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Kloster Dobbertin: Nonnen wehren sich

Nonnen wehren sich: Wie einst um das Kloster Dobbertin in Mecklenburg gestritten wurde.
Kloster Dobbertin
Foto: Foto: | Auch en miniature macht das Kloster Dobbertin einen imposanten Eindruck: Figuren der widerspenstigen Benediktinerinnen gibt es aber wohl nicht.Imago

Wir befinden uns im Jahre 1562 n. Chr. Ganz Mecklenburg ist von der Reformation besetzt... Ganz Mecklenburg? Nein! Ein von unbeugsamen Frauen bevölkertes Kloster hört nicht auf, den Protestanten Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die braven, staatlicherseits bestellten Visitatoren, die den „dullen Nunnen“ von Dobbertin lutherische Beine machen sollen. Schon 13 Jahre zuvor war auf Drängen Herzog Johann Albrechts I. hin die neue, die evangelische Konfession eingeführt worden – verbindlich für alle Mecklenburger, obwohl der Herzog eigentlich nur über den ihm zugefallenen Güstrower Landesteil das Sagen hatte. Aber der glühende Lutheranhänger hatte die mit ihm regierende Verwandtschaft so lange beschwatzt, bis diese Ja und Amen dazu sagte.

Und da die Regierenden auch über das Gewissen der Untertanen zu bestimmen pflegten, wurde 1549 die Reformation im ganzen Land eingeführt; formal immerhin durch einen „Parlamentsbeschluss“ auf dem an der Sagsdorfer Brücke unter freiem Himmel abgehaltenen Landtag, bei dem freilich nur die Obrigkeit stimmberechtigt war.

Der Nonnen zu zähmen, wurde zur Chefsache

Kirchenstrukturen wurden liquidiert und Klöster abgewickelt; das enteignete Tafelsilber wanderte ins Portfolio der diversen Herzöge zu Mecklenburg – inklusive vieler Immobilien in Top-Lage. Der neue Glaube konnte sprichwörtlich Berge versetzen! Johann Albrecht aber ging das alles viel zu langsam – vor allem wohl auch, weil sein Teilherzogtum hoffnungslos überschuldet war. 1552 beschloss er, die Zügel fester anzuziehen und befahl, nun auch Hand an die Frauenkonvente zu legen. Im Dobbertiner Benediktinerinnenkloster hatte man dieses Treiben schon länger argwöhnisch beobachtet.

Da Angriff bekanntermaßen die beste Verteidigung ist, legten die von Priorissa Hyppolita Gans zu Putlitz und Subpriorin Irmgard von Strahlendorff angeführten Nonnen vorsorglich Beschwerde ein, dass sie die Reformation nicht durchführen könnten. Schon seit Jahren habe man keinen anständigen Gottesdienst mehr gehabt und Schuld daran sei „de bose Predicante“, der sich mehr für seine Frau und seine Kinder als für den Glauben interessiere – eine listige, den erklärten Regierungswillen ins Abseits manövrierende Finte.

Die Taktik aber verfing, denn die Bürokratie war fürs Erste damit beschäftigt, einen anderen Geistlichen aufzutreiben und die Klosterfrauen wurden zunächst nicht weiter behelligt. Aber auch von dem neuen Pastor ließen sich die Schwestern in ihrer benediktinischen Beschaulichkeit nicht weiter stören. So kam es, dass im mittleren Mildenitztal ein katholisches Leben blühte, als wäre die Reformation nie eingeführt worden.

Der widerspenstigen Nonnen Zähmung

So viel Glaubensfreiheit nur eine Tagesreise vom Nabel der erzlutherischen Rechtgläubigkeit, von der Zentralregierung in Güstrow entfernt? Das durfte nicht sein! Der widerspenstigen Nonnen Zähmung wurde zur Chefsache erklärt und der Bruder des Herzogs reiste persönlich nach Dobbertin, wild entschlossen, die Schwestern auf Zack zu bringen. Tatsächlich notierte er am 2. November 1556 in sein Tagebuch: „Den Tag hab ich selbes die abgottery zu Dobbertin bei den nuhnen abgeschaffet.“ – etwas voreilig, denn die 30 Klosterfrauen dachten gar nicht daran, sich diesem Übergriff auf ihr Klosterleben zu beugen. Sie ließen den Herzog einen guten Mann sein und pflegten weiter ihre Heiligenbilder.

Nachdem das große Geschütz angesichts der kleinen Nonnen versagt hatte, besann man sich auf Regierungsseite, kleinere Kugeln zu gießen – eine behördliche Visitation wurde angeordnet. Am 24. März 1557 fand im Kloster um 10 Uhr morgens ein Treffen zwischen Regierungsvertretern und den zu visitierenden Ordensfrauen statt; die Atmosphäre war frostig. Nachdem auch am 26. März die inzwischen von Priorin Elisabeth von Hobe geführten Benediktinerinnen allerhöchstenfalls zu kleineren Zugeständnissen bereit waren, nicht aber zur Annahme der Reformation als solcher, entschieden sich die Visitatoren, die „ergerlichen bilder“ der Heiligen in einer Nacht- und Nebel-Aktion aus der Kirche zu entfernen, ins Beichthaus wegzusperren und eiligst abzureisen. Aber auch diese Maßnahme verlief im Sande; unverdrossen wurde in Dobbertin weiterhin auf die bewährte Weise lateinisch gebetet.

Fünf Jahre kalter Klosterkrieg

Abermals wurden die Benediktinerinnen wegen „vngehorsam vnnd gottloßheit“ angeschwärzt; abermals kamen die Visitatoren nach Dobbertin – diesmal wurden sie aber gar nicht erst ins Kloster eingelassen. Fünf Tage wurde durch die Fenstergitter des Sprechhauses verhandelt; wohl recht offen, wie man in diplomatischen Kreisen zu sagen pflegt, denn am 7. September 1557 wurde von Amts wegen der mit polizeilichen Aufgaben betraute Landreiter in den Turm hinaufgeschickt, um den Klöppel aus den Glocken zu entfernen – wenn man die Frauen schon nicht bekehren konnte, sollten wenigstens ihre Glocken zum Schweigen gebracht werden!

Die widerständigen Klosterfrauen beschimpften ihre Visitatoren daraufhin als „offentliche kirchenbrecher“. Zehn Tage später, die Beamten hatten sich in Güstrow neue Anweisungen geholt, verschafften sich die Herren gewaltsam Zutritt zur Kirche, um den Chor der Nonnen vermauern zu lassen. Als aber die Maurer die Ziegelsteine auf die Nonnenempore hinauftragen wollten, hob ein großes „hewlen, gepleer vnd geschrey“ an und die resoluten Klosterdamen traktierten wie „rasendt, vnsinnig, tholl und thoricht“ die Handwerker mit Steinwürfen, Wassergüssen und Schlägen. Schließlich schlugen sie auch noch die herzoglichen Diener in die Flucht, denen sie ihre Bet- und Gesangbücher hinterherwarfen.

Fünf Jahre herrschte kalter Krieg im Klosterkampf; fünf Jahre, in denen der katholische Konvent mit Protestantinnen unterwandert werden konnte. Am 26. September 1562 wagte sich Herzog Johann Albrecht persönlich an die Front; im Gepäck eine neue, kompromisslos-lutherische Klosterordnung. Im Falle der Nichtannahme drohte er den Frauen mit Vertreibung – eine alternativlose Politik nach der Methode „friss oder stirb“. Aber der Herzog hatte sich verrechnet, wenn er darauf hoffte, bei den Dobbertiner Damen damit landen zu können. Beinahe wäre es gleich zu Beginn des Lokaltermins zu Handgreiflichkeiten gekommen.

Das Kloster wurde für reformiert erklärt

Am 29. September kamen die in den Konvent eingesickerten Geheimwaffen des Herzogs zum Einsatz – in einer persönlichen Anhörung bekannten sich 14 Frauen zum Lutherglauben, elf zum katholischen, eine war krank gemeldet. Als aber die aufsässigen Klosterkämpferinnen abgeführt und auf bereitstehende Wagen verladen werden sollten, griffen diese zu Steinen und Stöcken und verprügelten die Herzogsbüttel. Anschließend zogen sie, besiegt, doch ungebrochen, freiwillig aus ihrem Kloster aus – in einer Prozession und mit lateinischen Kirchenliedern auf den Lippen; die leeren Wagen hinterdrein.

Eine neue, protestantische Vorsteherin wurde ernannt, das Kloster für reformiert erklärt. Als am Morgen des 1. Oktober die neuen Statuten diktiert wurden, waren die 14 im Stift verbliebenen Frauen auch brav anwesend, zur nachmittäglichen Examination aber erschien einzig noch die frisch eingesetzte Vorsteherin. „Der dullen Nunnen Krich“, der Krieg der verrückten Klosterfrauen, ging in die nächste Runde.

20 Jahre im Widerstand

Nur zwei Jahre später waren die vertriebenen Benediktinerdamen fast allesamt schon wieder da! Eine angeordnete Visitation scheiterte glanzlos schon im Ansatz und die folgende konnte 1569 nur verzweifelt feststellen, dass die katholische Ordnung nahezu vollständig wiederhergestellt war; ein Jahr darauf wurden sogar zwei verbotenerweise neu eingekleidete Nonnen aufgespürt! Über 20 Jahre dauerte der Widerstand insgesamt und endete erst mit dem Ableben der stolzen, ihre Freiheit liebenden alten Damen. Den Herzögen aber war die Lust am Nonnennecken gründlich verleidet worden. Schon 1572 übertrugen sie die Zuständigkeit auf die Mecklenburgische Ritter- und Landschaft, die Dobbertin zusammen mit den Klöstern Malchow und Ribnitz als Landesklöster in Versorgungsanstalten des Adels umwandelte. Unter den Konventualinnen finden sich so geschichtsträchtige Namen wie Bassewitz oder Bülow, aber auch die langjährige Fontane-Freundin Mathilde von Rohr.

Doch das ist die Geschichte eines anderen Schatzes des Christentums – die des evangelischen adeligen Damenstifts Dobbertin.

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