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Dürnsteiner Symposion: Lernen für die Ewigkeit

Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann“, war das Leitwort des Onlinesymposions, das drei Tage lang aus der Minoritenkirche in Krems übertragen wurde.
Viele Bausteine bilden ein facettenreiches Gesamtbild
Foto: Imago images | Viele Bausteine bilden ein facettenreiches Gesamtbild: Bildung verlangt nach Vielseitigkeit.

Dass die wissenschaftliche Weiterbildung an der Donauuniversität Krems Tradition hat und praktische Fertigkeiten hierfür eine notwendige Basis bilden, wurde in den einleitenden Grußworten der Mitveranstalter ebenso betont wie die Notwendigkeit des Verstehens von Bildung als Herzensbildung im klösterlichen Leben und der Konzentration auf die religiöse Dimension von Bildung. Ausgeführt wurde dies anhand der zerstörerischen Wirkung des Materialismus beispielsweise auf die Landschaft der Wachau. Sie bildete als alte, durch die kultivierende Kraft der Klöster geprägte christliche Kulturlandschaft im wörtlich zu verstehenden Sinne den Nährboden der drei lehrreichen und inspirierenden Tage, an denen die fast 200 Teilnehmer lernen konnten, was man in der Schule zumeist nicht vermittelt bekommt, einen philosophischen Ansatz, der gerade in einer Krisenzeit wie der derzeitigen notwendig und wegweisend ist, um erfolgreich und resilient durch die Unwägbarkeiten des Alltags zu navigieren.

Orientierung am Guten und Schönen

Der Fokus der Vorträge und Diskussionen lag dabei auf der Schnittstelle von Religion, Politik und Philosophie, basierend auf dem griechischen Konzept der Kalokagatia, der Orientierung am Guten und Schönen. Sie ist gleichermaßen Leitbild und motivierende Schubkraft, wenn man die in Krisenzeiten notwendigen Fähigkeiten der Introspektion, Kreativität und Kommunikation erfolgreich ausbilden und sich dabei selbst im Hinblick auf ein lohnendes Ziel wandeln will.

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Bildung braucht Gleichberechtigung

Der Schriftsteller Michael Köhlmeyer betonte in seinem provokanten Einführungsvortrag, dass Bildung Gleichberechtigung voraussetze und nicht gleichsam von oben nach unten gnadenhaft vermittelt werden dürfe, und bekräftigte dies anhand dem heute dank der technischen Möglichkeiten freien Zugang zu nahezu unendlichen Bildungsquellen. Zugleich forderte er die Zuhörer heraus, indem er den Titel des Symposions und dessen Grundannahme, dass Bildung ein Lebensmittel, für ein gelingendes Leben also notwendig sei, grundsätzlich infrage stellte. Zwar sei ihm selbst Bildung unerlässlich, er habe beispielsweise schon als junger Mensch eine Mozartsinfonie auswendig gelernt, um sich dem in ihr geborgenen Unbegreiflichen der Kunst zu nähern, er kenne aber viele Menschen, die keinerlei Interesse an Bildung hätten und dennoch ein glückliches Leben führten.

Bildung als Wegweiser zur Schönheit

Bildung als Lebensmittel zu bezeichnen hält Köhlmeyer daher für arrogant und reklamiert für jeden das Recht, ohne Bildung durch das Leben zu gehen. „Die Freude am Schönen“, so der Autor, „ist nicht systemrelevant.“ Zugleich ist Bildung aber der sicherste Wegweiser zur Schönheit. „Schönheit ist der Spiegel, in dem wir uns erkennen. Würde ist die einzig sichtbare Marke des Menschen“, so Köhlmeyer. Wenngleich Bildung also nicht von allen erstrebt wird, ist „das Wahre, Gute und Schöne“ (Goethe) und die „Schönheit [als] der Glanz des Wahren“ (Augustinus/Thomas von Aquin) doch das Sehnsuchtsziel des Menschen, dem Kultur zur Identitätsbildung notwendig ist. Mehr noch, Bildung fördert – und deshalb hatten die Initiatoren der Tagung Recht, sie als Lebensmittel zu bezeichnen – nicht nur die Entdeckung von Begabungen und Talenten, die zu entwickeln vielen Menschen ohne Bildungsangebote nicht gelingen würde.

Gesundheit wird gestärkt

Bildung stärkt, was überraschend klingt, sich anhand von Statistiken aber klar nachweisen lässt, auch die Gesundheit. Denn wer gebildet ist, ernährt sich besser. Dies liegt nicht nur daran, dass der Gebildete mehr Kenntnisse über die Wirkweisen der Nahrungsmittel hat, ihre Inhaltsstoffe bewusster wahrnimmt und deshalb unterscheidungsfähiger ist im Hinblick auf das, was er isst und in der Folge dann ist. Es hängt auch damit zusammen, dass, wer gebildet ist, besser in die Lage versetzt ist, Unterschiede wahrzunehmen, die den Genuss nicht nur von Bildung, sondern eben auch von Kunst und Nahrungsmitteln vertiefen. Zur Bildung gehört deshalb gerade heute notwendig Naturerfahrung. Denn sie vermittelt das Empfinden, in einen größeren Zusammenhang eingeborgen, Teil der Schöpfung zu sein. Wer dies erlebt, in dem kann Verantwortungsbewusstsein wachsen. Das leibhaftige Erleben der natürlichen Zyklen vermittelt zudem Gelassenheit, einen perspektivischen Blick und ermöglicht die Wertschätzung von Diversität.

Die eigene Geschichte gestalten

Wer die Geschichte kennt, so das Ergebnis des dritten Symposionstages, ist besser befähigt, die eigene Geschichte zu gestalten. Dabei wurde im Vortrag des Historikers Timothy Snyder deutlich, dass Bildung keineswegs mit oft fragmentarischem und unvernetzt vermitteltem Schulwissen identisch, sondern ihm in vielerlei Hinsicht diametral entgegengesetzt ist. Denn das Kennzeichen von Bildung ist ja gerade nicht die Anhäufung unverstandener Fakten, sondern die Vernetzung von Wissensbausteinen zu einem sinnstiftenden, wie ein Leuchtturm wirkenden Gedankengebäude. Bildung braucht deshalb notwendig Kultur. Wer sich bewegt, stärkt nicht nur sein Körperbewusstsein, sondern hält auch seinen Geist lebendig. Wer singt, lebt nicht nur glücklicher, sondern öffnet die Wahrnehmung für die Schönheit der über das gegenwärtige Leben hinausreichenden Wirklichkeit.

„Die Wahrheit ist hässlich. Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Friedrich Nietzsche

Bildung ist ohne Kultur nicht denkbar. Die aber gedeiht besser, wenn die strukturellen Voraussetzungen stimmen: Bibliotheken, in denen die Bücher dank reicher Benutzung das Leben ausstrahlen, das in ihnen steckt, Musikgruppen, in denen Klang als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung erlebt werden kann und Landkarten, die als Wegweiser zu den unterschiedlichen Bildungsangeboten genutzt werden können. Das zehnte Dürnsteiner Symposion erwies sich in dieser Hinsicht als Hotspot für einen kritischen und zugleich positiven Blick auf das Potenzial einer ganzheitlichen Bildung. Denn es ist falsch, was Nietzsche sagte: „Die Wahrheit ist hässlich. Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Richtig ist, dass Bildung den Weg zum Guten, Wahren, Schönen und dadurch zum Ewigen weist.

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