Seit rund einem halben Jahrhundert gehört es im westlichen Europa zum guten Ton, den Begriff der Bildung zu verunglimpfen. Deren frühere Wertschätzung sei nichts anderes gewesen, so wird behauptet, als eine Ersatzhandlung – eine das Gefühl von Hochnäsigkeit und Stolz beflügelnde Einstellung des in Deutschland nie zur Politik zugelassenen Bürgers. Was lag da näher, als Bildung nur noch in der Form des Beiwortes zu nennen: als Eigenschaft des machtlosen, entmündigten, von den Entscheidungen über den Lauf der Welt ferngehaltenen Bürgertums – als Bildungsbürgertum eben.
Ohne Bildungsbürger zerfällt Europa
Der kulturpolitisch gewollte radikale Abbau an den Universitäten und die gesellschaftliche Geringschätzung der Geisteswissenschaften gefährdet den vielbeschworenen Diskurs über Werte und Wertegemeinschaft. Wenn eine humanistische Kultur durch die Allmacht des ökonomischen, bourgeoisen Nutzengedankens abgelöst zu werden droht, müssen die Alarmglocken schrillen – gerade mit Blick auf Europa. Von Christoph Böhr