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Alma von Stockhausen: Ein Leben für den Glauben und die Wissenschaft

Der Glaube als Frucht der Anstrengung des Denkens – Die Philosophin Professor Alma von Stockhausen feierte ihren 90. Geburtstag. Von Michael Hesemann
Die Philosophin Professor Alma von Stockhausen
Foto: IN | Gefeierte Philosophin und Akademie-Gründerin Alma von Stockhausen.

Wenn zwei Päpste und diverse Bischöfe zu den Gratulanten gehören, dann kann man davon ausgehen, dass ein ganz besonderer Mensch einen runden Geburtstag feiert. Und tatsächlich ist es eine außergewöhnliche Frau, die an diesem Wochenende in der oberfränkischen Gebetsstätte Heroldsbach, die ihr zu einer zweiten Heimat geworden ist, ihren 90. Geburtstag feierte. Alma von Stockhausen ist eine der großen Brückenbauerin zwischen Glauben und Vernunft, eine gefeierte Philosophin und die erste Frau, die in Deutschland eine kleine aber feine, lange staatlich anerkannte Akademie gegründet hat.

Das Leben von Alma von Stockhausen

Alma von Stockhausen wurde am 30. September 1927 im westfälischen Münster geboren. Ihr Vater war Franz Eduard von Stockhausen, ein prominenter Jurist und großer Historiker, dabei tief im christlichen Glauben verwurzelt. Obwohl im Staatsdienst, konterte er dem damals herandämmernden braunen Zeitgeist und bezog aus dem täglichen Besuch der Heiligen Messe seine Kraft. Schließlich zog er nach Aschendorf in das urkatholische Emsland, wo er zumindest keine Repressalien zu fürchten brauchte. Hitlers „Mein Kampf“ setzte er das epochale Werk „Europas Kampf um Christus. Die Geschichte der christlichen Bewegung“ entgegen und auf das „Heil Hitler!“ nationalsozialistischer Kreisbeamter antwortete er stets mit einem ganz und gar nicht norddeutschen „Grüß Gott!“ Ihre Mutter, eine geborene Gräfin von Bernstorff, hatte – für eine Frau dieser Zeit eine Seltenheit – Philosophie studiert, um ihre Glaubensfragen zu klären. Ihre Mutter war, zum Schrecken der protestantischen Dynastie, zum katholischen Glauben konvertiert und auch sie wollte diesen Glauben mit Methoden der Geisteswissenschaften überprüfen, wodurch sie nicht nur zu Christus fand, sondern auch ihren Mann kennenlernte. Sechs Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, zwei Mädchen und vier Jungen, von denen drei Priester wurden. Der Jüngste, Pater Dietrich von Stockhausen, betreute jahrelang deutsche Pilger in Medjugorje und leitete vor seiner Emeritierung die Gebetsstätte Heroldsbach.

Alma dagegen, die schon als Schülerin Kant las, war von der Philosophie fasziniert, mit der sie ihren Glauben überprüfen wollte und, ganz wie ihre Mutter, schließlich bestätigt fand. Als sie zehn Jahre alt war, kam es in Heede, in unmittelbarer Nähe von Aschendorf, zu Marienerscheinungen, ihr Vater wurde konsultiert, als man die Seherkinder verhörte. Jeder Versuch der Gestapo, die Kinder dauerhaft in die Psychiatrie einzuweisen, scheiterte; die Erscheinungen dauerten bis 1941 an. Geradezu schicksalhaft ist, dass ihr Weg sie jetzt nach Heroldsbach führte, wo es zwischen 1949 und 1952, in den Gründerjahren der Bundesrepublik, zu heftig umstrittenen Marienerscheinungen kam. Man kann sagen, dass der Segen der Gottesmutter Alma von Stockhausen auf ihrem ganzen Lebensweg begleitete. Doch dieser Weg führte über die Wissenschaft, über eine gründliche und kritische Reflexion der deutschen Philosophie, die zur Grundlage auch jedes Theologiestudiums gehört. So studierte sie ab 1946 in Münster, dann in Göttingen und Freiburg Philosophie, Theologie und Geschichte, wurde Schülerin des großen Martin Heidegger, den sie später widerlegte, und fand ihren wahren Meister in Gustav Siewerth, dessen christliche Metaphysik auf Thomas von Aquin zurückging. Auch Alma von Stockhausen hatte bereits 1954 bei Max Müller über Thomas von Aquin promoviert.

Nach ihrer Habilitation lehrte sie ab 1962 an der Universität Freiburg Philosophie, wo sie 1968 in die Turbulenzen der Studentenrevolte geriet. Immer wieder wurden ihre Vorlesungen von linken Studenten gesprengt, bis eine geregelte Lehrtätigkeit unmöglich wurde. Sie reagierte auf ihre Weise und lud die überzeugten Marxisten zunächst zum Essen, dann in ihr Haus im Südschwarzwald ein, wo sie ihnen dezidiert Marx widerlegte und ihnen den christlichen Glauben nahebrachte – nicht wenige wurden damals bekehrt. Aus diesen privaten Seminaren, zu denen sie immer häufiger namhafte Wissenschaftler, Philosophen und Theologen einlud, entstand schließlich die Gustav Siewerth-Akademie, die bald als „Deutschlands kleinste Hochschule“ bekannt wurde. Sie wurde 1988 als wissenschaftliche Hochschule in privater Trägerschaft staatlich anerkannt. Zu ihren „Geburtshelfern“ und regelmäßigen Gästen gehörte der Regensburger Theologe Professor Joseph Ratzinger, der auch als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation, ja sogar als Papst der Gustav Siewerth-Akademie freundschaftlich verbunden blieb. Auch katholische Journalisten wurden dort von keinem geringeren als dem Historiker Guido Knopp ausgebildet. Selbst Nobelpreisträger wie Professor John Eccles gehörten zu ihren Gästen. In kleinem, persönlichen Rahmen lernten so die Studenten von hochkarätigen Experten, die meist ehrenamtlich in Blockvorlesungen in Bierbronnen wirkten. Zudem zeichnete sich die Gustav Siewerth-Akademie durch hochkarätige Sommerakademien aus, die sich mit den Auswirkungen der Lehre Luthers auf die deutsche Philosophie, der Rolle Marias in der Heilsgeschichte oder einer wissenschaftlichen Diskussion von Darwins Evolutionshypothese im Licht der biblischen Schöpfungslehre befassten.

Auch der Papst gratulierte zum Geburtstag

So hochkarätig wie Alma von Stockhausens wissenschaftliches Wirken war auch die Feier ihres 90. Geburtstages, zu der über hundert Gäste aus ganz Europa angereist kamen. Die Festmesse, bei der auch Priester aus ihrem Schülerkreis mitwirkten, zelebrierte der bekannte Liturgiewissenschaftler Pater Professor Bernhard Vosicky OCist, Subprior des Klosters Heiligenkreuz, die Laudatio hielt Monsignore Winfried König vom vatikanischen Staatssekretariat. In einem Telegramm, das während des Pontifikalamtes verlesen wurde, gratulierte Papst Franziskus der Jubilarin zu ihrem segensreichen Wirken für die Philosophie und Theologie und würdigte ihren Beitrag zur Priesterausbildung. In einem persönlichen Schreiben erinnerte sich der emeritierte Papst Benedikt an die vielen persönlichen Gespräche in Bierbronnen, „in denen Sie Ihre philosophische Vision entwickelten, die schließlich bis ins Geheimnis des lebendigen Gottes hineinreicht, die die Vernunft des Glaubens als Frucht der Anstrengung des Denkens sichtbar werden lässt. So ist dann in Bierbronnen die Gustav-Siewerth-Akademie entstanden, die vielen jungen Menschen Wegweisung wurde und trotz aller Schwierigkeiten noch immer einen wichtigen Dienst für das Zueinander von Denken und Glauben leistet“.

Mögen der Jubilarin mit Gottes reichem Segen noch viele gesunde Jahre in ungebrochener Schaffenskraft vergönnt sein, auf dass sie noch lange die christliche Wissenschaft und Lehre inspiriert – ad multos annos!

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