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Dramatiker des Herrn

Johannes Paul II. verkörpert wie kein anderer Papst das Drama des christlichen Glaubens. Doch eigentlich wollte der Pontifex auf einer ganz anderen Bühne spielen.
Johannes Paul II. - Dramatiker des Herrn
Foto: Arturo_Mari (POOL)

Es dämmert. Himmel und Wasser scheinen ineinander über zu gehen. In der endlosen grau-blauen Weite der Ostsee leuchten die Lichter der Schiffe. Auf einem steht ein älterer Mann mit Blick auf das offene Meer gerichtet. Sein leuchtend roter Umhang flattert im Wind. An was denkt er? Ahnt er, dass das kommunistische Regime, das seine Heimat fest im Griff hält, im Begriff ist zu bröckeln? Macht sich der Nachfolger Petri Gedanken über die Zukunft seines Kirchenschiffes? Das Bild bietet Spielraum für Symbolik. Rot, die Farbe der Herrscher, aber auch die des Blutes der Märtyrer

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Und jetzt beginnt Akt zwei 

Für den Papst-Biographen Garry O´Connor ist es klar, dass Johannes Paul II. ein Mann der Symbole war. Kein Ereignis veranschaulicht dies besser als das Drama vom 13.Mai 1981: Der Papst fiel einem Attentat zum Opfer und wurde lebensgefährlich von einer Kugel getroffen. Der Arzt, der das Kirchenoberhaupt operierte, sprach von einem Zickzackkurs der in den Bauch geschossenen Kugel, nur wenige Millimeter vorbei an lebenswichtigen Organen. Kaum war der Papst wieder bei Bewusstsein, kam ihm in den Sinn, dass der Anschlag exakt auf den Jahrestag der Marienerscheinung von Fatima viel. Kann das Zufall sein? „Eine Hand hat die Kugel abgeschossen, eine andere hat sie gelenkt“, war er sich sicher. Der Papst, so O´Connor in seiner Biografie „Universal Father“, deutete das Geschehen aus einer geistlichen Perspektive. Damit war er nicht alleine. Während der vielen Wochen im Krankenhaus, wo unzählige weltliche und geistliche Führer ihr tiefes Mitgefühl gegenüber dem Pontifex ausdrückten, legte Kardinal Hume die Geschehnisse folgendermaßen aus: „Der Papst ist jetzt vereint mit den unzähligen Opfern der Gewalt unserer Tage. Er, genau wie sie, folgt den Fußspuren eines Meisters, des selbst grausam gefoltert und umgebracht wurde. Der Papst, der sich weigert zu verurteilen, ist bereit zu vergeben – genau wie sein Meister.“ Christliches Drama auf seinem Höhepunkt als aristotelische Mimesis des Evangeliums. Ein Jahr später drückte er der Muttergottes seinen Dank in einem Besuch der Wallfahrtsstätte aus. Seitdem befindet sich die Kugel, die aus seinem Bauch entfernt wurde, vergoldet in der Krone der Marienstatue. Schließlich, als der gut gelaunter Johannes Paul zu seiner Genesung in Castel Gandolfo ankam, begrüßte er die Menge mit einem Witz darüber, dass sich ihr Hymnen-Singen während seiner Abwesenheit verbessert habe – um gleich darauf feierlich zu verkünden: „Und jetzt beginnt Akt 2.“ 

Autorin: Emanuela Sutter
 

DT/mee

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