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Was geht uns der Tod an?

Bedeutungslos oder Kern lebenslangen Lernens: Am Umgang mit dem Tod scheiden sich die Geister.
Totenschädel in der Katholischen Kirche in Ntarama
Foto: epa Stephen Morrison (EPA) | Eine Jesus-Figur von einem Rosenkranz liegt auf Totenschädeln in der Katholischen Kirche in Ntarama. Foto: Stephen Morrison/epa/dpa

Zum Menschsein gehört die Auseinandersetzung mit dem Sterben und die Vorbereitung auf den Tod. Dennoch: Das Thema „Sterben und Tod“ wird heute gemeinhin verdrängt. Oder, um es mit Prälat Wilhelm Imkamp zu sagen: „Der Tod ist heute weitgehend outgesourct. Gestorben wird in Kliniken oder Hospizen. So wird der Tod aus dem Alltag verdrängt. Menschen denken nicht daran – und weil sie nicht daran denken, können sie sich auch nicht darauf vorbereiten. So wird der Tod nicht mehr als ein normaler Bestandteil des Lebens, sondern überhaupt nicht mehr gesehen.“

Sterben und Tod: Verdrängt, vergessen, übersehen

Die Einschätzung Imkamps im „Tagespost“-Interview beschreibt eine Umgangsform, die in der Moderne zum Habitus der Mehrheit wurde, die ihren Ursprung aber in der Antike hat. Den Tod „outzusourcen“, das ist nicht neu – weder was die ontologische Voraussetzung einer solchen Haltung betrifft, den Materialismus, noch, was dessen Konsequenzen in der Praxis angeht: die Verdrängung von Sterben und Tod als Lebensthema, das Vergessen. Bereits vor 2300 Jahren tritt uns die Negation des Todes-Topos deutlich entgegen, vor allem bei Epikur, der die atomistische Lehre des Ur-Materialisten Demokrit übernahm, eine hedonistische, auf die Lust im Hier und Jetzt reduzierte Ethik entwickelte und – dazu passend – dem irgendwie unangenehmen Todesgedanken die Relevanz absprach.

Platon: Philosophieren heißt, das Sterben zu lernen

Anders Platon. Er nimmt dem Tod seinen Schrecken dadurch, dass er die Unterwelt, den Hades, vom Furchtort („a-idés“, der Unsichtbare) zum Lernort („eidénai“, wissen) umdeutet. Vom Ort des Schreckens und der Strafe wird er zum Ort des Weiter-Lernens und damit der Selbstoptimierung über den Tod hinaus.

Da unser Wissen um den Tod eine Auseinandersetzung mit dem Sterben ermöglicht, kann Platon von einem solchen teleologischen Bezug sprechen und die favorisierte philosophische Lebensform, durch die der Mensch das Wahre, Gute und Schöne erkennt, an die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Sterben und Tod knüpfen. Dies gipfelt in der Meinung Platons, alle Philosophie diene letztlich dazu, sich auf den Tod vorzubereiten, sei „Sterbensübung“.

DT

Welche Bedeutung Epikurs Denken für die Ideengeschichte dennoch hatte und was wir heute von Platon lernen können, erfahren Sie im Essay von Josef Bordat. Lesen Sie diesen in der „Tagespost“ vom 8. November 2018.

Themen & Autoren
Demokrit Epikur Platon Tod und Trauer

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