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Zwei Religionen in Zwietracht

Die Vertreibung der Rohingyas aus Myanmar zeigt, wie schwierig das Verhältnis zwischen dem Buddhismus und dem Islam ist. Von Klemens Ludwig
Buddhist monks protest UN calls for Myanmar to give citizenship t
Foto: dpa | Buddhistische Mönche protestieren in Yangon gegen eine UN-Resolution, welche Myanmar dazu drängt, den Rohingyas „volle Staatsbürgerschaft“ anzubieten.

Die brutale Vertreibung hunderttausender muslimischer Rohingyas aus dem buddhistischen Myanmar entsetzt die Welt und passt so gar nicht zu den weit verbreiteten Vorstellungen über den Buddhismus. Insofern bietet diese Tragödie einen Anlass, einen tieferen Blick auf das buddhistisch-islamische Verhältnis zu werfen.

Schon in ihren Heiligen Schriften tun sich Buddhismus und Islam schwer miteinander. Mohammed hatte keinen Kontakt zu Buddhisten, doch hat er eine klare Dreiteilung der Menschen vorgenommen: die Muslime, die Dhimmi sowie die Harbi. Erstere sind die Rechtgläubigen, die ihm folgen. Darauf folgen die „Schutzbefohlenen“, das heißt, die anderen monotheistischen Buchreligionen Juden- und Christentum, die zwar den Muslimen nicht gleichgestellt sind, aber einen gewissen Schutz beanspruchen können. Schließlich „die zum Krieg gehören“, die zur Zeit Mohammeds in Mekka zahlreichen Anhänger polytheistischer Religionen. Gegen sie richtete sich seine Agitation ganz besonders. An vielen Stellen des Korans erteilt er einen klaren Auftrag zur Missionierung, vor allem ihnen gegenüber. So gingen seine Nachfolger entsprechend expansiv gegen die polytheistischen Religionen vor, zu denen sie bald schon Buddhisten und Hindus zählten.

Dem Buddhismus wird dagegen eine besondere Toleranz und Friedfertigkeit zugesprochen. Doch es gibt auch buddhistische Texte, die militant klingen. Das betrifft vor allem den aus Indien stammenden Kalachakra-Mythos. Das Kalachakra („Rad der Zeit“) geht ins 11. Jahrhundert zurück. Es enthält militante Passagen, die sich gegen den Islam richten. So heißt es unter anderem, in Mekka lebe „das machtvolle, gnadenlose Idol der Barbaren, die dämonische Inkarnation“.

Das Kalachakra stammt aus der Zeit, als der Buddhismus in seinem Ursprungsland Indien kurz vor der Auslöschung stand. Zwar hatte die Lehre Buddhas den Höhepunkt ihrer Ausdehnung in Südasien zwischen dem 4. vor- und dem 4. nachchristlichen Jahrhundert bereits überschritten und der Hinduismus, aus dem sie hervorgegangen war, war wieder zur führenden Religion geworden. Es gab jedoch eine friedliche Koexistenz. Den Todesstoß erhielt der Buddhismus in Indien durch die persisch-islamische Ghuriden-Dynastie. Besonders traumatisch war die vollständige Zerstörung der Kloster- und Kunstschule von Nalanda in Bihar im Jahre 1202 durch Muhammad Bakhtyar Khalji. Sie war das geistige Zentrum der gesamten buddhistischen Welt. Dieser barbarische Akt führte zu einer großen Fluchtbewegung buddhistischer Gelehrter und Künstler nach Burma und Tibet. Dort liegen die Wurzeln für das noch heute vorherrschende tiefe Misstrauen der Burmesen gegenüber dem Islam, worunter vor allem die Rohingyas leiden.

Innere und äußere Kämpfe

Für viele Buddhisten über Myanmar hinaus sitzt dies Trauma so tief wie für die Muslime die Kreuzzüge – nur, dass selbst die christliche Welt kaum zur Kenntnis nimmt, was den Kreuzzügen vorausging: nämlich die Machtübernahme der radikal-islamischen Seldschuken im Heiligen Land, die den Christen verboten, die Ursprungsstätten ihrer Religion aufzusuchen. Und noch etwas unterscheidet die christlichen Kreuzritter von den islamischen Eroberern Asiens: Sie hielten sich nicht lange im Heiligen Land, während die Muslime nahezu sechs Jahrhunderte über Indien geherrscht haben und heute zwei Staaten auf dem indischen Subkontinent bilden.

Aus der extremen Situation der Bedrohung und Vernichtung heraus entstand das Kalachakra, das sich an vielen Stellen kriegerischer Bilder bedient. Doch selbst diese Vergleiche werden von vielen Lehrern und Gläubigen nicht als konkrete Handlungsanweisungen gedeutet. Lange vor dem Kalachakra dienten in der indischen Tradition Bilder von kriegerischen Schlachten oder sexuellen Praktiken dazu, metaphysische Vorgänge verständlich zu machen. Es geht dabei um den Kampf zwischen Gut und Böse, den jeder für sich ausfechten muss.

In diesem Sinne interpretiert auch die mystische Tradition des Islam den Jihad, den „heiligen Krieg“, als einen Kampf gegen jene Kräfte, die den Einzelnen davon abhalten, den Islam in seiner reinen Form zu praktizieren. Der „heilige Krieg“ ist dann ein innerer Kampf gegen Zweifel, Misstrauen, Bequemlichkeit und unethisches Verhalten. Auf einer solchen Ebene würden Islam und Buddhismus leicht zueinander finden, doch die Geschichte lehrt, dass die große Mehrheit der Muslime den Jihad als konkreten Kampf gegen vermeintliche oder tatsächliche Gegner des Islam sieht.

Die Konfrontation in Indien war nicht die erste ihrer Art zwischen dem Islam und dem Buddhismus. Beide Religionen waren von Beginn an Konkurrenten. Als der Islam seinen Siegeszug von der arabischen Halbinsel nach Westen und Osten antrat, hatte der Buddhismus in Asien seine größte historische Ausdehnung erreicht. Von der Seidenstraße durch Zentralasien und Südostasien bis fast zum pazifischen Ozean bekannten sich große Teile der Bevölkerung zur Lehre des Erleuchteten. Das heutige Afghanistan gehörte ebenso dazu wie Indonesien; Staaten, die zu den größten und strengsten der islamischen Welt zählen. An diese Blütezeit des Buddhismus erinnern nur noch Kulturdenkmäler wie die Tempelanlage Borobudur aus dem späten 8. Jahrhundert im Osten Javas, oder die Buddha-Statuen von Bamiyan, einem Hochtal etwa 230 km nordwestlich der afghanischen Hauptstadt Kabul. Sie stammen aus dem 6. Jahrhundert.

Die Zurückdrängung des Buddhismus durch den Islam begann im 8. Jahrhundert. Heere sunnitischer Araber und persischer Lokaldynastien, aber auch friedliche Händler zogen immer weiter nach Osten.

Kurz nachdem die Ghuriden dem Buddhismus in seinem Ursprungsland den endgültigen Todesstoß versetzt hatten, tauchten erste islamische Händler in Südostasien auf, und zwar in Aceh, im Norden Sumatras, wo heute die Scharia in ihrer brutalsten Form praktiziert wird. Im 16. Jahrhundert war der Islam zur führenden Religion im indonesischen Archipel geworden und behielt diese Stellung auch unter der niederländischen Kolonialherrschaft bei.

Aktuellen Konflikten wird wenig Aufmerksamkeit zuteil

Aktuelle Schauplätze des buddhistisch-islamischen Konflikts sind neben Myanmar der Süden von Thailand, der Osten von Bangladesh, sowie einige Regionen Nordindiens und Tibets, wo die Feindseligkeiten allerdings von der Staatsmacht gezielt geschürt werden. Von Myanmar abgesehen wird diesen Konflikten wenig Aufmerksamkeit zuteil.

In Thailand ist das moslemische Königreich Patani der Stein des Anstoßes. Es im späten 18. Jahrhundert von den buddhistischen Thai-Königen annektiert worden. Phasen der Repression wechselten sich mit liberalen Epochen ab, so dass die ethnische, kulturelle und religiöse Identität der Patani nicht ernsthaft bedroht wurde. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts verschärfte sich der Konflikt. Schul- und Studienabgänger der Patani hatten kaum eine angemessene berufliche Perspektive. Einige von ihnen radikalisierten sich und gründeten separatistische Organisationen, von denen die PULO (Patani United Liberation Organisation) die größte Bedeutung erlangte. Die Rückzugsmöglichkeit über die malaysische Grenze, Schmuggel, Schutzgelderpressung, aber auch Unterstützung aus arabischen Staaten wie Libyen und dem Sudan gaben den Bewegungen den nötigen Halt. 1998 schloss die thailändische Regierung mit dem malaysischen Nachbarn ein Ankommen zur Grenzkontrolle, wodurch die Kampfhandlungen weitgehend zum Erliegen kamen. 2004 flammten sie indes wieder auf. In der letzten Zeit richten sich die Angriffe gezielt gegen Angehörige des buddhistischen Klerus.

In Bangladesh, nicht weit von der Grenze nach Myanmar, konnte sich in abgelegenen Bergregionen eine nennenswerte nicht-islamische Minderheit erhalten. Die sogenannten Chittagong Bergvölker sind tibeto-burmanischen Ursprungs und lebten bis zur Gründung von Bangladesh 1971 relativ unbehelligt. Danach gerieten sie unter den Assimilierungsdruck des bengalischen Staates. Ungeachtet zahlreicher brutaler Militäraktionen gelang es der Zentralregierung nicht, die Bergvölker zu unterwerfen. In den letzten Jahren hat sich die Situation ein wenig entspannt.

In Zentral- und Osttibet siedelt die Regierung in Peking gezielt loyale islamische Hui an, um die Tibeter, deren Identität der Buddhismus ist, zur Minderheit im eigenen Land zu machen

Unverhohlene Missachtung gegenüber dem Buddhismus

Die Verachtung radikaler Moslems gegenüber dem Buddhismus demonstrierten die Auseinandersetzungen um die Buddha-Statuen von Bamiyan. Es handelte sich um zwei Statuen von 55 und 34,5 Metern. Sie waren nicht nur ein Abbild des Erleuchteten, sondern ihre Anordnung und Größe beinhalteten Geheimnisse der Zahlenmystik und andere verborgene Symboliken. Zur Zeit der buddhistischen Hochkultur in Zentralasien waren sie mit Gold überzogen und mit Juwelen geschmückt, wie chinesische Chronisten berichten. Von dem Glanz war nicht mehr viel übrig, als die Taliban 1996 die Macht an sich rissen, doch die Statuen hatten eineinhalb Jahrtausende überdauert. Von Beginn an waren sie den religiösen Eiferern ein Dorn im Auge, und am 12. März 2001 sprengten Milizen auf Befehl des Staatsoberhaupts Mullah Mohammed Omar beide Statuen weg. Ein Appell der UNESCO an die islamische Welt, sich für den Erhalt der Statuen als ein Kulturdenkmal einzusetzen, verhallte ungehört. Als die ohnehin bescheidene Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen daraufhin weiter reduziert wurde, erklärte ein Taliban-Sprecher: „Wenn die Weltgemeinschaft jetzt den Bedürftigen Hilfe verweigert, nur ein paar Gesteinsbrocken wegen, dann muss das Ausland das mit seinem eigenen Gewissen ausmachen.“

Ein ernstzunehmender buddistisch-islamischer Dialog findet kaum statt. Nur einige Repräsentanten bemühen sich darum; mit unterschiedlichem Erfolg. Allen voran geht der Dalai Lama. Er traf bereits mehrmals den ehemaligen Popsänger Cat Stevens, der nach seinem Bekenntnis zum Islam als Yusuf Islam zu dessen wichtigsten Persönlichkeiten im englischsprachigen Bereich gehört.

Dabei verspräche eine Entspannung im buddhistisch-islamischen Verhältnis gerade den Rohingyas ein Leben in Würde und Anerkennung.

Vom Autor im Herbig-Verlag erschienen ist das Buch Die Opferrolle: Der Islam und seine Inszenierung.

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28.03.2024, 21 Uhr
Regina Einig