Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Feuilleton

Spaemann: Eine der letzten großen Denkergestalten

Der Spaemann-Schüler Walter Schweidler würdigt den jüngst verstorbenen Philosophen in der „Tagespost“ als einen der bedeutendsten unserer Zeit.
Walter Schweidler würdigt Robert Spaemann
Foto: KNA | Robert Spaemann sei auf der ganzen Welt anerkannt als einer der bedeutenden Philosophen unserer Zeit, so Schweidler.

Deutschland hat eine der letzten großen Denkergestalten des zwanzigsten Jahrhunderts verloren, auf die es für immer stolz sein kann. Robert Spaemann ist auf der ganzen Welt anerkannt als einer der bedeutenden Philosophen unserer Zeit, die über Jahrhunderte zementierte Einseitigkeiten und Sackgassen der Interpretation des Verhältnisses des Menschen zur Welt und seinem Leben radikal revidiert und ihnen gegenüber den ganzen Reichtum jener einzigartigen Lebensform neu erschlossen haben, die in der abendländischen Geschichte mit Sokrates, Platon und Aristoteles ihren Anfang genommen hat und bis heute lebendig geblieben ist.

Unerschütterliches Vertrauen auf Vernunft und Wahrheit

Der unrelativierbare Kern dieser Lebensform ist das unerschütterliche Vertrauen auf Vernunft und Wahrheit als die Leitprinzipien unseres Daseins von seinem Anfang bis zu seinem Ende. Den bedeutenden Philosophen macht es aus, dass er sie nicht nur, wie Kant in seinem „Weltbegriff“ der Philosophie sagt, „als Lehrer der Weisheit in Lehre und Beispiel“ vorlebt, sondern dass er sie aus sich selbst heraus noch einmal auf eine Weise zu begründen vermag, die man so nur bei ihm findet. Das ist Robert Spaemann gelungen, indem er die denkerische Besinnung neu und wieder auf einen Leitbegriff gerichtet hat, von dem her die großen griechischen Denker den „Sitz im Leben“ bestimmt haben, der uns allein die Bedeutung zu verstehen erlaubt, die Vernunft und Wahrheit für uns haben.

Dieser Leitbegriff ist der Begriff der Natur, den Spaemann wie kaum ein Zweiter im zwanzigsten Jahrhundert neu in der Mitte des philosophischen Denkens verankert hat. Er greift dazu auf das griechische Verständnis der „physis“ als der Grundverfassung zurück, die jedes Lebewesen zu einem macht, das von sich aus auf etwas aus ist, dem also aufgrund seiner Artbestimmung eine Lebensform vorgegeben ist, die sich von ihm selbst her zeigt und die durch keine von außen kommende Steuerung, „Programmierung“ oder Manipulation jemals ersetzt werden könnte.

Seine Natur gibt einem lebendigen Wesen ein Ziel

Seine Natur ist das, was einem lebendigen Wesen ein Ziel gibt, durch das es sich auf seine Art von der Natur aller anderen Lebewesen unterscheidet. „Ziel“ bedeutet dabei nicht einen angeblichen Endpunkt, auf den seine Entwicklung hinzielt und auch nicht ein „design“, das ihm von einer aussernatürlichen Steuerungsinstanz eingegeben wäre, sondern den normalen Lebensweg, der sich von sich selbst her zeigt, wenn ein Wesen sich gemäß seiner Natur zu entfalten vermag. „Natur“ in diesem Sinne ist also dasjenige, was ein Lebewesen hat, wodurch es sich von Wesen anderer Art unterscheidet.

DT

Wie Walter Schweidler seinen Lehrer Robert Spaemann würdigt, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 13. Dezember 2018.

Themen & Autoren
Aristoteles Immanuel Kant Platon Robert Spaemann Sokrates Wahrheit

Weitere Artikel

Der Mensch muss in der Lage sein, die Wirklichkeit in ihrem Reichtum zu erkennen. Auch in Bezug auf trans-empirische Dinge wie das Glück.
14.10.2023, 21 Uhr
Stephan Herzberg
Der Heilige und Kirchenvater versuchte, Glaube und Vernunft zu verbinden: Heute noch ein bedeutsames Anliegen.
29.03.2024, 05 Uhr
Stefan Groß-Lobkowicz

Kirche

Über den Teufel wird in Kirchenkreisen nur ungern gesprochen. Doch wo der christliche Glaube schwindet, wächst das Grauen.
13.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig