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Die Frau des Terroristen

Dokumentarfilm „In the Darkroom“ über ihr Leben im Schatten des Verbrechers Carlos. Von José García
Foto: RealFiction | Magdalena Kopp mit Ilich Ramírez Sánchez alias „Carlos“ und der gemeinsamen, 1986 geborenen Tochter Rosa.

Der sich seit 1994 in lebenslanger Haft befindende Ilich Ramírez Sánchez, genannt „Carlos“, war in den siebziger und achtziger Jahren nicht nur der meistgesuchte Terrorist weltweit, sondern auch eine Art „Star“ in den Medien. Die Aura, die „Carlos“ umgab, haben mehrere Filmregisseure zu ergründen versucht, so zuletzt Olivier Assayas im Spielfilm „Carlos – Der Schakal“ (DT vom 4.11.2010). In Assayas' Film, der hart an der Grenze zur Terrorismus-Verklärung vorbeischrammt, spielt eine wichtige Rolle die von Nora von Waldstätten dargestellte Magdalena Kopp, die Carlos 1979 heiratete und mit der er 1986 die Tochter Rosa bekam. In „Carlos – Der Schakal“ verführt Magdalena den Star-Terroristen. Eine ganz andere Version ihres Verhältnisses erzählt Magdalena Kopp selbst im Dokumentarfilm „In the Darkroom“ von Nadav Schirman, der in dieser Woche im regulären Kinoprogramm startet. Sie sei in dieses Verhältnis gleichsam hineingedrängt worden. Ihre erste Begegnung mit Carlos habe in einer Dunkelkammer – daher auch der Filmtitel „In the Darkroom“ – stattgefunden. Er sei aufdringlich geworden, was ihr unangenehm aufgestoßen sei. „Jetzt bist Du meine Frau und Du gehorchst“, soll ihr Carlos erklärt haben.

Zwar geht es in einem Dokumentarfilm über die Frau des bekannten Terroristen selbstverständlich auch um „Carlos“. So sind bereits im Vorspann mehrsprachige Nachrichten zu hören, die über ihn berichten. Der in Frankfurt lebende Regisseur Nadav Schirmann, der als Sohn eines israelischen Diplomaten in Paris die pro-palästinensischen Terroranschläge der achtziger Jahre aus nächster Nähe miterlebte, setzt jedoch eindeutig seine Protagonistin in den Mittelpunkt. Dazu trägt in besonderem Maße auch die Art des Interviews bei: Sie spricht direkt in die Kamera, indem sie Augenkontakt mit dem Publikum herstellt.

Anhand von alten Fotos und Filmaufnahmen erzählt „In the Darkroom“ von Magdalena Kopps erster Liebe und von ihrem Wunsch, Fotografin zu werden. In der ersten Filmhälfte bildet das Interview mit Magdalena Kopp den roten Faden des Films. Dieser wird einerseits von Bilddokumenten und Szenen aus dem Spielfilm „Carlos. El terrorista“ (1979), andererseits von Interviews mit anderen Zeitzeugen – Magdalenas Schwester, dem Journalisten Wilhelm Dietl, Johannes Weinrich, dem ehemaligen RZ-Mitglied Hans-Joachim Klein – unterbrochen. Zu weiteren möglichen Interviewpartnern führt Regisseur Schirman allerdings aus: „Besonders bemerkenswert fand ich die Tatsache, dass viele Deutsche, die '68 in der linken Szene waren, heute nicht bereit sind, über diese Zeit zu sprechen. Leute, die Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger auf die Straße gegangen sind, auch um gegen das Schweigen der Generation ihrer Eltern zu protestieren, die sich weigerten, über ihre Taten Rede und Antwort zu stehen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.“

Die zweite Filmhälfte konzentriert sich jedoch auf die gemeinsame Tochter von Magdalena und Carlos: Rosa Kopp ist inzwischen eine junge Frau, die seit ihrem fünften Lebensjahr ihren Vater nicht mehr gesehen hat. Sie trifft sich mit einstigen Weggefährten ihres Vaters wie Hans-Joachim Klein, der seine Zweifel an Magdalena Kopps Ehrlichkeit äußert, oder auch Bassam Abu Sharif, dem früheren Sprecher der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“, der Carlos für einen „Freiheitskämpfer“ hält. Rosa versucht, sich ein Bild von ihrem Vater zu machen, von „einer Figur, die nicht real ist“, ehe sie ihn im Gefängnis besucht. Rosas Enttäuschung darüber, dass „er nur von sich selbst redet“, stimmt mit dem Bild des selbstverliebten Terroristen überein, das Olivier Assayas in dem bereits erwähnten Spielfilm „Carlos – Der Schakal“ zeichnet.

Im Interview mit Magdalena Kopp spürt der Zuschauer die Zerrissenheit zwischen Rechtfertigung und Selbstkritik. Einerseits betont sie, sie sei in die Welt des Terrorismus hineingeglitten, bis sie nicht mehr zurückkonnte: „In jeder Armee musst Du Befehle befolgen.“ Auf der anderen Seite erkennt sie ihre falschen Entscheidungen: „Ich fühle mich mitverantwortlich, schuldig.“ Zwar resümiert Nadav Schirman: „Letztendlich ist es ein Film über das Schicksal einer Frau und den Preis, den sie dafür zahlen muss, dass sie nicht den Mut hatte, zu sich selbst zu stehen.“ Der Regisseur fragt jedoch nicht nach dem Wahrheitsgehalt der Aussagen von Magdalena Kopp. Ob ihre Darlegungen wahr oder eher ein Entlastungsversuch sind, bleibt im Dunkeln. Insofern erweist sich der Filmtitel „In the Darkroom“ als im übertragenen Sinn zutreffend. Nadav Schirmans Film stellt sich als Dokument über die zwiespältige Einstellung seiner Protagonistin zu ihrer Vergangenheit heraus.

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