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Rembrandt: Schicksalsmaler der besonderen Art

Licht und Schatten bestimmen nicht nur die Werke des Meisters Rembrandt van Rijn, sondern auch sein Leben. Es war von Höhen und Tiefen, von privaten wie beruflichen Rückschlägen geprägt.
Maler Rembrandt ist einer von uns
Foto: Freek Van Den Bergh (ANP) | Restauratoren arbeiten am berühmtesten Gemälde von Rembrandt "Die Nachtwache". Die Arbeiten finden hinter einer Glasscheibe vor den Augen des Publikums statt und sind auch live im Internet zu verfolgen.

Ein dunkelblauer Teppich dämpft die Schritte beim Betreten des Saals, dessen Wände ebenso blau sind wie der Boden. Zwei korinthische Säulen an der Stirnseite des Raumes rahmen ein Gemälde von beeindruckender Größe, auf dem eine Vielzahl vornehmlich männlicher Figuren zu sehen ist – zwei Mädchen, das eine mit rotblondem Haar und hellgelbem Kleid, mischen sich als einzige weibliche Figuren unter die Männergruppe –, die von links und rechts sowie aus dem dunklen Hintergrund in das Bild hineindrängt.

Selbstportrait von Rembrandt van Rijn (1606-1669).
Foto: N.N. | Selbstportrait (1660) von Rembrandt van Rijn (1606-1669).

Der Bildvordergrund wird durch ein Männerpaar bestimmt. Zu sehen ist ein schwarz gekleideter Mann mit roter Schärpe und schwarzem Hut. Mit der rechten Hand stützt er sich auf einen Gehstock, während seine Linke erhoben ist und er mit dieser einladenden Geste den Betrachter aufzufordern scheint, ihn und seine Begleiter genauer zu studieren. Direkt neben ihm steht ein etwas kleinerer Mann in gelbem Gewand mit weißer Schärpe um den Bauch. Er ist ebenfalls bewaffnet und trägt eine Partisane in seiner linken Hand.

Auch die übrigen der sehr edel gekleideten Männer sind bewaffnet. Sie tragen ein Gewehr bei sich, das sie bereits geladen haben oder gerade dabei sind, es in Betrieb zu nehmen. Andere halten ihre Lanzen in die Höhe oder schwingen Fahnen. Am rechten Bildrand gibt ein Mann von gedrungener Gestalt auf seiner Trommel den Kameraden den Takt vor. Alles ist in Bewegung, alle sind im Aufbruch. Aber wofür machen sich die Männer bereit?

Rembrandts berühmtestes Gemälde wird öffentlich restauriert

Licht ins Dunkel bringt die Kenntnis, dass es sich bei dem schwarz gekleideten Herrn im Bildvordergrund um Hauptmann Frans Banninck Cocq handelt – sein vermeintlicher Gehstock ist nämlich ein Offiziersstock. Die Szene zeigt Kapitän Cocq, der dabei ist, seinem Leutnant, Willem van Ruytenburgh im gelben Gewandt, den Befehl zum Ausrücken der Kompanie zu erteilen. Daher lautet der offizielle Titel, wie er im Amsterdamer Rijksmuseum neben dem Gemälde zu lesen ist, auch: „Schützen des Distrikts II unter der Leitung von Kapitän Frans Banninck Cocq“. Ein Titel, der sicherlich nur sehr wenigen etwas sagt.

Den inoffiziellen Namen, den das Bild seit dem späten achtzehnten Jahrhundert trägt, kennt dafür fast jedes Kind: „Die Nachtwache“. Das wohl berühmteste Werk Rembrandt Harmenszoon van Rijns war von den Büchsenschützen der Kloveniers-Gilde in Auftrag gegeben worden und war für den Festsaal der Gilde bestimmt, wo es nach seiner Fertigstellung 1642 bis in das Jahr 1715 auch blieb. Auch wenn der Name heute nicht mehr so recht passen möchte und vor wenigen Jahren scherzhaft aus der „Nachtwache“ kurzzeitig die „Tagwache“ geworden war.

Denn dank der vielen Restaurierungen des Gemäldes, die den Lacken und dunklen Schleiern, die es unmöglich gemacht hatten, zu erkennen, ob sich die Gilde bei Tag oder bei Nacht versammelte, zu Leibe gerückt waren, konnte das Rätsel schließlich gelöst werden. Meisterhaft lässt Rembrandt die Figurengruppen über die Leinwand ziehen. Nicht züchtig und brav nebeneinander fürs Gruppenporträt aufgereiht, zeigt Rembrandt die Männer der Gilde in Aktion. Diese Dynamik wird durch den für ihn typischen Einsatz von Licht und Schatten unterstrichen und verleiht der Szene etwas Dramatisches.

Grob, manchmal unverschämt, immer zum Streiten aufgelegt

Nicht nur die Kunstwelt ist auf die Ergebnisse gespannt, die nun die neueste Restaurierung des Gemäldes, mit der im Juli begonnen wurde, bringen wird. Der Clou, die zwölf Experten arbeiten an dem über 140 Kilo schweren Gemälde in einem sieben Quadratmeter großen Glaskasten mit Scanner und Computer vor den Augen der Museumsbesucher und dank der sozialen Medien vor denen der ganzen Welt. Nur ein Highlight, das sich die Museumsleitung ausgedacht hat, um dem 350. Todestag des großen Malers, Zeichners und Grafikers, der am 4. Oktober 1669 im Alter von 63 Jahren in Amsterdam verstarb, gebührend zu gedenken.

Denn das Rijksmuseum, das die größte Rembrandt-Sammlung besitzt, zeigt zudem schon das gesamte Jahr alle Werke des Malers; das hat es so noch nie gegeben. So viel Ruhm und Ehre hatte Rembrandt zu Lebzeiten nicht immer ernten können. Grob, manchmal geradezu unverschämt und immer zum Streiten aufgelegt, was ihn sogar mehrfach bis vor den Richter führte, war Rembrandt kein einfacher Mensch und führte ein Leben, das von Höhen und Tiefen, privaten wie beruflichen Rückschlägen geprägt war.

1606 in Leiden geboren, mietete er gerade einmal achtzehnjährig sein erstes eigenes Atelier an, um mit nicht einmal dreißig seiner Geburtsstadt den Rücken zukehren, mit dem Ziel, auch die Amsterdamer Gesellschaft von sich und seinem Maltalent zu überzeugen. In kürzester Zeit schafft er es, zu einem der gefragtesten Maler der Stadt zu werden. In der Nichte seines Kunsthändlers, Saskia van Uylenburgh, fand er seine große Liebe, die er 1633 heiratete und sechs Jahre später gemeinsam mit ihr ein herrschaftliches Haus in Amsterdam bezog.

Eine Familiengeschichte voller Schicksalsschläge

Wer in der Stadt Rang und Name hatte, wollte ein Werk des jungen talentierten Künstlers. Rembrandt konnte sich vor Aufträgen kaum retten und die Kasse klingelte. Doch dieses Glück war nicht von Dauer. Nachdem das junge Paar bereits ihren Erstgeborenen verloren hatte, verstarb auch die gemeinsame Tochter Cornelia nur wenige Monate nach ihrer Geburt. Nur der 1641 geborene Sohn Titus sollte als einziges von vier Kindern das Erwachsenenalter erreichen. Ein Jahr später wurde Sohn Titus zum Halbwaisen und Rembrandt zum Witwer, als Saskia van Uylenburgh mit nur 29 Jahren 1642 ebenfalls verstarb.

Auf den privaten, von Trauer und einer schweren Schaffenskrise geprägten Tiefpunkt, folgte der berufliche. Denn so begnadet der Künstler Rembrandt war, so talentfrei war der Geschäftsmann. Schulden und Gläubiger, die auf ihr Geld warteten und von Rembrandts Sohn Titus und Hendrickje, der neuen Frau an Rembrandts Seite, geschickt ausgetrickst wurden, waren ständige Begleiter im Leben des Künstlers. Von der Trauer, nachdem er im Jahr 1668 auch seinen Sohn Titus zu Grabe tragen musste, erholte sich Rembrandt nicht mehr. Er verstarb nur ein gutes Jahr später.

Viele Fragen um Rembrandts Religiosität

Rund 350 Gemälde, 300 Radierungen und etwa 1.000 Zeichnungen umfasst nach neuesten Schätzungen das Werk Rembrandts. Berühmt ist Rembrandt vor allem als Porträtmaler, die er von seiner großen Liebe und oft genug auch von sich selbst anfertigte. Immer wieder beschäftigen den Maler auch religiöse Themen. So entstanden in den 1630er und 40er Jahren unter anderem ein Passionszyklus sowie ein weiterer, der die Kindheit Jesu zum Thema hat. „Die Heimkehr des verlorenen Sohnes“ in der Eremitage, „Die Blendung Simsons“ im Frankfurter Städel oder „Die Kreuzabnahme“ in der Alten Pinakothek sind nur einige der vielen religiösen Bilder im Werk Rembrandts.

Darüber, ob Rembrandt religiös war und welcher Glaubensrichtung er angehörte, kann nur gemutmaßt werden. Der Philosoph und Soziologe Georg Simmel hat sich bereits 1914 mit Rembrandts religiöser Kunst befasst und seine Gedanken am 30. Juni in der Frankfurter Zeitung wie folgt formuliert: „All seine religiösen Bilder, Radierungen, Zeichnungen haben nur ein einziges Thema: den religiösen Menschen […] Das Dasein des Heiligen, dessen objektive Erhabenheit der Gläubige nur hinnehmen und von ihr angestrahlt sein kann, ist für Rembrandts Kunst verschwunden; das Religiöse, das er in künstlerische Erscheinung ruft, ist die Frömmigkeit, wie die Seele des Individuums sie in mancherlei Abwandlungen erzeugt.“

Rembrandts Malerei stellte das bis dahin Gängige infrage und das thematisch wie auch stilistisch. Er brach Formen und Farben auf, setzte sie neu zusammen und begann Dinge so zu malen, wie sie keiner je zuvor gemalt hatte, das macht seine Kunst so besonders und ihn unsterblich.

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