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Katholische Kirche Hongkongs: Freiraum der Wahrheit

Prophetische Stimme: Die katholische Kirche Hongkongs ist die letzte Bastion der Freiheit.
Coronavirus, Eindrücke aus Hongkong April 12, 2020
Foto: Imago Images/Liaux Chung

Zum ersten Mal seit 32 Jahren war es am 4. Juni untersagt am schwer bewachten Victoria Park in Hongkong die traditionelle Versammlung für die Opfer des Tiananmen Massakers abzuhalten. Sieben katholische Pfarreien feierten deshalb Gedenkgottesdienste für die Opfer.

Die Stadt Hongkong, die bis vor kurzem der einzige Ort unter chinesischer Souveränität war, an dem man des 4. Juni gedenken konnte, ist nun den Weg des chinesischen Festlandes gegangen, wo eine staatlich erzwungene kollektive Amnesie diesen Jahrestag kennzeichnet. Nun ist auch in Hongkong das öffentliche Gedenken an das Massaker des chinesischen Regimes an pro-demokratischen Aktivisten im Jahr 1989 ein Verbrechen, das mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Die Organisatoren der letztjährigen Victoria-Park-Kundgebung, der letzten frei organisierten, sitzen alle im Gefängnis.

Freiraum Kirche

Die katholische Kirche ist einer der wenigen verbliebenen Freiräume der Wahrheit gegen das erzwungene Vergessen. Oder, um genauer zu sein, sieben katholische Kirchengemeinden. In diesen sieben Kirchen wurde am 4. Juni eine Messe für die Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens und ihre Familien gefeiert, ebenfalls um 20 Uhr, als sonst immer die Gedenkversammlungen im Victoria Park begannen. Die Entscheidung dieser sieben Kirchen, die Messe zu feiern, war von entscheidender Bedeutung. Sie hätten leicht den Weg der anderen in der Diözese Hongkong gehen können, indem sie sich auf die Seite der Angst und der Vorsicht schlagen. Aber sie erkannten ganz zu Recht ihre moralische Verantwortung, etwas gegen das Vergessen zu tun. Ein Protest oder eine Mahnwache mögen in Hongkong nicht mehr legal sein, aber die religiöse Verehrung und das Gebet wurden noch nicht verboten. Das Feiern einer katholischen Messe ist eine religiöse Aktivität, die durch die Verfassung von Hongkong noch geschützt ist.

Deutliche Worte von Kardinal Zen

Es überrascht nicht, dass einer der Zelebranten der Gedenkmesse der mutige emeritierte Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen war, ein langjähriger unverblümter Kritiker von Pekings völkerrechtswidriger kalter Annexion der Stadt. In seiner Predigt, die von der kath. Nachrichtenagentur Ucanews wiedergegeben wurde, sagte er: „Wir widmen diese Gedenkmesse dem Gedenken an die Brüder und Schwestern, die vor 32 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens und in den umliegenden Gassen ihr Leben für unsere Freiheit und Demokratie geopfert haben. Was sie damals forderten, war eine saubere Regierung. Wonach sie sich sehnten, war ein wirklich starkes China. Sie opferten sich für uns, und wir umarmen ihre unerfüllte Hoffnung: eine gerechte und friedliche Gesellschaft, ein Volk, das vom Regime respektiert wird, und ein wahrhaft großes China, das von der Welt respektiert wird.“

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„Unsere Hoffnungen sterben nie“

Kardinal Zen hob den wahren Patriotismus hervor, indem er die 1989 Getöteten als „patriotische Märtyrer“ bezeichnete, die Respekt und Liebe verdienten. Wie sie, fügte er hinzu, „lieben wir unser Land, unsere Hoffnungen sterben nie“. Trotz der dunklen Zeiten für Hongkong und China heute, schloss er: „Wir lehnen Pessimismus ab. Wir werden die Hoffnung nicht verlieren.“ Der Kardinal betonte, dass die sieben Kirchen lediglich ihr Recht ausübten, eine Gedenkmesse zu feiern. Am Tag vor dem Jahrestag waren nämlich Schilder vor den Kirchen aufgetaucht, die davor warnten, Gedenkmessen zu feiern. Die Schilder, auf denen Bilder von Kardinal Zen abgebildet waren, warnten vor „bösen Kulten“ und davor, „Chaos im Namen der Ehrerbietung zu verursachen; Religion mit Händen voller Blut zu spalten“ - eine Sprache, die direkt aus dem Drehbuch Spielbuch der Kommunistischen Partei Chinas stammt.

Die Anstifter dieser Warnungen beriefen sich auf das drakonische Gesetz zur nationalen Sicherheit und deuteten an, dass öffentliche Veranstaltungen zum Gedenken an den Jahrestag des Massakers von 1989 gegen dieses Gesetz verstoßen würden. Dennoch war Kardinal Zen nicht allein, eine weitere Gedenkmesse wurde von Weihbischof Joseph Ha Chi-shing zelebriert. Sogar der neu gewählte Bischof von Hongkong, der Jesuitenprovinzial Stephen Chow Sau-yan, der einen eher zurückhaltenden Ansatz verfolgt, hatte bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des Gedenktags gesagt, dass er für die Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens beten werde.

Kirche als Hüterin der Wahrheit

Die Kirche gilt als einer der wenigen verbliebenen „freien“ Räume in Hongkong. Deshalb fällt ihr eine wichtige Rolle als Hüterin von Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit zu, diese Werte in angemessener Weise und mit Weisheit zu verteidigen. Viele Katholiken und Christen anderer Traditionen haben an vorderster Front des Hongkonger Menschenrechtskampfes gestanden, nicht zuletzt der „Vater“ der Demokratiebewegung Martin Lee, der Medienunternehmer Jimmy Lai, die Studentenaktivisten Agnes Chow und Joshua Wong und der Rechtsprofessor Benny Tai. Lai, Wong und Chow sitzen für ihre Überzeugungen bereits im Gefängnis. Die Kirche rüttelt auch ständig das Gewissen - wenn sie überhaupt eines hat - von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wach, die sich selbst als Katholikin bezeichnet und doch bereitwillig Pekings wichtigste Erfüllungsgehilfin beim Abbau der Freiheiten in Hongkong gewesen ist. Die prophetische Stimme der Kirche in Hongkong ist jetzt in größter Gefahr, da Freiheiten abgebaut werden, auch die Religionsfreiheit wird früher oder später gefährdet sein.

Der Papst schweigt schon zu lange

Auch die internationale Gemeinschaft hat nun eine größere Verantwortung, die Religionsfreiheit in Hongkong zu schützen. Wenn es für die Kirche in Hongkong gefährlicher wird, sich zu äußern, sollte Rom einschreiten. Zu lange ist Papst Franziskus - ein Pontifex, der regelmäßig und kraftvoll über Ungerechtigkeit, Verfolgung und Konflikte in der ganzen Welt spricht - in Bezug auf China stumm geblieben. Er hat nicht gegen das harte Vorgehen gegen Christen protestiert, er hat den Dalai Lama nicht getroffen, er hat nicht öffentlich des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens gedacht. Die sieben Pfarreien, die mutig genug waren, am 4. Juni Gedenkmessen zu halten, wären zweifellos dankbar, wenn er mehr sagen würde.

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