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Moralischer Gottesbeweis

Ein Buch über Immanuel Kant in Eichstatt vorgestellt. Von Guntram Matthias Förster
Philosoph Immanuel Kant
Foto: IN | Der Philosoph Immanuel Kant.

Seine Kritik an den klassischen „Gottesbeweisen“ hatte Immanuel Kant (1724–1804) den wenig schmeichelhaften Titel eines „Alleszermalmers“ (Moses Mendelssohn) eingetragen. Dass auf Betreiben einer kleinen Gruppe katholischer Kant-Gegner die italienische Übersetzung der „Kritik der reinen Vernunft“ im Jahre 1827 auf den Index der für Katholiken verbotenen Bücher gesetzt wurde, dürfte hierin ebenfalls eine Hauptursache haben. Dieses Urteil wird Kant freilich nicht gerecht, findet der Erste Vorsitzende der Kant-Gesellschaft, Professor Bernd Dörflinger von der Universität Trier, denn bei der Widerlegung der sogenannten Gottesbeweise sei es Kant keineswegs um den Beweis der Nicht-Existenz Gottes gegangen.

Eine soeben unter Federführung des Lehrstuhls für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt herausgegebene Publikation widmet sich der „Gottesfrage in der Philosophie Immanuel Kants“ und damit einer Thematik, der „in der Kant-Forschung nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die sie verdient“, so die Stellungnahme eines Gutachters der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu dem genannten Band.

In Anwesenheit des Eichstätter Generalvikars Isidor Vollnhals wurde der Band im Thomas-Saal des Eichstätter Priesterseminars der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit Professor Bernd Dörflinger hatten die Veranstalter einen hochkarätigen Gastredner gewinnen können. In seinem Einführungsvortrag konstatierte der Inhaber des Lehrstuhls für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Professor Norbert Fischer, eine Entfremdung zwischen Philosophie und Theologie, die das Gespräch über Immanuel Kant erschwere. Ein Umdenken stoße von beiden Seiten auf Vorbehalte, weil einerseits die an der Philosophie Orientierten um ihre mühsam errungene Selbstständigkeit besorgt seien, während andererseits die Theologen im kritischen Potenzial natürlicher Rationalität eine Bedrohung für den Glauben sähen, vermutete Fischer. Wenn es um Grundfragen menschlichen Lebens gehe – und eine solche sei die Gottesfrage –, gelte es jedoch, sich auf einen Grundsatz des Kirchenlehrers Augustinus zu besinnen: nämlich, dass es „um des menschlichen Heiles willen keine Trennung von Philosophie, das heißt Streben nach Weisheit, und Religion“ geben dürfe. In dieser Tradition stehe auch Immanuel Kant, so Fischer. Kant habe auf seine Weise einen Beitrag zur Verteidigung der Grundlagen dieses Glaubens geleistet, indem er sich der Aufgabe stellte, „das Wissen auf(zu)heben, um zum Glauben Platz zu bekommen“. An dieses Diktum Kants konnte Professor Bernd Dörflinger in seinem Vortrag zum Thema „Kants Ethikotheologie“ anknüpfen. Platz zum Glauben eröffne sich, insofern Gott für Kant zwar weder ein möglicher Gegenstand der Erfahrung sein könne noch durch schlussfolgerndes Denken zu beweisen sei, woraus aber keineswegs die Unmöglichkeit des Daseins Gottes gefolgert werden könne. Die theoretisch-spekulative Philosophie betreffe nur einen Teil des Selbstverständnisses des Menschen, nicht aber seine Existenz als freies moralisches Wesen. Ein adäquater Gottesbegriff sei nach Kant jedoch allein aus dem moralischen Bewusstsein zu gewinnen.

Der Referent betonte, dass der kantische Autonomiegedanke ausdrücklich Gott als äußeren Ursprung sittlicher Verpflichtung ausschließe: „Als moralisch autonom verstanden, gibt der Mensch als freies Wesen sich selbst ein Gesetz, das Sittengesetz; als Ergebnis solcher Selbstgesetzgebung ist moralische Verpflichtung dezidiert Selbstverpflichtung, nicht Fremdverpflichtung.“ Ins Spiel kommt der Gottesgedanke für Kant allerdings an der Grenze menschlicher Selbstmacht. Der „Endzweck“ der praktischen Vernunft, also die „mit der Befolgung moralischer Gesetze harmonisch zusammentreffende Glückseligkeit vernünftiger Wesen“, müsse einerseits für realisierbar gehalten werden, übersteige andererseits aber die Macht des Menschen. Dass es in der Welt aufs Ganze gesehen vernünftig zugeht, setze die Existenz eines höheren und mächtigeren Wesens voraus – so die Gedankenführung in Kants „moralischem Beweis des Daseins Gottes“.

Die Ausführungen Dörflingers warfen ein Schlaglicht auf die grundlegende Bedeutung der Gottesfrage in der Philosophie Kants, die in der von Norbert Fischer und seinem Erlanger Kollegen Maximilian Forschner herausgegebene Neuerscheinung „Die Gottesfrage in der Philosophie Immanuel Kants“ nach unterschiedlichen Gesichtspunkten entfaltet wird. Der Band dokumentiert die Beiträge des gleichnamigen Weltenburger Philosophischen Seminars vom Jahr 2009. Neben den Herausgebern und dem Vorsitzenden der Kant-Gesellschaft haben Robert Theis, Jakub Sirovátka, Klaus Düsing, Aloysius Winter, Rudolf Langthaler und Christoph Böttigheimer daran mitgewirkt. Der mit großzügiger Unterstützung des Weltenburger Abts Thomas M. Freihart OSB gedruckte Band ist, wie der Dekan der Eichstätter Theologischen Fakultät, Professor Konstantin Maier, es in seinem Grußwort ausdrückte, „in Zeiten des fortschreitenden religiösen Pluralismus der Postmoderne im Lehr- und Forschungsdiskurs von fundamentaler Bedeutung“ und gereicht auch der gesamten Katholischen Universität zur Ehre.

Norbert Fischer/Maximilian Forschner (Hrsg.): Die Gottesfrage in der Philosophie Immanuel Kants. Herder Verlag 2010, 224 Seiten, ISBN-13: 978-345130- 135-3 EUR 39,90

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