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Bonner Münster: Renovierungsarbeiten nähern sich dem Ende

Mit Gott in Berührung kommen: Die Renovierungsarbeiten am Bonner Münster nähern sich dem Ende.

Achtung! Wertvoller Altar!“ steht in dicken Lettern auf dem Papierbogen, der auf die weiße Folie aufgeklebt ist. Was sich dahinter verbirgt, lässt sich beim Blick nach oben erahnen: Zwei Engel aus Alabaster neben einem Kreuz im Strahlenkranz bekrönen das noch weitestgehend verpackte und gesicherte Retabel. Das soll sich bis Ende des Jahres ändern. Wenn die Besucher dann durch das Portal des renovierten Bonner Münsters eintreten – wie bei vielen romanischen Kirchen üblich, befindet es sich an der Seite -, fällt der Blick genau auf diesen Altar, der den Bonner Stadtpatronen Cassius und Florentius gewidmet ist.

Ein Retabel aus Alabaster

Dieses Retabel aus Alabaster ist eines von insgesamt sieben Altären, die vorwiegend aus dem luziden, leuchtenden Mineral gefertigt worden sind, das insbesondere in der Renaissance und frühen Barockzeit als beliebtes Gestaltungselement verwendet wurde. Bei den sechs in dieser Art gestalteten Altären handelt es sich um das größte Alabasterensemble diesseits der Alpen und den kunsthistorisch wohl bedeutendsten Bestand der päpstlichen Basilika minor. Ursprünglich waren es sogar acht Altäre, einer steht nun in Wuppertal. Wenn Ende des Jahres die Restaurierung des Gotteshauses im Herzen der Bundesstadt nach über fünf Jahren weitestgehend abgeschlossen ist, werden die Altäre wieder im Kircheninneren erstrahlen.

Zu Beginn der Arbeiten sah das noch ganz anders aus. Das wertvolle poröse Material war in den zurückliegenden Jahrhunderten so nachgedunkelt, dass sich teilweise nicht mehr erkennen ließ, wer oder was da eigentlich mit welchem Material dargestellt wird. „Bei den Reinigungsarbeiten am Altar der Stadtpatrone wurde auf einmal eine Ansicht auf das Bonn des 17. Jahrhunderts sichtbar“, erzählt der seit zwei Jahren amtierende Hausherr des Münsters, Stadtdechant Wolfgang Picken.

Einsatz von Lasertechnik

Dass es überhaupt möglich geworden ist, die Altäre zu reinigen und die Gestaltung mit Alabaster wieder sichtbar zu machen, ohne dabei das Mineral zu schädigen, liegt an einem besonderen Verfahren: der Einsatz von Lasertechnik. Dabei trifft Licht berührungslos auf die verschmutzte Oberfläche. Die Verschmutzung absorbiert das Licht, Energie wird aufgenommen und Ruß sowie Schmutz dehnen sich aus. Die Schicht darunter reflektiert das Licht, bleibt aber kalt. Dadurch platzen die Verschmutzungen ab und lassen sich dann schonend und zerstörungsfrei abnehmen. „Die Altäre werden eine großartige Wirkung entfalten“, ist Wolfgang Picken zuversichtlich.

Bald wieder für die Liturgie geöffnet

Wer sich von dem Geistlichen auf einem Weg über die zahlreichen unterschiedlichen Baumaßnahmen im Inneren und Äußeren des Gotteshauses führen lässt, so wie dieser Tage die Diözesangruppe Bonn des Bundes Katholischer Unternehmer, spürt die ansteckende Begeisterung und vor allem Zuversicht des 54-Jährigen.

Das war nicht immer so. In den zurückliegenden Jahren gab es immer wieder einmal Momente auf der derzeit umfangreichsten Baustelle des Erzbistums Köln, an denen nicht nur Picken zweifelte, „ob wir das wirklich alles schaffen“. Mit einem gewinnenden Lächeln sagt er nun: „Ich bin total entspannt, mein Herz schlägt ruhig.“ Intensiv hat sich der eloquente Priester in die Thematik der Generalsanierung eingearbeitet und sich höchst sachkundig in das Baustellenmanagement des rund 23 Millionen Euro teuren Renovierungsvorhabens eingebracht. Eine seiner den Baufortschritt wesentlich beförderten Maßnahmen war es, die Innen- von der Außensanierung an diesem seit Jahrhunderten bestehenden geistlichen Zentrum der Beethovenstadt zu entkoppeln.

So wird das Bonner Münster, das neben den Stadtpatronen das Patronat des Heiligen Martin umfasst, Ende dieses Jahres wieder für die Öffentlichkeit und vor allem für das geistliche Leben sowie die Liturgie vollständig verfügbar und zugänglich sein. Die Außenarbeiten werden sich aber noch mindestens eineinhalb Jahre hinziehen. Dabei geht es in erster Linie um das Ersetzen von Steinen. Fast 80 Prozent der am Münster verbauten Steine unterschiedlicher Herkunft und Beschaffenheit müssen ausgetauscht werden. Die ursprüngliche Prognose lag um ein Vielfaches darunter.

Fast 1 000 Jahre alte ehemalige Stiftskirche

Im Inneren lässt sich schon jetzt an vielen Positionen jener prachtvolle und originelle Eindruck erleben, der die fast 1 000 Jahre alte ehemalige Stiftskirche mit dem markanten über 80 Meter hohen Vierungstum über dem Grab der Stadtpatrone auszeichnet. Die Chorgestühle und Figuren aus Holz beispielsweise wurden mit Staubsaugern grob vorgereinigt und danach mit einer speziellen Feuchtreinigung bearbeitet. So wurden nicht nur die Schönheit des Eichenholzes wieder sichtbar, sondern auch die Farbtöne der Schellackgrundierung vertieft. Das Langhaus ist weitestgehend fertiggestellt. Durch die Obergadenfenster fällt das Tageslicht und legt die frisch restaurierten Strukturen und Ausmalungen im Gewölbe besonders plastisch frei. Auf der Orgelempore wartet die hinter hoch aufragenden Baugerüsten umfangreich durch Folien und Holzverschalungen gesicherte Königin der Instrumente mit ihren über 5 000 Pfeifen darauf, wieder ausgepackt und zum Klingen gebracht zu werden.

Das soll am 1. November der Fall sein, wenn der Innenraum der unter Ensembleschutz stehenden Basilika wiedereröffnet wird. Stadtdechant Picken hofft darauf, dass nicht nur das diesjährige Allerheiligenfest einen herausragenden und nachhaltigen geistlichen Impuls in die Stadt aussenden wird. Denn der erste bedeutende Schritt der Wiedereröffnung wird zunächst die am 3. Oktober beginnende Festwoche mit Einladung zum Pilgerweg zu Ehren der Stadtpatrone sein.

Reliquien kommen zurück

Dann werden die wegen der Restaurierung in eine andere Bonner Kirche ausgelagerten Reliquien der Heiligen, die im dritten Jahrhundert in Bonn als Angehörige der Thebäischen Legion stationiert waren und dort mit zahlreichen Gefährten den Märtyrertod fanden, in Prozession wieder in die Basilika überführt. Ihre Gruft befindet sich in der fast 1 000 Jahre alten Krypta. Trotz noch laufender Baumaßnahmen werden Besucher schon jetzt von der außerordentlichen Raumwirkung dieses Jahrhunderte alten geistlichen Kraftzentrums ergriffen. „Ich möchte die Krypta eigentlich so lange wie möglich an jedem Tag der Woche öffnen“, sagt der Stadtdechant und weist über die Treppenstufen zu der unauffälligen Tür im Mauerwerk. „Die Menschen können künftig direkt von der Fußgängerzone aus hier in diesen zentralen Ort der Liturgie hinabsteigen.“

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Das können Gläubige und interessierte Besucher seit Fronleichnam bereits an anderer Stelle. Durch eine ebenfalls unauffällige Tür an der Seite der Kirche gibt es die Möglichkeit, direkt in den Kreuzgang einzutreten. Wer aus der eher lärmigen Innenstadt durch die Tür geht, steht dann auf einmal mitten in dem 900 Jahre alten romanischen Kreuzgang. Dort findet die Festwoche am 10. Oktober ihren feierlichen Abschluss. Es handelt sich dabei um den größten vollständig erhaltenen romanischen Arkadenumgang nördlich der Alpen, der sich an die Basilika anlehnt und zu drei Seiten einen paradiesisch anmutenden Garten einfasst. Die mittelalterlichen Wegestrukturen wurden wiederhergestellt, Beete mit weißen Lilien sowie weißen Rosen angelegt und mit sogenannten winterharten Bibelpflanzen wie Hirse und Lavendel bepflanzt. „Wer hierher kommt, kommt mit sich selbst und dann vielleicht auch mit Gott in Berührung“, hofft Picken auf die Kraft dieses Ortes, der alle wesentlichen Dimensionen der menschlichen Existenz anspricht und ein Gefühl davon vermitteln mag, „wie wir uns im Diesseits schon dem Jenseits annähern können“.

„Was führt uns wieder zur kirchlichen Einheit?“

Denn neben den Antworten und Entscheidungen auf die Fragen im Zusammenhang mit der Generalsanierung sind es nun insbesondere die Aspekte der kirchlichen Rahmenbedingungen des geistlichen Lebens am Bonner Münster, die Wolfgang Picken und das Seelsorgeteam ebenso intensiv seit Langem betrachten. „Was führt uns zu einer inneren geistlichen Einheit? Wie gestalten wir das tägliche seelsorgerische Leben?“, nennt der Geistliche als Beispiele für die Revitalisierung des geistlichen Lebens und Erlebens. Er ergänzt: „Wie füllen wir besondere Phasen des Kirchenjahres wie Advent oder Fastenzeit aus? Welche Themen stellen wir in den Kirchenraum oder lassen sich mit dem Kirchenraum verbinden?“ Schließlich seien die Menschen über fünf Jahre an dieser Kirche vorbeigegangen. „Nun müssen wir sie wieder hineinbekommen.“ Aber auch hier ist Picken zuversichtlich. Denn neben Gottes Beistand erfährt er schon jetzt ein großes Interesse sowie Kooperationsbereitschaft vieler relevanter gesellschaftlicher Gruppen und Akteure in der Bundesstadt, die erwartungsvoll auf die baldige Eröffnung des Münsters als ein Zentrum des Glaubens hoffen.

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