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Kein Rückzug ins Ghetto

An kaum einem Ort wird der Widerspruch zwischen Kirche und modernem Mainstream so betont wie in Europa. Doch stattdessen müssten Christen wieder missionarisch und auskunftsfähig werden.
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Foto: debramillet/stock.adobe.com | Die Kirche in Europa darf sich nicht dem eigenen Niedergang hingeben.

Bis heute glaubt der Mainstream in Europa, Fortschritt sei unlösbar mit Säkularisierung, Modernität unweigerlich mit dem Zurückdrängen des Religiösen aus dem öffentlichen Raum verbunden. In den USA etwa käme niemand auf die Idee, die öffentliche Präsenz von Religion für ein Zeichen von Rückschrittlichkeit und religiöse Menschen grundsätzlich für vormodern zu halten. Afrika und Asien sind ohnedies Räume pulsierender Religiosität.

Auch für das alte Europa gilt, dass die Kirche sich weder als „heiliger Rest“ aus der vermeintlich unheiligen Gesellschaft zurückziehen darf noch sich wie ein Chamäleon bis zur Ununterscheidbarkeit der Oberflächenfarbe dieser oder einer anderen Gesellschaft anpassen kann. Die Kirche kann sich nicht reibungsfrei in die Gesellschaft einordnen, etwa als Sozial- oder Bildungseinrichtung neben anderen, als Partei unter Parteien, als religiöser oder spiritueller Verein unter Vereinen. Sie gewinnt ihr Selbstverständnis nicht von einer Platzzuweisung seitens der Gesellschaft, sondern von Gott her.

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Kirche muss verkündigen

Die Kirche kann verkündigen, sie muss es aber auch. Christsein ist wesentlich missionarisch. Es geschieht auf unterschiedliche Weise, zunächst vor allem Tun durch das Sein der Kirche. Sie erinnert nicht nur an Christus, sondern setzt ihn seiend und feiernd präsent in jeder Zeit. Dem Sein folgt das Tun: Wir Christen müssen wieder auskunftsfähig werden. Wir müssen wieder mehr von Gott reden und Seine Botschaft wenn möglich nicht allzu sehr verstellen.

Wir tun dies in dieser Gesellschaft weder unangefochten noch besitzen wir ein Monopol. Von der einen Seite schlägt uns ein Atheismus ins Gesicht, der Gott zur Bedrohung der Freiheit des Menschen erklärt, sowie ein Agnostizismus, der uns sagt, es sei alles gleich gültig und gleichgültig. Von der anderen Seite werben Islam und Esoterik mit konkurrierenden Gottes-Vorstellungen. Da sind wir als Christen herausgefordert: zum Gespräch und auch zum Widerspruch. Das geht nicht ohne Eintauchen ins Eigene, auch nicht ohne die Großzügigkeit, gewonnene Einsichten und geschenkte Wahrheit zu teilen und weiterzugeben.

DT/sba

 

Lesen Sie den vollständigen Essay in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost".

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