Ich soll heute hier die Rede halten zum jährlichen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Doch nicht als Historiker spreche ich, sondern als ein Zeitzeuge, genauer: als Überlebender des Warschauer Ghettos. 1938 war ich aus Berlin nach Polen deportiert worden. Bis 1940 machten die Nationalsozialisten aus einem Warschauer Stadtteil den von ihnen später sogenannten „jüdischen Wohnbezirk“. Dort lebten meine Eltern, mein Bruder und schließlich ich selber. Dort habe ich meine Frau kennengelernt.
„ ... wird erschossen“
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (91) hat gestern im Bundestag die Rede zum Holocaust-Gedenktag gehalten. Jährlich wird am 27. Januar, dem Datum der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz 1945, der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Reich-Ranicki erzählte im nicht voll besetzten deutschen Parlament über den 22. Juli 1942, dem Beginn der Deportationen der Juden aus dem Warschauer Ghetto in die Vernichtungslager. Er musste damals die entsprechenden Ausführungen des SS-Sturmbannführers Hermann Höfles protokollieren und ins Polnische übersetzen, die dann überall im Warschauer Ghetto plakatiert wurden. „Die Tagespost“ dokumentiert die gestrige Rede Reich-Ranickis im schriftlich vorliegenden Wortlaut.