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Kirche und Mode

Die Haute Couture und das Christentum, das scheinen oft zwei Welten zu sein, die einander ausschließen. Doch nicht immer. Von Barbara Wenz
Foto: dpa | Laufsteg zur Transzendenz: Die verstorbene italienische Designerin Laura Biagiotti (vorn r.) mit Tochter Lavinia Biagiotti (vorn l.) und Models nach einer Präsentation.

Als für viele unerwartet am 26. Mai 2017 die berühmte römische Modeschöpferin Laura Biagiotti im Alter von 73 Jahren an einem Herzstillstand starb, trauerte eine ganze Nation. Auf allen italienischen TV-Kanälen wurde die Todesnachricht ausgestrahlt – und alle Kanäle zeigten einen Schnappschuss der Homepage von Laura Biagiotti, der „Queen of Cashmere“, wie sie die New York Times einstmals bezeichnet hatte. Denn dort hatte Tochter Lavinia statt einer ganz persönlichen Trauerbekundung ein wunderschönes und berührendes Zitat aus dem Johannes-Evangelium eingestellt: „Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ (Joh 14, 1–3) Es war ein ungewöhnliches, ein kraftvolles Bekenntnis zum Glauben an den Herrn Jesus Christus, der die Auferstehung und das Leben ist. Lavinia Biagiotti ist selbst in der Branche tätig und leitete seit einigen Jahren die Firma ihrer Mutter.

Haute Couture und Christentum, das scheinen oftmals zwei Welten zu sein, die einander ausschließen. Und für viele Menschen, die es sich finanziell leisten können, ist der gerade angesagte Modetrend so wichtig, dass er für sie fast zu einer Ersatzreligion geworden ist. Auf den Laufstegen der großen Häuser brennt das Fegefeuer der Eitelkeiten – bleiche, ausgemergelte, androgyne Personen präsentieren die neuesten Kreationen: Zumeist wird da mehr ent- als verhüllt, oder es kann nicht schrill und verrückt genug sein – oder auch beides. Die Mannequins sind austauschbar wie Puppen, die berühmten Designer feiern am Ende sich selbst und ihre kreativen Kreationen. Auf den ersten Blick hat dieses Business mit Christentum nicht wirklich etwas zu tun.

Und auch die Kirche tat sich jahrhundertelang schwer mit Putzsucht und Eitelkeit, nicht nur bei Frauen. Bereits Kirchenvater Tertullian, der im ersten Viertel des 3. Jahrhunderts starb, schrieb ein ganzes Werk zu diesem Thema mit dem Titel „De cultu feminarum“ – „Vom Putz der Frauen“. Seine Argumente gegen Schminke, Schmuck und schöne Kleider beruhen in erster Linie auf den Sündenfall im Paradies, verursacht durch eine Frau, außerdem die Vergänglichkeit und deshalb Minderwertigkeit selbst solcher wertvollen Dinge wie Gold und Perlen. Schließlich dienten Einfachheit und Bescheidenheit der christlichen Frau der größeren Verherrlichung Gottes, eine verheiratete Frau habe keinen triftigen Grund, sich aufzuputzen, müsse selbst den bloßen Anschein buhlerischer Absichten dringend meiden und so weiter. Immerhin stellt er in Kapitel 8 des zweiten Teils fest, dass noch weniger als die Christin der christliche Mann sich mit „Toilettenkünsten“ zu befassen habe.

Mit etwas weniger sozialpädagogischem Eifer hatte ja bereits der Herr selbst nach der viel zitierten „Lilien-auf-dem-Felde“-Passage im Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Vers 28 f. darauf hingewiesen, dass man sich nicht um seine Kleidung sorgen solle – und dabei gleich noch verraten, dass König Salomo sich wohl äußerst prächtig zu kleiden beliebte. Somit hat man sich schon zu den Zeiten des Alten Testamentes damit beschäftigt, möglichst schöne Kleidung aus möglichst hochwertigen Materialien herzustellen – auch wenn sich letztlich nur die Reichen damit schmücken konnten.

Das Verlangen nach Schönheit ist letztlich ein typisch menschliches Verlangen, insbesondere wenn es um die Verschönerung des eigenen Körpers geht, davon geben schon die altägyptischen Wandmalereien ein beredtes Zeugnis. Doch wie mit allen an sich schönen und guten Dingen sollte man es nicht übertreiben – weder mit dem Verlangen, jedem modischen Hype zu folgen, noch damit, schöne Kleidung und ein angenehmes und ansprechendes Äußeres strikt abzulehnen. Während das Fünfte Buch Mose im 22. Kapitel noch erklärt, dass das Tragen von männlicher Kleidung bei Frauen – und umgekehrt, ein femininer Kleidungsstil bei Männern ein Gräuel sei, sah es Papst Nikolaus I. im 9. Jahrhundert bereits deutlich entspannter. In einem Briefwechsel mit dem bulgarischen Fürsten Boris erklärte er auf Anfrage: „Ob ihr oder eure Frauen Hosen tragt oder keine Hosen tragt, hindert weder Euer Heil noch vergrößert es Eure Tugend.“

Für das Verhältnis der Kirche zu übertriebenem Schönheitskult galt allerdings weiterhin das maßgebliche Werk von Tertullian. Etwas über sechshundert Jahre nach Nikolaus I. betrachtete ein italienischer Dominikanermönch und Bußprediger namens Girolamo Savonarola die Sache wesentlich unentspannter, wobei es ihm weniger um die standesgemäße Kleidung als überhaupt jeglichen überflüssigen Putz und Tand ging: Seine jugendlichen Anhänger zogen durch die Straßen und Gassen von Florenz und forderten von den Bewohnern der Stadt nicht nur ihre teure Kleidung, sondern auch ihre Spiegel, Spielkarten, ja sogar Musikinstrumente und Möbel, sofern diese aufwendig geschmückt waren, herauszugeben, um sie hernach auf riesigen Scheiterhaufen in dem „Feuer der Eitelkeiten“ zu verbrennen. Selbst Sandro Botticelli soll vorsorgend für sein Seelenheil ein paar seiner Bilder in die Flammen geworfen haben. Mit Savonarola nahm es allerdings kein gutes Ende – zuerst wurde er exkommuniziert und schließlich an derselben Stelle verbrannt, an dem er seine Eitelkeiten-Scheiterhaufen errichtet hatte. Interessanterweise begann sich das Verhältnis zwischen Mode und katholischem Christentum gerade nach der Reformation deutlich zu entspannen: Während Calvin und Zwingli puritanische Nüchternheit predigten, brach, vor allem auch in der katholischen Kunst, Architektur und Mode die Epoche des Barock an, die sich gerade angesichts der irdischen Vergänglichkeit aller Dinge in sinnlich-üppigen Formen und Farben ausdrückte. Zumindest was den barocken Kleidungsstil betraf, war die Kirche dabei allerdings nicht immer konziliant gestimmt.

Doch erst im 20. Jahrhundert setzte dann Pius XII. endgültig Maßstäbe in der Entspannungspolitik zwischen Kirche und der Modebranche. Er war derjenige, der zum ersten Mal in der Geschichte des Papsttums tatsächlich ein ganzes Modehaus, nämlich das der drei römischen Schwestern Fontana mitsamt ihren rund 20 Angestellten, in einer Privataudienz empfing. Seine Strategie der Entspannung ging sogar noch viel weiter: Zoe Fontana wurde ein Sendeplatz beim vatikanischen Radio eingeräumt. Jeden Donnerstagabend um 21 Uhr plauderte sie über Modeangelegenheiten – und das auf ausgesprochen hohem Niveau. Ihr Ausspruch „Man muss eine Frau nicht ausziehen, um sie elegant erscheinen zu lassen, die Eleganz besteht sehr oft darin, dass man verhüllt“ dürfte auch heute noch stilbildend und zum gehobenen geschmacklichen Standard in christlichen Bekleidungsfragen gehören. Zu dieser Zeit schien die Beschäftigung mit Mode durchaus unkompliziert zu sein. Wenn man heute dagegen das einschlägige Vokabular in Zeitschriften zum Thema liest – da ist die Rede von „vintage oder streetwear“, „casual“ und „trend-pieces“, „must-haves“ und „basics“ – vergeht doch schnell die Lust an der Beschäftigung mit „hipper“, also angesagter Kleidung. Dabei wird leicht vergessen, dass es in dieser Branche schon immer eine Art Arkansprache gab – in früheren Zeiten wurde lediglich mehr französisch gesprochen – wie auch die französischen Mode- und Putzmacher über lange Zeit tonangebend waren, bis die italienischen Designer, wie Laura Biagiotti, immer mehr aufholten, zumeist mehr Wert auf tragbare Eleganz und sicheren Stil legten, als auf Originalität und verrückte Kreationen.

Einer der extravagantesten unter den bekannten deutschen Designern ist sicherlich Harald Glööckler, Markenzeichen perfekter, fast wie aufgemalter dunkler Bart, Schmalzlocke und viel Bling-Bling und Glamour. Vor allem durch seine Selbstinszenierung und Selbststilisierung hat Glööckler sich einen Platz in der deutschen B-Prominenz sichern können, seine Kleidung und Accessoires wie Sonnenbrillen und Handtaschen verkauft er mittlerweile weltweit. Erwähnung findet er an dieser Stelle auch deshalb, weil er hinsichtlich Marken und seiner Arbeit in einem Interview Madonna, den Papst und Jesus in einem Satz erwähnt hat: „Eine Marke muss polarisieren. Madonna und den Papst finden auch nicht alle gut, und Jesus wurde sogar ans Kreuz genagelt – man kann es den Menschen also nicht mal als Jesus recht machen.“ Was so flapsig dahingesagt wirkt, hat einen ernsthaften Hintergrund, der wenig bekannt ist: Der evangelisch getaufte Glööckler mit einer Vorliebe für überdimensionierte Fingerringe bezeichnet sich selbst als gläubig, hat 2017 einen Schmuckschuber für die Lutherbibel designed, würde gerne einmal Kirchenfenster entwerfen und spricht auch hin und wieder vor Publikum über „Gott und die Welt“, also auch seinen Glauben.

Die kürzlich verstorbene Laura Biagiotti und Harald Glööckler – zwei erfolgreiche Modemacher, jeder mit einem eigenen, speziellen und unverkennbaren Stil, für die sich die Liebe zu ihrer Profession jedenfalls nicht mit der Liebe zu Gott ausschließt: Letztlich beinhaltet diese ja auch neben der Liebe zum Wahren und Guten die Liebe zum Schönen.

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