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Halik über Papst: "Therapeutischer Dienst statt Moralisieren"

Der tschechische Priester und Soziologe bewertet das Wirken von Franziskus durchweg positiv. Der Papst habe jedoch auch eine Spaltung gebracht. Die Unterschiede zwischen Christen sieht Halik bereits als "unüberbrückbar".
Tomas Halik
Foto: Nadine Loesaus | Tomas Halik, tschechischer Soziologe und Religionsphilosoph, bewertet das Pontifikat von Papst Franziskus durchwegs positiv.

Der tschechische Priester und Soziologe Tomas Halik hat in einem großen Osterinterview für die Prager Tageszeitung "Lidove noviny" zu aktuellen Fragen der katholischen Kirche Stellung genommen. Das Wirken von Papst Franziskus bewertete der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie demnach durchwegs positiv, jenes von Kardinal Dominik Duka als Erzbischof von Prag versah er mit einigen Fragezeichen. Generell warnte Halik vor stürmischen Zeiten, die auf Europa zukämen.

Das Thema der Päpste Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013) sei der "Ausgleich mit der Moderne" gewesen, nun stünde man "neuen Problemen einer radikal pluralistischen nachmodernen Zivilisation und den Reaktionen auf den sich zuspitzenden Globalisierungsprozess gegenüber", sagte der tschechische Intellektuelle. Statt sich auf Fragen der Sexualmoral zu fixieren, weise Papst Franziskus einen anderen Weg: "Statt Moralisieren therapeutischer Dienst, statt Überheblichkeit Nähe, statt Verurteilung Respekt vor dem persönlichen Gewissen."

Diese Reformimpulse bräuchten auch "das Umfeld der Theologen und christlichen Denker", sagte Halik. Deshalb habe er zusammen mit dem Wiener Theologen Paul Zulehner einen Brief zur Unterstützung des Papstes verfasst, der im Rahmen der Initiative "Pro Pope Francis" bisher von 73 000 Personen in 50 Ländern auf fünf Kontinenten unterzeichnet wurde. International vernetzte Theologen seien danach um kurze Studien über die weltweiten Herausforderungen und um Lösungsvorschläge gebeten worden, die derzeit zusammengefasst würden. Noch vor ihrem Erscheinen in Buchform sollen sie Papst Franziskus vorgelegt werden. Auch Arbeitstreffen von Theologen und Soziologen mit Kirchenvertretern seien geplant.

Wie Jesus habe Papst Franziskus aber auch eine Spaltung gebracht und er fürchte, so Halik, "dass die Unterschiede zwischen den Christen bereits unüberbrückbar" seien. Die Trennungslinien verliefen dabei nicht zwischen den Kirchen, sondern quer durch sie hindurch und seien "eher psychologischer als doktrinärer Natur". Sollte der Nachfolger des "großen Papstes" dessen Weg weitergehen, so werde sich wie nach dem Zweiten Vatikanum "ein Flügel von Konservativen am Rand" absetzen, meinte der Theologe. Eine noch größere Krise aber würde entstehen, wollte der Nachfolger Franziskus' das "Steuer herumreißen". Dann, so Halik, würde die Kirche anfangen, "einer marginalen Sekte zu gleichen - bis es wieder weitere Reformen gibt".

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