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Expo 2020 in Dubai: Erfolg steht in den Sternen

Am 1. Oktober soll die EXPO Weltausstellung in Dubai beginnen. Auf der Baustelle herrscht ein Gewimmel wie im Ameisenhaufen.

Die wichtigste Frage vorweg: Sind Massenevents in Zeiten wie diesen überhaupt noch zeitgemäß? Den Organisatoren der Weltausstellung in Dubai ist es egal. Sie trotzen den Umständen der Pandemie und treiben die Bauarbeiten unter Hochdruck voran – damit für den 1. Oktober alles pünktlich angerichtet ist. Dann öffnen sich für Besucher die Tore bis zum 31. März 2022. Das Motto der sechsmonatigen Großveranstaltung im Emirat lautet „Gedanken verbinden, die Zukunft schaffen“.

Surrende Kräne. Röhrende Laster. Metallenes Hämmern. Das ist derzeit der Sound im Südwestteil der Metropole am Persischen Golf: in einem vormaligen Wüstenareal, das der Größe von 600 Fußballfeldern entspricht. Nach der coronabedingten Verschiebung im Vorjahr nimmt die erste Weltausstellung im arabischen Raum nun einen zweiten Anlauf, wobei der Name „Expo 2020“ aus Identitäts- und Markenschutzgründen derselbe geblieben ist. Die drei Schlüsselthemen, jeweils aufgezogen an Großpavillons, lauten Nachhaltigkeit, Mobilität und Chancen. Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, der Herrscher des Emirats Dubai, hat die Messlatte hoch gelegt: „Wir haben der Welt versprochen, 2020 eine außergewöhnliche Expo zu veranstalten. Und heute bekräftigen wir unser Versprechen, dass wir unser Motto verwirklichen, indem wir die Gedanken verbinden, um eine bessere Zukunft zu schaffen.“

Völlig losgelöst

Der Optimismus ist grenzenlos, vollkommen losgelöst von Sorgen um die globale Corona-Krise. „Wir erwarten 25 Millionen Besuche, also nicht Besucher, wegen der Mehrtagestickets“, bekräftigt Camille Renaudin vom PR-Team. Ungebrochen in Planung stehen über 60 Live-Veranstaltungen pro Tag, festliche Umzüge, 200 gastronomische Treffs. Keines der 190 Teilnehmerländer habe bislang zurückgezogen, so Renaudin. Könnte die Expo also eine gigantische Trotzreaktion auf die Pandemie sein und mit Pioniercharakter ein „Seht her, wie es geht“-Signal rund um den Globus aussenden? Renaudin geht so weit zu sagen, dass die Weltausstellung vielleicht sogar das „erste große Post-Covid-Event“ sein könnte. Bis dahin kann allerdings niemand in die Kristallkugel sehen und die Zukunft vorhersagen. Fest steht, dass die verbleibende Zeit den Organisatoren in die Karten spielt – bis Oktober ist es in der Corona-Ära eine halbe Ewigkeit.

Viele Besucher aus dem Ausland erwartet

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Pessimisten könnten in den Raum stellen: Stell dir vor, es ist Expo, und keiner geht hin. Doch Unkenrufe wie diese scheinen unangebracht. Über zwei Drittel der Besucher sollen den Erwartungen nach aus dem Ausland kommen. Dubai praktiziert derzeit durchaus erfolgreich den Umgang mit der Pandemie und Besuchern. Längst hat der Tourismus wieder Fahrt aufgenommen, was einem beständigen Probelauf für die Monate der Weltausstellung gleicht. Es gibt viele Flugankünfte, auch aus Europa, und Reisende, die es trotz der vorläufigen Ausweisung als Hochinzidenzgebiet wagen. Dafür nimmt man den negativen PCR-Test in Kauf, der zur Einreise vorgelegt werden muss. Vor Ort sind Museen, Monumente, Shoppingmalls geöffnet. Hotels und Restaurants verzeichnen starken Zulauf. An Stränden und Strandpromenaden herrscht reger Betrieb. Die Abstands- und Hygienekonzepte scheinen weitgehend zu greifen. Allerorten herrscht Maskenpflicht. In die katholische Kirche St. Mary's kommt man indes nur per digitaler Voranmeldung zu Präsenzmessen.

Markierte Abstände

Das Weltausstellungsareal ist Dubais größte Baustelle und gleicht einem Ameisenhaufen. Überall Wimmelbilder: Arbeiterheere. Kräne. Gerüste. Schutt. Staub. Absperrungen. Die Besucherzentren haben Form angenommen, ebenso der Pavillon der USA mit einer Raketenabschussrampe davor, der Pavillon Spaniens mit einem Türmeensemble aus Orange und Zitronengelb, der Pavillon Österreichs mit einer architektonischen Fusion aus Orient und Okzident. Spaniens Stararchitekt Santiago Calatrava hat den Gastgeberpavillon der Vereinigten Arabischen Emirate mit dynamischen Formen versehen und einmal mehr sein Konto vergoldet. Ein Hingucker ist auch der überkuppelte As Wasl Dome im Zentrum des Areals; dort sollen nach Abschluss der Expo weiterhin Events und Konzerte steigen. Um den futuristischen Pavillon der Nachhaltigkeit gruppieren sich „Energiebäume“ mit Photovoltaikmodulen, die Strom generieren. Davor sind bereits jetzt Desinfektionsmittelspender aufgestellt, die ebenfalls Solarmodule tragen. Auf Böden und Ruhebänken mahnen aufgetragene Markierungen den Mindestabstand von zwei Metern zu Mitmenschen an.

30 Millionen Kosten

Es riecht nach Farbe. Kabel hängen wirr umher. Es wird gehämmert, geschweißt. Frisch eingetroffen ist eine Lieferung Fenster. Noch befindet sich der Deutsche Pavillon im Rohzustand. Mirco F. Amstad behält trotz der Hektik die Ruhe, um alles zu koordinieren. Der 33jährige ist Projektleiter der Schweizer Baufirma, die schon für die Deutschen Pavillons auf den Weltausstellungen von Shanghai (2010) und Mailand (2015) verantwortlich gezeichnet hatte; den Entwurf für Dubai lieferte das Berliner Architekturbüro „Laboratory for Visionary Architecture“.

Durch die coronabedingte Verschiebung seien die Kosten von ursprünglich 23 Millionen auf „knapp 30 Millionen Euro“ gestiegen, so Amstad. Die Last trägt der deutsche Steuerzahler, denn die Verantwortung für den Auftritt liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Die Manpower besteht aus 200 Arbeitern, mehrheitlich Indern, die täglich anrücken und mit einem Henkelmann versorgt werden. Auch das ist typisch Dubai: Die Knochenarbeit im Emirat übernehmen andere, der Ausländeranteil liegt bei 85 Prozent. Corona hat nicht nur Amstad selber vier Wochen außer Gefecht gesetzt, sondern es habe Fälle unter den Arbeitern gegeben. „Aber die sind ja leider sehr leicht austauschbar“, so Amstad. „Viel Kopfzerbrechen“ habe ihm bei der Umsetzung der architektonischen Vorgaben das Vektorfeld unter dem Dach bereitet, das aus 1 200 Stäben und 2 500 Verbindungselementen besteht.

Campus Germany

„Jede Ecke, jeder Raum ist anders“, sagt Amstad über den Deutschen Pavillon, der sich unter dem Titel „Campus Germany“ als Ort des Wissens, des Forschens und des Austauschs präsentieren wird. Die Vielzahl der Baukörper symbolisiert auch den Föderalismus Deutschlands.

Im Fortgang der Arbeiten hat Amstad die Mentalitätsunterschiede in alle Richtungen ausstrahlen sehen. „Die Arbeiter machen blind alles, was man ihnen sagt“, so Amstad und spricht vom „extremen Hierarchie-Denken“ und „großer Unterwürfigkeit“. Konträr hingegen ist das Selbstgefühl der Einheimischen. „In Dubai wird, wie üblich, immer von unten nach oben gebaut, also vom Level Null bis ins fünfzigste Stockwerk, dann vom fünfzigsten ins hundertste“, erzählt er, doch der Deutsche Pavillon basiere auf einem Konzept aus Boxen, die gestapelt sind. „Da muss man raumweise denken und nicht stockwerkweise“, was den Leuten in Dubai extrem schwerfalle. „Das braucht einfach Überzeugungsarbeit“, sagt Amstad und lacht.

Ob allein der Deutsche Pavillon ab Anfang Oktober wirklich drei Millionen Besucher, wie prognostiziert, anlocken wird, steht in den Sternen über dem Wüstenhimmel Dubais.

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