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Menschenrechte jetzt auch für Tiere?

Die Selfies eines indonesischen Schopfmakaken sorgten für Furore. Dem Fotografen David Slater brachten sie kein Glück. Die Tierrechtsorganisation Peta hat den 52-jährigen Briten im Namen des abgebildeten Affen verklagt. Von Burkhardt Gorissen
Tierschutzorganisation Peta fordert Ende der Robbenjagd
Foto: dpa | Normalerweise zeigen die Tierfreunde der Organisation Peta bei ihren Aktionen gern nackte Menschenhaut – bei diesem Einsatz für kanadische Robben ging es züchtiger zu.

Die Fotos sind lustig: ein breitgrinsender indonesischer Affe legte einen Finger auf den Auslöser und schoss damit jene spektakulären Bilder, die kaum später weltweit für Aufsehen sorgten. Doch dann begannen Webseiten, wie Wikipedia, die affenscharfen Bilder zu veröffentlichen, ohne dass Fotograf Slater einen Cent dafür bekam. Er klagte und verlor den Rechtsstreit. Das amerikanische Urheberrechtsamt entschied, dass weder ihm noch dem Affen Rechte zustehen – für den freiberuflich arbeitende Fotografen eine Katastrophe. Es sollte nicht die einzige bleiben. Als sich der weltweite Erfolg abzeichnete, zog Peta 2015 gegen ihn vor Gericht und klagte im Namen des Affen. Seither ist Naruto, so der Name des Makaken, das meistumkämpfte Tier der Welt. Die nach eigenen Angaben mit mehr als fünf Millionen Unterstützern weltgrößte Tierrechtsorganisation behauptet, Naruto stünden die Urheber- und Lizenzrechte zu, weil er den Auslöser gedrückt hat.

Schon seit Jahrzehnten erregt Peta durch radikale, öffentlichkeitswirksame Aktionen Aufsehen. Peta-Gründerin Ingrid Newkirk bekräftigte vor zwei Jahren im FOCUS ihren Glaubenssatz: „Wir alle sind Tiere. Für mich gibt es keinen Unterschied, ob ich über eine Krabbe, ein Schwein, einen Hund oder einen Menschen spreche.“ Nackt-Proteste, Farb-Bomben, Schock-Videos gehören zum Programm. Auffällige und kontroverse Aktionen – wie „lieber nackt als im Pelz“ schafften es bis auf Titelseiten großer Magazine. Für Peta-Plakate ließen sich neben vielen anderen Promis wie die amerikanische Sängerin Pink, „Die Toten Hosen“ und Uwe Ochsenknecht nackt fotografieren. „Unsere Methoden sind vielleicht schockierend, aber sie sind erfolgreich“, schrieb Peta-Boss Newkirk in der Huffington Post. „Sechs Millionen Juden sind in Konzentrationslagern gestorben, aber dieses Jahr werden sechs Milliarden Grillhähnchen in Schlachthäusern sterben“, ist auch so eine Aussage von ihr.

Das Kalkül der Provokation geht auf, was zählt ist Publicity. Die ist nun mal die höchste Währung in der Medienwelt. Mit diesem Selbstverständnis sorgt das professionell geführte Unternehmen aus der Branche Nichtregierungsorganisationen (NGO) für Aufsehen. „Menschenrechte“ für Tiere wurden bereits 1999 in Neuseeland für Menschenaffen festgelegt. Vor kurzem wurde sogar in Wellington (Neuseeland) der Whanganui River der Maori-Ureinwohner gerichtlich als juristische Person anerkannt. Völker, hört die Signale! In Zeiten, in denen Maschinen mit künstlicher Intelligenz längst mehr können als Bilder knipsen, stellt sich offenbar die Frage der „Menschen“-Rechte gänzlich neu. Betreffen sie nur den Menschen oder kann demnächst der Staubsaugerroboter für das Recht auf Teppichböden klagen?

Naruto jedenfalls ist der prominenteste Reservatbewohner in Indonesien. Die deutsche Primatologin Antje Engelhardt kennt ihn seit seiner Geburt, sie forscht seit mehr als 20 Jahren über Makaken. Bei Prozessbeginn forderte Peta sie als Rechtsbeistand an. Doch sie zog sich im Mai 2016 enttäuscht aus dem Prozess zurück. In der Zusammenarbeit mit Peta habe sie sich mehr und mehr unwohl gefühlt. Mehr sagt sie nicht. Inzwischen wird der Fall vor einem Berufungsgericht in San Francisco verhandelt, das in den kommenden Monaten eine Entscheidung treffen will.

David Slater reklamiert für sich, dass er „die Intelligenz hinter diesem Foto“ sei. Schließlich habe er es in Szene gesetzt, der Affe habe nur den Auslöser der Kamera gedrückt, die auf einem Stativ stand, das Slater aufgestellt hatte. Ganz anders äußerte sich Peta-Anwalt Jeffrey Kerr in der WELT, Naruto habe das Foto zielgerichtet und in voller Absicht gemacht. Der Makake habe die Kamera genommen, sein Gesicht vor die Linse gehalten und den Auslöser gedrückt. „Damit ist er der Urheber und der Eigentümer seines Selfies.“ Dieser Logik folgend, resümiert Kerr weiter: „Das Copyright-Gesetz spricht ausdrücklich von einem Autor, nicht von einem Menschen oder einem Tier.“ Müsste dann aber nicht auch eine Ameise gleich behandelt werden, obwohl sie mangels eigener Kraft wahrscheinlich die Hilfe einer ganzen Ameisenhorde benötigte, um einen Auslöser zu drücken?

Bekanntlich stammt der Mensch vom Affen ab. Jedenfalls laut Darwin – und das ist heutzutage Staatsdoktrin. Doch wie bewusst ist sich ein Affe seines Verhaltens? Eine weitere Frage stellt sich, wieso klagt Peta? Hat Naruto der Organisation das Urheberrecht übertragen? Vielleicht notariell oder wenigstens durch einen juristisch geschulten Kakadu? Der findige Spitzenjurist Jeffrey Kerr spricht jedenfalls spitzfindig von einem Präzedenzfall. Will er am Ende den Makaken vorladen und aussagen lassen, ob er sich bewusst war, ein Selfie zu machen? Und wenn, könnte dann überhaupt jemand die Makakensprache ins Englische übersetzen? Kennt Naruto gar den „Kategorischen Imperativ“?

Des Pudels Kern ist ein anderer, hier geht es um mehr als um Tierfürsorge, hier spielt das NGO-Big-Business ganz groß zum Tanz auf. Dabei handelt es sich nicht um einen Affentanz, sondern um den Tanz ums Goldene Kalb. Fotograf Slater verfolgt das Geschehen von England aus. Eine Reise in die Staaten kann er sich nicht mehr leisten. Der Prozess hat ihn finanziell ruiniert. Ans Aufgeben denkt er nicht. Darin unterscheidet er sich nicht von Peta.

In der Logik einer durch und durch kapitalisierten Welt liegt es, dass sich alles, also auch Menschen- und Tierrechte kapitalisieren lassen müssen. Durch die Vermengung von ideologischen Verbrämungen, Egoismen und im Kern misanthropischen Gesinnungen entsteht ein Denken, dass Herz und Verstand verwirrt. Der finstere Rauch, der von den lodernden Opferaltären des Heidentums aufstieg, auf denen Tier- und Menschenopfer zum grausamen Alltag gehörten, verdunkelte ganze Menschheitsepochen. Damals konnte der verfinsterte Himmel vom Licht des Glaubens des aufstrebenden Christentums vertrieben werden. Doch die chthonische Flamme ist nie erloschen, sie glomm zu Zeiten der Katharer und Albigenser, zu Zeiten der Wiedertäufer und in den Ruinen der von den Revolutionen niedergebrannten Kirchen. Es scheint, als würde sie zurzeit in hellerem Licht erstrahlen denn je, denn das Christentum – und mit ihm die Vernunft – werden vom despotischen Gehabe eines Aberglaubens überwältigt, der sich unter dem Gewand des Humanismus tarnt.

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