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Wege aus der Pornosucht: Was tun?

Was tun gegen Pornosucht? Entscheidend ist die Stärkung des Willens/ Schlüsselfaktor Familie.
Kampf gegen Pornosucht
Foto: fotolia.de | Ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen Pornosucht bleibt die Familie: Liebevolle Beziehungen können dazu beitragen, viele der Faktoren zu neutralisieren, die den Einsatz von Pornografie fördern.

Experten schätzen die Zahl der Pornosüchtigen in Deutschland auf eine halbe Million. Das ist eine gewaltige Risikogruppe   nicht nur für die Süchtigen selbst. Tägliche Porno-Konsumenten sind dreimal so häufig Täter von sexuellem Mißbrauch als seltenere Konsumenten und sie konsumieren fast sechsmal so häufig auch Kinderpornografie. Jugendliche Konsumenten trennen schon nach kurzer Zeit Sexualität von jedem Beziehungskontext. Promiskuität ist für sie normal. Wie kann man Jugendliche und junge Erwachsene aus dieser Suchtspirale befreien - besser noch: sie davor bewahren?

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Pornosucht: Prävention ist die beste Lösung

Wie bei jeder Sucht ist Prävention die beste Lösung. Den drei A, die das Massenphänomen Pornografie beschleunigt haben (anonym, billig, Zugang sofort und überall - siehe Artikel Seite 2), lässt sich ein Dreiklang der Aktion entgegenhalten: Schützen, immunisieren, heilen. Schützen durch Kontrolle über den kleinen Schirm ist die einfachste, aber auch nur befristete Möglichkeit. Man kann Kindern nur bis zu einem gewissen Alter das Smartphone vorenthalten oder mit ihnen Nutzungszeiten ausmachen. Eher früher als später werden sie in der Schule oder im Sportverein damit konfrontiert. Besser ist es für sie, das Problem dann schon zu kennen und mit ihm umzugehen. Die erste Schule für die Sensibilisierung des Problems ist die Familie. Die Sprachlosigkeit in diesem Bereich ist in katholischen Familien aber immer noch weit verbreitet. Experten wissen:

"Über Sexualität redet man nicht, über Pornografie schon gar nicht".

Das sei im Zeitalter vor dem Internet noch machbar gewesen. "Vor 1990 musste man sich für Pornografie entscheiden, wenn man sie konsumieren wollte. Heute ist sie omnipräsent. Heute muss man sich dagegen entscheiden, wie bei jeder Sucht". Zwar gebe es technische Möglichkeiten wie Kindersicherungen. Aber die könnten junge Leute heute leicht umgehen oder einfach beim Klassenkameraden auf den Schirm schauen. "Das Handy ist wie Kokain in der Tasche".

Nachhaltigkeit gewinnt man durch Aufklärung und Wissen. Wissen formt den Willen. Ein an Erkenntnis orientierter Wille schärft das Gewissen und fördert die Selbstachtung. Dadurch entfaltet Wissen auch immunisierende Wirkung. Der heilige Kirchenlehrer Franz von Sales (1567 - 1622) hat in seiner Lehre über das Wesen des Willens vier Stufen ausgemacht, auf denen der Wille zur Vollkommenheit gelangt. Auf den ersten beiden Stufen sind Wissen und Vernunft eine Voraussetzung für das natürliche Streben nach dem Guten. Auf den beiden letzten Stufen geht es um Vernunft, Glaube und Gnade. Mit anderen Worten: Wer glaubt und sich der Gnade öffnet, der erlebt über die Sachkenntnis hinaus eine zusätzliche Motivation und Festigung des Willens.

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Geistliche Hilfen, die den Willen stärken

Das ist auch für einen Heilungsprozess von Bedeutung. Deshalb nennt zum Beispiel der Bischöfe von San Sebastian, Jose Ignacio Munilla, in seinen Videos über Sexsucht und Pornografie auch geistliche Hilfen, die den Willen stärken und so eine immunisierende Kraft entfalten. Zu seinen elf Ratschlägen gehören entsprechend "übernatürliche Hilfen wie Gebet und Sakramente (Beichte, Eucharistie)" sowie "ein feierliches, schriftliches Versprechen vor Gott", das den natürlichen Effekt hat, "der guten Absicht authentischen Ausdruck zu verleihen". Ferner empfiehlt er, was wahrscheinlich auch Psychologen raten, im Schlafzimmer keine Versuchungen in Form von Bildschirmen zuzulassen, sich gesunde Hobbys zuzulegen und daran zu erfreuen; auch mal Nein zu sich selbst zu sagen und Verzicht zu üben in kleinen Dingen (z.B. beim Essen), um Selbstkontrolle zu trainieren; direkte Kommunikation mit Freunden und Dienst am Nächsten zu pflegen, um sich und seine Bedürfnisse hintanzustellen oder zu vergessen. Mit Nachdruck insistiert er:

"Suche Hilfe! Keine Alleingänge!"

Denn sonst sei die Gefahr der Selbstversklavung nicht zu vermeiden. Auch rät er zu Geduld mit sich selbst. Geduld sei die Schwester der Ausdauer. Schließlich ein Rat, den man vermutlich bei jedem vernünftigen Psychologen bekommen dürfte: "Organisiere Deinen Tag mit klaren Zeiten, keine Lücken zulassen, in denen der Zufall regiert".

Bei solchen Ratschlägen geht es um die Wiedergewinnung seiner selbst, um Selbstachtung, Selbstvertrauen und ein selbstbestimmtes Leben. Natürlich gibt es auch Vereine und Initiativen, die den Schulen entsprechende Programme anbieten, modern und altersgerecht, mit gut ausgebildetem Personal und deutschlandweit einsatzbereit. Immerhin steht die Bindungs-und Liebesfähigkeit junger Menschen auf dem Spiel, mithin die Zukunft des Gemeinwesens. Die Problematik betrifft übrigens auch junge Menschen, die selber nicht Pornografie konsumieren. Denn es wächst die Wahrscheinlichkeit, daß sie einen Freund oder Partnerin kennenlernen, der bereits Pornografie regelmäßig konsumiert hat oder es noch tut.

Zusammenhalt in der Familie fördern

Ein Schlüsselfaktor bleibt die Familie. Liebevolle Beziehungen in der Familie können dazu beitragen, viele der Faktoren zu neutralisieren, die den Einsatz von Pornografie fördern, lange bevor deren süchtigmachende Wirkung im Leben des Einzelnen Wurzeln schlägt. Deshalb liegt es nahe, den Zusammenhalt in der Familie zu fördern. Der Familienforscher Fagan listet auf: "Die erste, wichtigste Beziehung ist die zwischen Vater und Mutter. Die zweite ist die von engagierten Eltern, die ihre Kinder lieben. Starke Familien sind der beste Schutz vor den negativen Auswirkungen der Pornografie, besonders wenn sie unterstützt werden durch regelmäßigen Kirchgang mit all den damit verbundenen Vorteilen". Bei der Förderung von Ehe und Familie wäre die Politik, bei den Glaubensfragen die Kirche gefordert. Solange diesen Herausforderungen aber nur sehr mäßig entsprochen wird, sind vor allem die Achtsamkeit und Selbsthilfe der Eltern gefragt.

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