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Claudia Sperlich: „Gott ehren, so viel ich kann“

Durch ein persönliches Gelübde hat die Dichterin und Übersetzerin Claudia Sperlich zu einer Vertiefung ihres Glaubenslebens gefunden.
Claudia Sperlich
Foto: TK | Claudia Sperlich bei einer Autorenlesung in der Pfarrei Herz Jesu.

Ein Gelübde ablegen – das klingt wohl für viele heutige Menschen wie etwas aus einem historischen Roman, wenn nicht sogar aus einem Fantasy-Film. Im christlichen Mittelalter war es keine Seltenheit, dass Menschen ein feierliches Versprechen vor Gott abgaben – dass sie etwa gelobten, eine Wallfahrt oder Pilgerreise anzutreten, eine Kirche oder Kapelle zu errichten, ein Kloster zu stiften. Auch die Oberammergauer Passionsspiele gehen auf ein Gelübde zurück.

„Akt der Hingabe, durch den sich der Christ Gott weiht oder ihm ein gutes Werk verspricht. Durch die Erfüllung seiner Gelübde schenkt er Gott, was er ihm versprochen und geweiht hat.“
Katechismus der katholischen Kirche

Doch das Ablegen von Gelübden ist nicht einfach nur ein Brauch aus der Vergangenheit. Der Katechismus der katholischen Kirche bezeichnet das Gelübde als einen „Akt der Hingabe, durch den sich der Christ Gott weiht oder ihm ein gutes Werk verspricht. Durch die Erfüllung seiner Gelübde schenkt er Gott, was er ihm versprochen und geweiht hat.“ Auch das seit 1983 geltende Kirchenrecht legt Regeln für Gelübde fest. In der Praxis dürften solche Gelübde heutzutage aber, auch unter gläubigen und praktizierenden Katholiken, eher selten geworden sein.

Ein Leben nach „Evangelischen Räten“

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Die Berlinerin Claudia Sperlich ist ein solcher seltener Fall. Seit nunmehr über drei Jahren hat sie sich feierlich dazu verpflichtet, nach den sogenannten „Evangelischen Räten“ – Keuschheit, Armut und Gehorsam – zu leben, täglich an der Heiligen Messe teilzunehmen, mindestens eine halbe Stunde jedes Tages der Anbetung zu widmen – entweder vor dem Tabernakel oder vor dem ausgesetzten Allerheiligen – und mindestens einmal im Monat zur Beichte zu gehen. Ein solches feierlich und öffentlich vor einem Priester abgelegtes Versprechen ist freiwillig, aber bindend: Entbinden könnte sie davon nur der Papst.

Claudia Sperlich lebt und arbeitet als freie Autorin, Übersetzerin und Rezitatorin im Berliner Stadtteil Friedenau. Zu ihren in den vergangenen Jahren erschienenen Buchveröffentlichungen zählt ein Band „Zyklische Sonette“, eine historische Novelle über einen fahrenden Sänger des Mittelalters („Archipoeta – Der Erzdichter“), eine Sammlung neuer Übersetzungen lateinischer Hymnen der Kirche („Hymnarium“), aber auch ein Band teils grotesker, teils phantastisch-dystopischer Erzählungen („Die Befreier“). In allen diesen Werken, so unterschiedlich sie auch sind, ist der tiefe Glaube der Verfasserin und ihre innige Verbundenheit mit der katholischen Kirche spürbar.

Niemand aus ihrer Familie kam zu ihrer Taufe

In die Wiege gelegt war ihr das kaum: Die 1962 geborene Autorin wuchs vollkommen glaubensfern auf, Bibel und christliche Tradition wurden in ihrem Elternhaus lediglich als Bildungsgut und Kulturerbe geschätzt. Mit 21 Jahren ging sie allein auf Wanderurlaub in den Alpen, mit dem Neuen Testament und den Psalmen im Gepäck; sie las darin „aus bildungsbürgerlichem Interesse“, wie sie rückblickend sagt. „Aber dann, eines Morgens bei Sonnenaufgang, wurde mir schlagartig klar: Das, was ich da gelesen habe, ist die Wahrheit.“

Eine überwältigende, zunächst aber durchaus auch verstörende Erkenntnis. Wieder zu Hause, fragt sie erst einmal eine Freundin: „Muss man sich eigentlich taufen lassen, wenn man Christ sein will?“ Ein katholischer Priester, dem sie ihr Bekehrungserlebnis schildert, erklärt unumwunden: „Schön, dann können wir Sie ja zu Ostern taufen.“ Bei Eltern und Geschwistern stößt Claudia Sperlichs unerwartete Hinwendung zum christlichen Glauben nicht auf Sympathie: Niemand aus ihrer Familie kommt zu ihrer Taufe.

Rückblickend, sagt die Autorin, hätte sie sich eine längere, gründlichere, nicht zuletzt auch entschiedener rechtgläubige Taufkatechese gewünscht. Während eines großen Teils ihres Lebens als Katholikin hängt sie, wie sie selbst es formuliert, „den üblichen Irrtümern“ über Fragen der Glaubenslehre und der sakramentalen Ordnung der Kirche an. Dann, im Oktober 2013, erlebt sie im Gebet eine intensive Gotteserfahrung, die sie selbst als „zweite Bekehrung“ beschreibt. „Eine Folge davon war, dass ich die Lehrautorität der Kirche erheblich ernster nehme als zuvor. Eine weitere Folge war ein intensives Bedürfnis nach Gebet und Anbetung – das Bedürfnis, Gott zu ehren, so viel ich kann. Ihm jeden Tag zu sagen, wie sehr ich Ihn liebe.“

Der Eintritt in einen Orden war kein Thema

Mit dem Verlangen nach einer vertieften Gottesbeziehung kommt auch der Wunsch, dieser Beziehung eine definitive Form zu geben. Ein befreundeter Priester rät ihr, über den Eintritt in eine Ordensgemeinschaft nachzudenken. „Aber das konnte ich mir absolut nicht vorstellen. Da geht es mir so ähnlich wie Groucho Marx, als er sagte, er möchte keinem Club angehören, der Leute wie ihn als Mitglieder aufnimmt.“ Schließlich zeichnet sich die Form des persönlichen Gelübdes als der richtige Weg für sie ab. Dem Rat eines alten, weisen Dominikanerpaters folgend, verpflichtet sie sich zunächst nur für den Zeitraum von drei Jahren. Nach dem Ablauf dieser Frist hat sie ihr Gelübde kürzlich, am dritten Adventssonntag 2019, erneuert – und diesmal unbefristet.

Das Gelübde macht sie glücklicher

In einer Kultur, die die Autonomie des Individuums als das höchste aller Güter betrachtet und Freiheit für gleichbedeutend mit möglichst unbegrenzter Optionenvielfalt hält, ist eine solche zwar freiwillige, aber unwiderrufliche Selbstverpflichtung zweifellos ein Zeichen des Widerspruchs. Claudia Sperlich ist jedoch überzeugt, dass gerade diese Form der Hingabe an Gott eine ganz eigene, „nonkonformistische Freiheit“ verleiht, „die ihresgleichen sucht“.

Die Auswirkungen des Gelübdes auf ihr persönliches Leben hat sie jedenfalls als durchweg positiv erlebt: Sie hat dadurch Stärkung im Glauben erfahren, hat an Gottvertrauen und Seelenruhe gewonnen, und dadurch haben sich auch ihre Beziehungen zu anderen Menschen verbessert. Nicht zuletzt, resümiert sie, ist sie durch die tagtägliche Erfüllung ihres Gelübdes schlichtweg „ein glücklicherer Mensch geworden“.

In besonderem Maße gilt das für die tägliche Anbetung. „Egal wie schlecht es mir geht, ob ich den Kopf voll habe mit Sorgen und Problemen, ob ich überhaupt keine Lust zur Anbetung habe und mich dazu zwingen muss: Ich habe es absolut noch nie erlebt, dass die Anbetung mich nicht froh gemacht hätte. Manchmal sitze ich vor dem Tabernakel und bete: Jesus, ich habe dir heute nichts zu sagen, ich kann heute nichts anderes tun, als dir eine halbe Stunde meiner Zeit zu schenken, indem ich einfach nur hier sitze. Selbst an solchen Tagen komme ich erfüllt von Freude von der Anbetung zurück.“

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