Wie weit darf die Politik geht, wenn es nicht nur um die Ermöglichung, sondern um die Verwirklichung von Chancen geht? Wie soll sich ein Staat verhalten, wenn es um die Lebensentwürfe der Menschen geht? Soll er nur den Rechtsrahmen abstecken und sich sonst heraushalten oder aber den Bürger zu seinem Glück verhelfen, ja: im Zweifel sogar „zwingen“ dürfen?
Mehr Gleichheit bei grundsätzlicher Offenheit
Der Staat muss die höchst unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen zu freiheitlichen Prozessen eines öffentlichen Diskurses, der das Glück inhaltlich bestimmt, stärker angleichen (insbesondere im Rechts- und Bildungssystem), zugleich aber prinzipiell offen lassen, welche Richtung der Diskurs nehmen soll und erst dann einschreiten, wenn das Ergebnis dem Paradigma einer Angleichung von Teilhabechancen zuwiderläuft.
Der Staat als Moderator
An der diskursiven Aushandlung dessen, was es heißt, glücklich zu leben, soll der Staat also weder als (womöglich einziger) Festredner noch als (weitgehend automatisierter) Türsteher mitwirken, sondern als zurückhaltender Moderator, der allen die Chance gibt, zu Wort zu kommen. Soweit der Anspruch einer demokratischen Gesellschaft heute.
An der Schwelle zur Neuzeit: Glück vs. Recht
Das war nicht immer so. Historisch betrachtet stehen sich das paternalistische Glücksdenken des Utopismus und das kontraktualistische Rechtsdenken des Liberalismus an der Schwelle zur Neuzeit gegenüber, an jenem Punkt der Geschichte also, an dem die Frage der Rechtfertigung und Organisation von Herrschaft neu gestellt wird, nachdem der mittelalterliche Personalstaat dem neuzeitlichen Territorialstaat weichen musste.
Was daraus folgt – für uns und für heute – skizziert der Beitrag von Josef Bordat in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 18. Oktober. Darin wird u.a. die Frage aufgeworfen, ob das politische „Nudging“ nicht Anzeichen dafür ist, dass der Staat heute (wieder) mehr will, als seinen Bürgern bloß rechtliche Möglichkeiten einzuräumen. Kostenlos erhalten Sie die Zeitung hier.
DT