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„Facebook verhindert offenen Diskurs“

Mit verschleierter Barbie werden Frauenrechte dem Profit geopfert: Birgit Kelle über ihre Sperrung bei dem Netzwerk. Von Alexander Riebel
Birgit Kelle
Foto: Kerstin Pukall | Ohne Vorwarnung für sieben Tage bei facebook gesperrt: Birgit Kelle

Frau Kelle, Sie wurden für sieben Tage bei Facebook gesperrt – was ist da passiert?

Ich hatte mir erlaubt, ein neues Spielzeug des Herstellers Mattel zu kritisieren. Dieser hat eine neue Barbie auf den Markt gebracht, diesmal nach dem Vorbild einer muslimischen Sportlerin, die mit Hidschab trainiert und auch zu Wettkämpfen antritt. Allein das wäre noch eine gesonderte Diskussion wert. Hier kommt nun aber eine Puppe unschuldig daher und transportiert den Gedanken, dass die Verschleierung von Frauen eine ganz normale Sache sei, in die Kinderzimmer unserer Töchter. Ich hatte das recht sarkastisch mit den Worten kommentiert, ob wir demnächst auch das Barbie-Spielhaus dann erwarten könnten, in dem Ken – der Spielzeug-Freund von Barbie – diese dann auspeitschen oder steinigen lassen kann, wenn sie den hübschen Hidschab ablegen will. Außerdem hatte ich den Hersteller Mattel ermahnt, dass die Frage der Frauenunterdrückung kein Spielplatz sei. Das war für Facebook offenbar zu viel, ohne Vorwarnung wurde ich für sieben Tage gesperrt, weil ich angeblich gegen die „Gemeinschaftsstandards“ des sozialen Netzwerks verstoße. Ich habe Menschen einer Religionsgemeinschaft angegriffen.

Ihr Bild vom Auspeitschen oder Steinigen, falls die Puppe den Hidschab ablegen sollte, gehört in einigen islamischen Ländern zum Alltag – Religionsfreiheit kann also mit Ihrer Aussage nicht beeinträchtigt sein; geht es eher um westliche Befindlichkeiten gegenüber dem Islam?

Die Frage der Frauenrechte ist keine Frage von Befindlichkeiten, sondern für Millionen von Frauen weltweit leider tödlicher Alltag, wenn sie aus dem Regelwerk des Islam ausbrechen. Da ist es fast niedlich, von „Befindlichkeiten“ zu sprechen. Was ist denn mit der Befindlichkeit einer Iranerin, die verhaftet wird, wenn sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit ablegt. Was ist mit der Befindlichkeit all jener muslimischen Frauen weltweit, die nicht nur Kopftuch oder Hischab tragen müssen, weil sie sonst verprügelt oder gar ausgepeitscht werden, wenn sie nicht im Ganzkörper-Gefängnis Burka herumlaufen wollen. Was ist mit der Befindlichkeit der jungen Mädchen mitten in Deutschland, die ohne Kopftuch oder Hidschab nicht mal in die Schule dürfen und das mitten in einem freien demokratischen Land, das ihnen jedenfalls auf dem Papier Gleichberechtigung garantiert.

Unterstützt Facebook nicht die Verschleierung der Frau, indem Facebook Sie sperrt?

Nein, Facebook unterstützt nicht die Verschleierung, Facebook unterminiert erst einmal die Meinungsfreiheit mit diesem Vorgehen. Facebook verhindert Kritik und einen offenen Diskurs zu diesem Thema und das können wir nicht hinnehmen.

In unserer multikulturellen Gesellschaft müsste es doch eher naheliegen, die Gebräuche in den Religionen zu benennen, statt sie zu verschweigen – hat Facebook hier etwas falsch verstanden?

Da wäre Facebook jedenfalls nicht alleine, muss man leider sagen. Denn das haben auch zahlreiche Gutmenschinnen in unserem eigenen Land nicht verstanden, die gerade kollektiv wegschauen angesichts der Unterdrückung der muslimischen Frau, aber immer bereit sind, auf Knopfdruck in Empörung zu verfallen, wenn ein deutscher Mann ein falsches Wort zu falschen Zeit an die falsche Frau richtet. Dann ist sofort von Sexismus die Rede, von dem Machtgefälle in einer patriarchalen Gesellschaft und so weiter. Ich möchte aber auch hier sprachlich deutlicher werden: Wir reden nicht von „Gebräuchen“ in einer Religion, es geht hier nicht um die Ausgestaltung religiöser Feiertage, sondern um Straftaten, die an Frauen verübt werden. Um Rechte, die verweigert werden. Im Iran ist es schlicht Gesetz, dass eine Frau nur mit ganz bedecktem Körper und Kopftuch auf die Straße darf, sonst wird sie verhaftet. Das ist kein hübscher religiöser Brauch, sondern knallharte Gesetzgebung zum Nachteil der Frau.

Sehen Sie in der Puppe und der Reaktion von Facebook einen Beitrag zur Lufthoheit über den Kinderzimmern?

Es ist viel perfider, wir lassen gerade eine scheinbare neue Normalität in die Kinderzimmer schleichen, die dort nichts zu suchen hat und das Signal aussendet: Hidschab tragen sei eben einfach nur ein „Brauch“, ganz normal. Man führt die kleinen Mädchen spielerisch an ihre eigene Unterdrückung heran. Das halte ich für fatal. Es ist die Politisierung des Kinderzimmers, so als würden wir jetzt demnächst die Palästinenser-Barbie machen als Widerstandskämpferin mit Palästinensertuch. Obwohl, ich halte selbst das inzwischen für möglich…

Ist es nicht bezeichnend, dass Mattel statt einer jungen Nonne eine Muslimin als Barbie anbietet? Ist das der Beginn einer Islamisierung des Spielzeugs?

Ich glaube, dass es für Mattel einfach eine Frage des Marktes und der Größe der Zielgruppe ist. Mutter Teresa als Barbie möchte ich mir gar nicht vorstellen, es hätte weltweit aber auch nur eine kleine Zielgruppe für katholische Feinschmecker. Bislang galt Barbie in den arabischen Ländern als westliches Luder, halbnackt und anzüglich gekleidet. Ich glaube nicht, dass sie in arabische Kinderzimmer so reinkam. Wenn man sie aber züchtig verhüllt, erschließt es einen Millionenmarkt für Mattel. Man opfert also Frauenrechte für den Profit. Mattel darf das, es ist ein Wirtschaftsunternehmen und keine Volkshochschule. Aber genauso darf man das kritisieren. Und das hab ich getan.

Was halten Sie generell von der Verschleierung von Frauen? Sehen Sie darin irgendeine Freiheit, wie muslimische Frauen häufig behaupten?

Freiheit bedeutet immer einerseits Freiheit zu, aber auch Freiheit von etwas. Ich kenne die Vorzeigemuslimas auch im deutschen Fernsehen, die uns erklären, sie machen das freiwillig mit Kopftuch, Hidschab oder gar mit der Komplettverschleierung. Grundsätzlich müssen wir das bei erwachsenen Frauen in einem freien Land hinnehmen, auch wenn wir es nicht verstehen oder gutheißen. Ich zweifle aber an der Freiwilligkeit bei Hunderttausenden von Mädchen, die von klein auf auch in Deutschland von ihren Familien ohne Kopftuch gar nicht aus dem Haus gelassen werden. Die nicht an Klassenfahrten oder am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen. In zahlreichen Ländern sehen wir bis heute, dass es gesetzlich zementiert ist. Freiwillig wird ein Kopftuch erst dann getragen, wenn ich es genauso freiwillig ohne Androhung von Strafen oder gar körperlicher Züchtigung auch abnehmen darf. Mit falsch verstandener Toleranz gegenüber der Verschleierung fallen wir auch in Deutschland all jenen Mädchen in den Rücken, die darum kämpfen, das erste Mal in ihrem Leben ohne Kopftuch aus dem Haus zu kommen oder das erste Mal einen Badeanzug in einem öffentlichen Schwimmbad tragen zu können. Die Freiheit dieser Mädchen sollte unser aller Anliegen sein.

Zur Person:

Birgit Kelle (42) arbeitet als freie Journalistin und Bestsellerautorin verschiedener Bücher. Sie ist verheiratet, Mutter von vier Kindern und in zahlreichen Frauen- und Familienverbänden für die Interessen von Müttern und Familien engagiert. 2013 erschien ihr erstes Buch, die Feminismus-Kritik „Dann mach doch die Bluse zu“. 2015 folgte „Gendergaga“, eine satirische Kritik an der aktuellen Gender-Mainstreaming-Politik. Gerade erschien ihr neues Buch „MUTTERTIER. Eine Ansage“ im Fontis Verlag, Basel. Kelle schreibt für zahlreiche Print- und Onlinemedien und als regelmäßige Kolumnistin für das Magazin FOCUS und die Tageszeitung DIE WELT.

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Frauenrechte Internationalität und Globalität Islam

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