Bertha von Suttner (1843–1914) war als Schriftstellerin und Pazifistin (in dieser Eigenschaft 1905 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet) eine gleichermaßen wortgewaltige wie engagierte Frau. Was sie in ihren Memoiren über den Opportunismus schrieb, ist entsprechend deutlich: „Was dieser Opportunismus schon alles auf dem Gewissen hat, es ist schauderhaft! Er ist der Hemmschuh, die Sklavenkette, die sich an jede energische Tätigkeit hängt, die alles hindert, die jede Handlung unmöglich macht; er ist der Grund der heutigen Flügellahmheit, des Misstrauens“. Ein hartes, unerbittliches Urteil. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts, von der die Baroness nichts ahnen konnte, bestätigt sie in ihrem pessimistischen Duktus.
Grenzen der Anpassungsfähigkeit
Was ist opportunistisch? Was ist opportun? Fest steht: Immer gegen alles zu sein, ist keine Haltung, die Respekt verdient. Doch aus Karrieregründen mit dem Zeitgeist zu flirten, ist auch nicht vorbildlich. Eine Analyse. Von Josef Bordat