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Gilbert Keith Chesterton: Leben, Glaube und Wirken

Vor 75 Jahren verstarb Gilbert Keith Chesterton, der mehr als nur ein Kriminalautor war. Über sein Leben, Glaube und Wirken. Von Georg Alois Oblinger
Gilbert Keith Chesterton
Foto: IN | Katholischsein verlangt etwas: Gilbert Keith Chesterton (1874–1936).

Gilbert Keith Chesterton wurde am 29.05.1874 in einer wohlhabenden Familie des Bürgertums geboren. Er besuchte eine Kunstschule und besaß ein Talent für das Zeichnen von Karikaturen. Als Journalist verfasste er für große liberale Zeitungen regelmäßig Artikel. Chesterton galt als Gegner des britischen Imperialismus und setzte sich für die unterdrückten Völker ein.

Im Jahr 1924 konvertierte er zum römisch-katholischen Glauben und starb 1936 in seiner Heimatstadt London. Er ist bis heute einer der profiliertesten Denker und Autoren, die Großbritannien hervorgebracht hat.

Mehr als nur ein Kriminalautor

Krimiautoren gelten in der Regel nicht als besonders tiefsinnige Menschen. Selbiges gilt für die Verfasser humorvoller Belletristik. Daher hatte es der 1874 geborene Gilbert Keith Chesterton, der dem deutschen Publikum in erster Linie durch Romane wie „Der Mann, der Donnerstag war“ (1907) oder „Das fliegende Wirtshaus“ (1914) und die Kriminalgeschichten um „Father Brown“ (in der stark verharmlosenden Verfilmung mit Heinz Rühmann) bekannt wurde, schwer, als katholischer Denker von Format zur Kenntnis genommen zu werden.

Da auch seine Essays, von denen er mehr als 4 000 hinterlassen hat, meist in humorvollem Ton gehalten sind und die Lebensfreude betonen, wurde Chesterton gerne in die Rubrik seichte Unterhaltung eingeordnet. Völlig zu Unrecht.

Die Gedankenwelt von Gilbert Keith Chesterton

Wer sich in die Chesterton'sche Gedankenwelt vertieft, kommt zu einem ganz anderen Urteil. So schriebt der katholische Literatur-Kenner und Chesterton-Liebhaber Gisbert Kranz (1921–2009):

„Die Propheten, die wir aus der Menschheitsgeschichte kennen, verurteilten gegenwärtige Missstände und sagten zukünftige Übel voraus. Inspiriert verkündeten sie das Wahre und Richtige. In dieser Hinsicht darf der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton, der 1936 starb, ein Prophet genannt werden, denn seine Gesellschaftskritik traf zu und seine Voraussagen sind eingetroffen. Aber in einer Hinsicht verhielt sich Chesterton anders als alle anderen Propheten. Während jene im Vollbewusstsein ihrer Sendung auftraten und in donnernden Reden unerbittlich zur Umkehr mahnten oder mit einem Strafgericht drohten, gab sich Chesterton heiter, lachte gern bei seinen Vorträgen und brachte sein Auditorium zum Lachen.“

Der argentinische Literatur-Kenner Jorge Luis Borges bekannte, wohl kein Schriftsteller habe ihm so viele glückliche Stunden bereitet wie Chesterton.

Die Aufsätze zur Menschwerdung Gottes

Mit seinem Humor verweist Chesterton auf sein Lieblingsmotiv, den lachenden Gott. Denn im Angesicht Gottes relativieren sich die Probleme:

„Nur der ernste Mensch kann heiter sein, niemand sonst.“

Die einzige Frage, die ernsthaft diskutiert werden kann, ist die Frage nach der Existenz Gottes und seinem Wesen. Besonders das Weihnachtsfest lag Chesterton am Herzen. Jedes Jahr veröffentlichte er mehrere Aufsätze zum Thema der Menschwerdung Gottes. Wenn doch Gott selbst Mensch geworden ist, dann ist die menschliche Art zu feiern mit allen Riten und Bräuchen, so menschlich sie auch sein mögen, immer die Art und Weise, sich diesem Gott zu nähern und das Glaubensgeheimnis der Inkarnation zu fassen.

Daher bietet Chesterton scharfe Attacken gegen die „Feinde der Weihnacht“: die Egoisten, die Rationalisten und die Modernisten. Seine Essays sind eine groß angelegte Apologetik, in der der christliche Glaube und die natürliche Frömmigkeit gegen pseudointellektuelle Angriffe verteidigt werden.

Der Übertritt zum katholischen Glauben war ein Skandal

Gilbert Keith Chesterton
Foto: IN | Zwei Meter groß und stets vergnügt: Gilbert Keith Chesterton.

Als Chesterton im Jahr 1922 zum katholischen Glauben übertrat, schien dies im anglikanischen England zumal in gebildeten Kreisen einem Skandal gleichzukommen. Sein befreundeter Kollege George Bernard Shaw (1856–1950) schrieb ihm: „Mein lieber G. K. C., das geht nun wirklich zu weit.“

Er selbst schrieb einen Aufsatz mit dem Titel „Was mich eigentlich hätte abhalten sollen!“ und erläutert darin seine Motivation zu diesem Schritt:

„Immer deutlicher sah ich – durch Geschichte und eigene Erfahrung belehrt – wie ein christliches Volk aus unerklärlichen Gründen lange Zeit verfolgt wurde und noch stets gehasst wird, bis mir plötzlich klar wurde, dass dies einfach sein musste, weil sie ebenso gründliche und unbequeme Christen waren wie die, die einst unter Nero den Löwen vorgeworfen wurden.“

Das Bekenntnis zu Jesus Christus und seiner Kirche schimmert daher auch in allen seinen Werken durch. Es wird sogar berichtet, er habe nie diktiert, ohne zuvor mit seiner Zigarre ein diskretes Kreuzzeichen zu schlagen.

Im Glauben liegt die Antwort

Im Glauben findet Chesterton auch Antwort auf sämtliche Fragen und Rätsel, die seine Beobachtung und sein eigenes Leben ihm aufgaben. Nichts ist für ihn logischer als der christliche Glaube. Schon in der ersten der insgesamt 51 Father-Brown-Geschichten „Das blaue Kreuz“ räumt er mit dem weitverbreiteten Vorurteil auf, die Religion lehne die Vernunft ab.

In der besagten Geschichte wird ein falscher Priester von Father Brown gerade daran erkannt, dass er sich abfällig über die Vernunft äußert. Father Brown entgegnet ihm:

„Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, jenem verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß, dass viele der Kirche vorwerfen, sie setze die Vernunft herab, aber es ist genau umgekehrt. Auf Erden räumt nur allein die Kirche der Vernunft die wahre Hoheit ein.“ Glaube und Vernunft sind zwei Faktoren, die einander nicht widersprechen, sondern untrennbar zusammengehören. So entzaubert Father Brown den falschen Priester mit den Worten „Sie haben die Vernunft angegriffen? Das ist schlechte Theologie.“

Dankbar für die Gnade des Glaubens

Chesterton wusste um die intellektuelle Unmöglichkeit des Unglaubens und war dankbar für die Gnade des Glaubens, der ihm trotz glaubensloser Umwelt im akademischen Milieu geschenkt wurde. Daher war er auch nicht ängstlich bemüht, seine Glaubensüberzeugungen dem Geschmack der Zeit anzupassen, vielmehr vertrat er diese auch auf die Gefahr hin, vor anderen als verrückt oder reaktionär zu gelten.

„Das ist die einzige Frage, die wirklich zählt – ob die Kirche tatsächlich verrückter ist als die Welt“, so schreibt Chesterton in seinem Roman „Kugel und Kreuz“ (1909), der bei seinem Erscheinen zahlreiche Bekehrungen vor allem im Milieu der Literaten und Intellektuellen nach sich zog.

Die Fortschrittsgläubigkeit attackiert Chesterton in diesem Buch mit den Worten:

„Das Christentum ist immer unmodern, weil es immer gesund ist; und alle Moden sind milde Formen des Wahnsinns.“

Clive Staples Lewis, der später zum großen christlichen Apologeten wurde, bekannte einmal, der Chesterton-Essay „Der unsterbliche Mensch“ (1925) sei das Buch, das ihn in seinem Leben am meisten geprägt habe.

Die zwei verfassten Heiligenbiographien

Gilbert Keith Chesterton hat auch zwei Heiligenbiographien verfasst – über Franz von Assisi und über Thomas von Aquin. Mit letzterem hatte er nicht nur die große Leibesfülle gemeinsam; vielmehr bestand auch eine gewisse Seelenverwandtschaft. Beide wenden sich gegen einen Fideismus, also einen Glauben, welcher keinerlei Bezug zur Vernunft hat. Auch verstanden sich beide als Anwalt des einfachen Mannes und des gesunden Menschenverstandes. Dieser hat nämlich in der Regel eine natürliche Immunität gegenüber jeglichen Ideologien.

Die Autobiographie im Todesjahr

In seiner im Todesjahr 1936 verfassten Autobiographie „Der Mann mit dem goldenen Schlüssel“ erzählt Chesterton von einem Kindheitserlebnis. Sein Vater ließ für ihn ein Puppentheater anfertigen, in dem ein junger Mann mit einem großen, goldenen Schlüssel stand. Diese Kindheitserinnerung blieb für ihn das Rätsel seines Lebens. Mit fortschreitendem Alter löste er dieses Rätsel und fand den Mann mit dem goldenen Schlüssel. Es ist der Papst, dem als Nachfolger Petri die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut sind.

Die Verteidigung des Glaubens ist ein Herzensanliegen

Was an Chesterton begeistert ist die Tatsache, dass er Vorurteile gegen Glaube und Kirche frontal angreift und dann streng logisch argumentiert. Oftmals sprudeln die Gedanken nur so aus ihm hervor und die Vielzahl der Bilder und Vergleiche irritieren den Chesterton-Neuling. Doch kann dies auch als Beleg dafür angesehen werden, dass ihm die Verteidigung des Glaubens ein echtes Herzensanliegen war. Bei seinem Tod am 14. Juni 1936 wurde ihm von Papst Pius XI. posthum der Titel „Defensor fidei“ verliehen und damit sein apologetisches Wirken gewürdigt.

Eine Auswahl an in Deutschland erschienenen Büchern von Gilbert Keith Chesterton:

  • 1910 Der Mann, der Donnerstag war
  • 1914 Das Paradies der Diebe / Father Browns Weisheit
  • 1916 Charles Dickens
  • 1920 Priester und Detektiv / Father Browns Einfalt
  • 1922 Das fliegende Wirtshaus
  • 1925 George Bernard Shaw
  • 1925 Der Mann, der zuviel wußte
  • 1927 Der Held von Notting Hill
  • 1927 Franziskus. Der Heilige von Assisi
  • 1927 Ein Pfeil vom Himmel / Father Browns Ungläubigkeit
  • 1928 Der geheimnisvolle Klub
  • 1929 Father Browns Geheimnis
  • 1959 Father Browns Skandal(e))
  • 2000 Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen
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