In Berlin-Neukölln gibt es einen katholischen Apotheker, der das Leben schützen will, und die Instanz, die ihn dazu drängt, ernst nimmt: sein Gewissen. Damit folgt er dem, was ihn im tiefsten Inneren zu der Person macht, die er wesentlich ist: seinem Glauben. Der Neuköllner Apotheker Andreas Kersten steht für natürliche Familienplanung ein und verweigert aus Gewissensgründen den Verkauf der „Pille danach“, die eine abtreibende Wirkung hat, also menschliches Leben tötet. Nun gibt Andreas Kersten sein Geschäft auf, die Undine-Apotheke. Ein Grund mehr, ihn in der Tagespost vorzustellen.
Darüber hinaus verdeutlicht sein Schicksal den selektiven Umgang mit der Gewissensfreiheit. Kerstens subjektives Gewissen steht gegen den objektiven Anspruch auf Versorgung, der seitens der Öffentlichkeit zweifellos existiert. Doch ironischerweise verkehrt sich hier das Begründungsmodell: Der Apotheker rechtfertigt sein subjektives Gewissen gerade nicht subjektivistisch. Er sagt nicht: „So bin ich nun mal“ (selbstbestimmt), sondern begründet sein Verhalten aus seinem Glauben heraus, so dass neben die Gewissensfreiheit eine zweite Norm, die Religionsfreiheit (also: Religionsausübungsfreiheit), unterstützend hinzutritt.
Seine Kritiker (angesichts mancher eingeworfener Schaufensterscheibe kann man wohl auch sagen: Gegner), winken mit der Normativität der herrschenden Ordnung und argumentieren objektivistisch, um jedoch damit wiederum gegen jeden gesellschaftlichen, staatlichen oder religiösen Zugriff auf die individuelle Entscheidungsfreiheit zu agitieren, soweit dieser die Autonomie der Frau betrifft – im Zweifel auch gegen eben jene Ordnung. Klingt paradox? Ist es auch. Scheint so, als gelte das Recht auf Selbstbestimmung nicht für Apotheker.
Das Porträt von Tobias Klein lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 12. Juli 2018.
DT (Josef Bordat)