Für Historiker ist das Handwerkszeug der Quellenkritik eine Selbstverständlichkeit. Wo Quellenkritik nicht mehr geübt wird, beginnt die Ideologie, die Vergewaltigung des Wirklichen. Quellenkritik ist zuerst einmal die Kenntlichmachung von Quellen im eigenen Berichten. Dann kommt das schwierigere Geschäft. Denn Historiker wissen weiter, dass zwischen dem, was berichtet wird und geschrieben steht, und dem, wie es gewesen ist, immer eine Lücke, eine Differenz klafft, und mag sie noch so haarfein sein. Durch diesen feinen Haarriss zwischen Darstellung und Ereignis strömen Interessen, Wünsche, Absichten, Simulationen in die Wirklichkeit hinein, so dass Bericht und berichtetes Ereignis niemals zur hundertprozentigen Deckung kommen.
Kommentar: Wehret den Anfängen
Von Johannes Seibel