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Hochzeitskapelle für Atheisten

Im sächsischen Callenberg können Brautpaare künftig in einer Kapelle heiraten, die nichts mit Religion zu tun hat. Von Benedikt Vallendar
Aufgewachsen ohne christlichen Glauben: Vivienne und Tino Taubert – Eheleute und Bauherren der Hochzeitskapelle Callenberg.

Was den einen ihre Modelleisenbahn, ist den Eheleuten Vivienne (40) und Tino Taubert (53) ihre Kapelle. Und das, obgleich sie „mit der Kirche nicht viel am Hut“ haben, wie sie sagen. Mitten auf dem Land, in Callenberg, einem kleinen Seelendorf nahe Zwickau, haben sie sich den lang gehegten Traum von einer eigenen Kapelle verwirklicht. „Kulturgeschichtlich“ passe sie gut in die Landschaft, sagen Tauberts und verweisen auf die vielen anderen Kirchen und Kapellen, die die Region seit Jahrhunderten prägen. Daher würden auch Bezeichnungen wie „Hochzeitsmoschee“, „Tempel“ oder „Synagoge“ kaum zu dem passen, was sie in jahrelanger Kleinarbeit mit Freunden, Architekten und Händlern für antike Baustoffe durchgeplant haben. Vor wenigen Wochen war Richtfest, und wo bei christlichen Kapellen auf der Turmspitze ein Kreuz prangt, haben Tauberts eine schmiedeeiserne Wetterfahne aufsetzen lassen. Künftig wollen sie in ihrer Kapelle Hochzeiten anbieten, das übliche Programm, bestehend aus standesamtlicher Trauung, Musik und Kuchenbuffet im hauseigenen Garten, wie es sinngemäß auf ihrer Homepage hochzeitskapelle-callenberg.de heißt. Im November soll es losgehen, und schon jetzt liegen viele Anfragen vor, heißt es. Mehr als 750 000 Euro haben Tino Taubert, am Dresdener Konservatorium examinierter Popular-Musiker und seine Frau Vivienne, eine Sängerin und Moderatorin, in das Objekt investiert. Sie geben sich betont optimistisch, ebenso ihre Geldgeber, darunter der Freistaat Sachsen, der das Objekt mit einer sechzigprozentigen Bürgschaft abgesichert hat. Offenbar mit allen Mitteln versucht der Freistaat den ländlichen Raum zu stärken, auch wenn die Gelder für Callenberg erst nach einem umfangreichen Businessplan genehmigt wurden. Seit elf Jahren singen und musizieren Tauberts landauf landab auf Firmenfeiern, Jubiläen und Hochzeiten, die das Künstlerduo als Marktlücke für sich entdeckt hat. „Allein in unserer Region geben sich jedes Jahr fast zweitausend Brautpaare das Ja-Wort“, sagt Vivienne Taubert. „Wenn wir von denen hundert als Kunden gewinnen, trägt sich die Investition.“ Tauberts denken pragmatisch, an die Zukunft ihrer Familie, und dass sie als freiberufliche Künstler nur eine kleine, staatliche Rente beziehen werden, wenn überhaupt. „Die Kapelle ist ein wichtiges finanzielles Standbein“, bestreitet Tino Taubert nicht die pekuniären Interessen, die für ihn ausschlaggebend gewesen seien. Denn weder er noch seine Frau wollen, wie sie sagen, „mit sechzig noch auf der Bühne stehen müssen“.

Nach außen hin sieht die Callenberger Kapelle aus wie eine kleine Kirche im Renaissancestil, hat aber rein gar „nix mit Religion zu tun“, wie die Bauherrn wiederholt betonen. Sie wollen und müssen Geld verdienen, sagen sie, und reagieren mit Unverständnis auf verhaltene Kritik aus den etablierten Kirchen. „Wir haben nichts gegen die Kirche und sind offen für alle Menschen“, sagt Tino Taubert, der die Aufregung nicht recht versteht und immer wieder von Toleranz spricht, die er und seine Frau vermissen würden. Doch namentlich will sich weder auf katholischer noch auf evangelischer Leitungseben jemand zu dem Projekt in Callenberg äußern. „Albern“, „total bescheuert“ und „nicht der Rede wert“, so lautet der Tenor in den Presseabteilungen der angefragten Bistümer und Landeskirchen über das Callenberger Kapellenprojekt. Ein katholischer Radiosender in Köln bezeichnete die Callenberger Kapelle kürzlich gar als „vegane Wurst“, die dort verkauft werden solle.

Mit Christen haben sie gute Erfahrungen gemacht

„Die Kirchen haben kein Copyright auf die Insignien ihres Tuns“, sagt hingegen Tino Taubert, der den Glauben an einen Gott von jeher für eine Illusion der Menschheit und das Wort „Kapelle“ mitnichten für ein christliches Markenzeichen hält. Dass die Callenberger Kapelle eine Mogelpackung sei und Menschen in ihren religiösen Gefühlen verletzten könne, bestreitet Taubert, wohl weil ihm transzendente Gedankenspiele immer suspekt gewesen sind. Religion hat in seinem und im Leben seiner Frau nie eine Rolle gespielt, gleichwohl Vivienne Taubert der Meinung ist, dass es da „etwas geben müsse“ zwischen Himmel und Erde, das sie aber weder mit Gott und schon gar nicht mit der Kirche in Verbindung bringen wolle.

Tauberts wuchsen in der DDR auf, wo Christen als Exoten galten und mancherorts Repressalien erlitten. Als der SED-Staat 1989 zusammenbrach, war Tino Taubert Student mit verweigerter Offizierslaufbahn bei der NVA, während seine Frau noch zur Schule ging und sich für Musik und Gesang interessierte. Einen Religionsunterricht haben beide nie besucht. Dessen ungeachtet hat Tino Taubert als junger Mann auch „viele gute Erfahrungen mit Christen“ gemacht, sagt er. Einmal, als die Mauer noch stand, habe ihn ein Klassenkamerad zu einem Gemeindefest eingeladen, und noch heute erinnert sich Tino Taubert an den herzlichen Empfang, der ihm dort bereitet wurde, gleichwohl er sich nie dazugehörig fühlte und bis heute keiner Kirche beigetreten ist.

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