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Warum es eine Päpstin Johanna nie gegeben hat

Erstaunlich, dass sich die Mär von der Päpstin gerade in feministischen Kreisen so großer Beliebtheit erfreut. Enthält sie doch frauenfeindliche Klischees aus dem finsteren Mittelalter
Eine Päpstin Johanna gab es nie, dafür die selige Johanna Maria Bonomo.
Foto: IN | Die selige Johanna Maria Bonomo.

Die ungewöhnlichste Frau des Mittelalters soll sie gewesen sein, diese Johanna aus Ingelheim im Bistum Mainz, ihre Geschichte die einer einzigartigen Karriere. Zunächst, so heißt es, habe die Tochter englischer Missionare eine heilkundliche Ausbildung erhalten. Doch sie wusste, dass sie als gelehrte Frau in der Männergesellschaft des Frühmittelalters kaum überleben konnte. Als Mönch verkleidet, trat sie ins Kloster Fulda ein.

Über Umwege kam sie nach Rom, wurde als Leibarzt des Papstes berühmt – und schließlich selbst auf den Thron Petri gewählt. Erst als sie von der verbotenen Frucht der fleischlichen Liebe kostete, wendete sich ihr Schicksal. Johanna, die Päpstin, wurde schwanger. Auf einer Prozession durch Rom, auf dem Weg vom Petersdom zur Lateranbasilika, kam sie nieder, brachte einen Sohn zur Welt. Jetzt sah es jeder: sie war eine Frau. Sie hatte die Kardinäle, die Kirche und das Volk getäuscht, das sich jetzt blutig rächte, sie zu Tode steinigte.

Einer der erfolgreichsten Romane der 1990er Jahre

So lautet die Geschichte eines der erfolgreichsten Romane der 1990er Jahre: „Die Päpstin“, verfasst von der amerikanischen Feministin Donna Woolfolk Cross, verkaufte weltweit einige Millionen Exemplare und erreichte allein in Deutschland über 55 Auflagen. Die Verfilmung von Sönke Wortmann mit Johanna Wokalek in der Hauptrolle kam am Donnerstag in die Kinos. Nun kann man natürlich über alles und jedes erfolgreiche Romane schreiben; Dan Brown hat das deutlich gezeigt. Doch Cross erhebt einen weitergehenden Anspruch; sie behauptet, ihre Geschichte beruhe auf Tatsachen. Johanna von Ingelheim sei „eine reale Person“ und noch dazu „eine der außergewöhnlichsten Frauengestalten der abendländischen Geschichte“ gewesen, die im Jahre 853 für zweieinhalb Jahre die erste und letzte Päpstin wurde. Ihre Existenz sei „bis ins 17. Jahrhundert allgemein bekannt ... und erst dann aus den Manuskripten des Vatikans entfernt worden.“ (So der Klappentext der deutschen Hardcover-Ausgabe, erschienen im linken „Aufbau-Verlag“). Einzig die Details des 555 Seiten-Romans seien das Produkt der künstlerischen Phantasie der Autorin.

Gab es die Päpstin Johanna?

Um dieser Behauptung Gewicht zu verleihen, hat sie das Werk eigens mit einem elfseitigen Anhang versehen, dessen zentrale Frage „Gab es Päpstin Johanna?“ sie eindeutig bejaht. Gab es sie tatsächlich? War Papst Johannes VIII. eine Frau? Versucht die katholische Kirche bis heute zu verdunkeln, dass es einen weiblichen Papst gegeben hat? Fürchtet sie, dass der Skandal um die Päpstin das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit ebenso in Frage stellen könnte wie ihre Absage an die Frauenordination?

„Über mehr als achthundert Jahre hinweg – von der Mitte des neunten bis ins siebzehnte Jahrhundert – war Johannas Pontifikat allgemein bekannt und wurde als historische Wahrheit akzeptiert“, behauptet die Autorin. Dafür, dass man sie trotzdem vergeblich in den Geschichtsbüchern sucht, hat Cross eine ganz einfache, wenn auch wenig originelle Erklärung: es war alles eine große Verschwörung des Vatikans: „Im siebzehnten Jahrhundert ... unternahmen verschiedene Einrichtungen der katholischen Kirche, die sich wachsenden Angriffen durch den Protestantismus ausgesetzt sah, einen gemeinschaftlichen Versuch, die peinlichen historischen Unterlagen über Johanna zu vernichten. Hunderte von Büchern und Manuskripten wurden vom Vatikan eingezogen.“

Die Behauptungen sind falsch

Beide Behauptungen sind falsch. Tatsächlich gab es Gerüchte um eine Päpstin namens Johanna seit dem 13. Jahrhundert. Sie hielten sich bis ins 15. Jahrhundert – als sie, mit Beginn der kritischen Geschichtsschreibung, von Kirchengeschichtlern als unfromme Legende entlarvt wurden. Dass es nie zu einer „großen Säuberung“ der Vatikanarchive gekommen ist, davon zeugt schon die große Menge von Abhandlungen über Johanna, die uns aus dem Spätmittelalter überliefert sind; der deutsche Historiker Spanheim zählte auch nach der angeblichen Quellenvernichtung im 17. Jahrhundert noch ganze 500 Literaturbelege über ihr angebliches Pontifikat. Allerdings: keine Quelle war zeitgenössisch; die älteste entstand über vierhundert Jahre nach ihrem angeblichen Tod.

Dabei gibt es die Legende von der Päpstin Johanna gleich in zwei Versionen: Die erste stammt von Jean de Mailly, einem Dominikanermönch aus dem 13. Jahrhundert, und wird von Etienne de Bourbon (+ 1261), einem anderen Dominikaner, in seinem Werk „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“ zitiert. Dort heißt es, irgendwann „um das Jahr 1100“ habe eine kluge Frau gelebt, die, als Mann verkleidet, Zugang zur römischen Kurie fand, zunächst Notar, dann Kardinal und schließlich Papst wurde. Eines Tages, bei einem Ausritt, brachte sie einen Sohn zur Welt. Das aufgebrachte Volk band sie am Schwanz des Pferdes fest und ließ sie rund um die Stadt schleifen, bevor es sie steinigte und ihren Leichnam verscharrte. An der Stelle, an der sie starb, wurde ein Gedenkstein errichtet, auf dem geschrieben stand: „Petre, Pater Patrum, Papisse Prodito Partum“ („O Petrus, Vater der Väter, offenbare die Kindsgeburt der Päpstin“).

Gab es Papst Johannes Anglicus?

Die zweite Version finden wir in der Chronik des Martin von Troppau (Martinus Polonus, + 1278), einem päpstlichen Kaplan. Danach habe nach Papst Leo IV. (847-55) der Engländer Johannes von Mainz (Joannes Anglicus, natione Moguntinus) zwei Jahre, sieben Monate und vier Tage auf dem Thron Petri gesessen. Der Chronist weiter wörtlich: „Er soll, so wurde behauptet, eine Frau gewesen sein“. In jungen Jahren habe ihr Geliebter sie in Männergewändern nach Athen gebracht, wo sie sich große Gelehrsamkeit erwarb, schließlich nach Rom berufen wurde, um dort zu lehren. Dort schätzte man sie so sehr, dass man sie nach dem Tod Leos IV. zum Papst kürte. Sie wurde im Amt schwanger und kam schließlich „auf dem Wege von Sankt Peter zum Lateran“, der damaligen Residenz der Päpste, nieder. Bei der Geburt starb sie und wurde an Ort und Stelle begraben. „Sie wurde auch nicht in die Aufstellung der heiligen Päpste aufgenommen, sowohl ihres weiblichen Geschlechtes als auch der Niedertracht ihrer Handlungen wegen.“

Ein anderes Manuskript dieser Chronik, in Berlin verwahrt, behauptet dagegen, sie habe die Geburt überlebt, sei abgesetzt worden und habe den Rest ihres Lebens Buße getan; ihr Sohn aber sei Bischöfe von Ostia geworden.

Seit dem 13. Jahrhundert glaubte man an die Geschichte von der „Päpstin Johanna“. Sie wurde in der Kathedrale von Siena dargestellt, in zahlreichen Schriften erwähnt und der Ketzer Jan Hus konnte sich 1413 vor dem Konzil von Konstanz auf sie berufen, ohne dass ihm widersprochen wurde. Die römische Kirche hat auch nie versucht, ihre vermeintliche Existenz zu vertuschen; im Gegenteil – man verließ sich auf Martin von Troppau, nahm sie sogar – wenngleich nachweisbar nachträglich – in das Liber Pontificalis, das „Buch der Päpste“ auf. Fortan, so heißt es, habe man alle neugewählten Päpste auf ihre Männlichkeit überprüft.

Erst im 15. Jahrhundert, mit Beginn der kritischen Geschichtsschreibung, erklärten Kirchengeschichtler wie Aeneas Silvius und Bartolomeo Platina die Legende für unhaltbar. Trotzdem wurde sie von Martin Luther aufgegriffen und von da an fester Bestandteil protestantischer Polemik gegen das Papsttum. Im 20. Jahrhundert wurde Johanna als Frau, die sich in die ultimative Männerdomäne eingeschlichen hatte, zur Heldin des Feminismus.

Die klatschsüchtigen Römer überlieferten jeden Skandal

Auffallend ist jedoch, dass die beiden frühesten Quellen sich so auffällig – um ganze 250 Jahre! – in der Datierung ihres Pontifikats widersprechen. Cross macht sich nicht einmal die Mühe, das zu erklären, sondern verweist lediglich darauf, dass der Kirche genügend Zeit zur Verfügung stand, „jeden Hinweis auf Päpstin Johanna zu verwischen“. Dabei verschweigt sie, dass es gerade kirchliche Quellen sind, denen wir überhaupt die frühesten Hinweise auf die angeblich Totgeschwiegene verdanken. Das einzige Exemplar der Papstchronik Liber Pontificalis, das einen Zusatz zur Päpstin Johanna enthält, befindet sich in der Vatikanischen Bibliothek. Allerdings ist es nur eine Fußnote, zudem in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts verfasst und im Wortlaut mit Martin von Troppaus Text identisch. Jemand, der die Geschichte für wahr hielt, hat also lediglich den Originaltext ergänzt, statt ihn zu zensieren.

Tatsächlich gibt es keine einzige zeitgenössische Quelle, die darauf schließen ließe, dass ein „Papst Johannes“ alias Johanna im Jahre 855 auf Leo IV. folgte. Ein Johannes VII. war Papst von 705–707, ein Johannes VIII. von 872–882. Leos IV. Nachfolger dagegen war Papst Benedikt III. (855–858), dessen Pontifikat in eben jenen Zeitraum fiel, in dem die „Päpstin Johanna“ gewirkt haben soll. War dieser Benedikt III. vielleicht eine Erfindung der Vatikanchronisten, um die Existenz Johannas zu vertuschen?

Gewiss nicht. Denn immerhin gibt es Münzen aus dem ersten Jahr seines Pontifikats, die Benedikt III. zusammen mit dem am 28. September 855 verstorbenen Kaiser Lothar zeigen. Am 7. Oktober 855 erließ dieser Papst eine Charta für die Abtei Corvey. Seine Korrespondenz mit dem Erzbischof von Reims aus dem selben Jahr ist ebenfalls erhalten, außerdem ein Rundschreiben an die Bischöfe im Reich Karls des Kahlen. Benedikt III. ist also historisch bezeugt, Johanna nicht. Auch der exkommunizierte byzantinische Patriarch Photios, ein erklärter Gegner des römischen Papsttums, erwähnte in seinen Schriften Leo und Benedikt als aufeinanderfolgende Päpste, nicht aber eine(n) Johann(a)(es). So heftig er die Päpste auch anklagte, so viele Vorhaltungen er der römischen Kirche machte, bei aller Polemik gegen den westlichen Zölibat – nie kam er auf die angebliche Päpstin zu sprechen, obwohl er ihr Zeitgenosse gewesen wäre. Trotz aller gegenseitiger Häresievorwürfe – in der gesamten Polemik zwischen der Orthodoxie und dem Katholizismus spielte der angebliche Skandal um Johanna nie eine Rolle. Schon deshalb ist stark zu bezweifeln, dass sie jemals existierte.

Doch weshalb glaubte man trotzdem seit dem 13. Jahrhundert an die Existenz der Päpstin? Der große Kirchenhistoriker Cesare Baronius hielt den Mythos für eine Satire auf den historischen Papst Johannes VIII. (872–882), dem zu große Weichheit im Umgang mit Photios vorgeworfen wurde. Tatsächlich nannte der exkommunizierte Patriarch den Papst gleich dreimal ironisch „den Mannhaften“, als wolle er ihn ganz bewusst vom Stigma der Femininität befreien.

Nach einer anderen Erklärung war Marozia, die Mutter zweier Päpste, die sich beide Johannes nannten, das historische Vorbild der Päpstin. Die mächtige Adelsdame, Geliebte von Papst Sergius III. (904–911), hatte im 10. Jahrhundert sieben Päpste auf den Thron Petri und wieder zu Fall gebracht. Einer davon war ihr gemeinsamer Sohn mit Sergius, der sich Johannes X. (914–928) nannte, ein anderer ihr Sohn mit ihrem Mann Alberich, Johannes XII. (931–935). Das Papsttum verkam zum stadtrömischen Klüngel. Ihren Tiefstand erreichte diese Epoche, die von Baronius als Pornokratie bezeichnet wurde, als Marozias Enkel Johannes XII. (955–964) im Alter von nur achtzehn Jahren den Papstthron bestieg. Kirchengeschichtler verglichen ihn mit Caligula und Nero. So soll er in einem Pferdestall einen Bischöfe geweiht und den Papstpalast – damals der Lateran – in ein Bordell verwandelt haben. Er starb im Alter von nur 27 Jahren, angeblich ermordet von einem gehörnten Ehemann. Auch wenn solche Berichte vielleicht übertrieben sind, die Tatsache, dass sie uns überliefert wurden, zeugt davon, dass es keine kirchliche Zensur gab. Es war dann der deutsche Kaiser Otto der Große, der mit seinem Kandidaten Leo VIII. (963–65) das Papsttum wieder auf den rechten Weg führte.

Die klatschsüchtigen Römer überlieferten jeden Skandal, ob wahr oder nur glaubhaft erdichtet. Auch die Legende von der Päpstin Johanna wollte man lange genug glauben, nicht obwohl, sondern eben gerade weil sie so pikant war. Die plausibelste Erklärung für ihre Entstehung lieferte der deutsche Historiker und Theologe Ignaz von Döllinger, übrigens ein ausgesprochener Kritiker des Papsttums. In seinem Buch „Papstfabeln“ (München 1863) entlarvt er ihre Geschichte als römische Volkssage, basierend auf der Entdeckung einer antiken Frauenstatue unweit des Kolosseums, die mit der Widmungsformel „P.P.P.“ (proprie pecunia posuit – „Stellte die notwendigen Mittel zur Verfügung“) und dem Namen des Spenders, Petr.(onius), pater patrum, versehen war.

Pater Patrum, „Vater der Väter“, war ein Hohepriester-Titel des heidnischen Mithras-Kultes, und tatsächlich entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen unter der Kirche San Clemente die Überreste eines antiken Mithras-Heiligtums. Es lag einst an der Stelle, an der laut Martin von Troppau die unglückliche Johanna niedergekommen sein soll. Dass schon die älteste Version der Johanna-Legende, nämlich Jean de Maillys Bericht, diese Inschrift erwähnt, ist für Döllinger ein deutlicher Hinweis auf ihren Ursprung: Fantasievolle Römer deuteten das Petr. Pater patrum P.P.P. jetzt als Petre, Pater Patrum, Papisse Prodito Partum – „Petrus, Vater der Väter, enthülle die Niederkunft des weiblichen Papstes“. Es war nicht das erste Mal, dass der Volksmund wilde und oft auch frivole Geschichten um mehrdeutige antike Monumente erfand. Der aus Polen stammende und mit den römischen Eigenheiten wenig vertraute Martin von Troppau mag nicht gemerkt haben, dass ihm jemand mit der Geschichte einen Bären aufband.

Hinzu kam, dass die enge Straße, die vom Lateran in Richtung des Petersdomes führte, tatsächlich einst als vicus Papissa bekannt war, wie altrömische Stadtpläne belegen, denn er führte am Haus einer Familie namens Pape vorbei. Die Papes waren im Mittelalter so reich, dass sie sogar eine eigene Kapelle besaßen. Als letzter dieser Familie ist in den alten Chroniken ein Giovanni Pape verzeichnet, der im Jahre 973 verstarb und eine Witwe, die Papessa, hinterließ. Natürlich mag sich ein Fremder über den seltsamen Namen gewundert und sich einen Reim daraus gemacht haben: die Nähe zum Papstpalast, die Tatsache, dass die Päpste bei Prozessionen die (damals recht enge) Straße mieden, ein heidnisches Göttinnenbild mit der seltsamen Inschrift – das alles mag zur Entstehung dieser volkstümlichen Legende beigetragen haben, bis sie sich schließlich verselbstständigte, man in Rom begann, an sie zu glauben.

Kein einziger Beweis, eine Sage – sonst nichts

So musste bald vieles zu ihrer Bestätigung herhalten. Der englische Vatikanjournalist Peter Stanford etwa begann, an die Geschichte zu glauben, als er beobachtete, wie fromme Frauen frische Blumen zu einem Marienbild an der Via dei SS. Quattro Coronati brachten, wie der vicus Papissa heute nach der Kirche, an der er vorbeiführt, heißt. Dabei werden überall in Rom Marienschreine gleichermaßen liebevoll geschmückt, ohne dass dabei jemand an eine Päpstin denkt.

Trotzdem behauptet Stanford, in einer der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Seitenkammer der vatikanischen Museen einen Beweis für die historische Zuverlässigkeit der Johanna-Legende gefunden zu haben: Einen Porphyrthron, die sedis stercoraria, auf dem angeblich seit den Tagen der Päpstin jeder neugewählte Papst Platz nehmen musste, während ein Kardinal prüfte, ob er tatsächlich ein Mann war. Seine Form, die kreisrunde Öffnung in der Mitte, offenbart jedoch die wahre Funktion des Porphyrthrons: Es war ein spätantiker Toilettenstuhl (sedis stercoraria heißt, wörtlich. „Kot- stuhl“)! Erst die deftige Fantasie der Römer ließ daraus ein Instrument für einen Männlichkeitstest werden.

Das Fazit ist eindeutig: Es gibt keinen, wirklich gar keinen Beweis für die Existenz einer Päpstin Johanna. Bei genauer Betrachtung erscheint ihre Geschichte dann auch gar nicht mehr realistisch. Soll wirklich eine so kluge und ehrgeizige Frau, endlich an ihrem Ziel angekommen, einen so entscheidenden Fehler gemacht haben, sich auf ein riskantes Liebesabenteuer einzulassen? Ist es wahrscheinlich, dass ihre Schwangerschaft neun Monate lang unentdeckt blieb? Wäre sie wirklich von der Geburt überrascht worden, hätte sie nicht ihr Kind heimlich zur Welt bringen können?

Die Geschichte von der Päpstin Johanna ist eine Sage, nicht mehr und nicht weniger. Verwunderlich ist nur, dass sie sich gerade in feministischen Kreisen so großer Beliebtheit erfreut. Denn tatsächlich enthält sie frauenfeindliche Klischees aus dem finstersten Mittelalter: Das perfide Weib, das sich nur durch List und Betrug in die Männerwelt einschleicht, dann zum Opfer seiner Wollust wird und schließlich, nach der Enttarnung, die gerechte Strafe erhält: den Tod. Vielleicht war aber gerade das ein Motiv ihrer Erfinder: Die Geschichte sollte Frauen davon abschrecken, in vermeintliche Männerdomänen vorzudringen!

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