtig genug, um davon verschont zu werden.
So belehre Venkatraman die Leser: „Shakespeare von seiner Verantwortung mit dem Hinweis zu entbinden, dass er zu einer Zeit lebte, in der von Hass getriebene Gesinnungen herrschten, geht das Risiko ein, die unterschwellige Botschaft zu senden, dass hervorragende gelehrte Leistungen eine hasserfüllte Rhetorik wieder wettmachen“. Schon 2018 habe ein Englisch-Lehrer in Seattle getwittert, wie das „Wall Street Journal“ bemerkt, dass er „lieber sterben würde “, als „Der scharlachrote Buchstabe“ von Nathaniel Hawthorne im Unterricht zu behandeln. Im Juni dieses Jahres twitterte die Englischlehrerin einer Highschool, Heather Levine, sie sei sehr stolz darauf, sagen zu können, „dass wir die Odyssee in diesem Jahr aus dem Curriculum gestrichen haben!“ DT/ks
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