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Medienwissenschaftler Bolz beklagt Gesinnungsjournalismus

Begriffe wie „Staatsfunk“ oder „Lückenpresse“ hält der Medienwissenschaftler Norbert Bolz heute für nicht abwegig. Ziel vieler Journalisten sei es nicht, zu informieren, sondern die Welt vor dem Bösen zu retten.
Norbert Bolz kritisiert Medien
Foto: Soeren Stache (dpa) | Aus dem alten Meinungsjournalismus, den es immer schon gegeben habe, sei ein Gesinnungsjournalismus geworden, beklagt der Medienwissenschaftler Bolz.

Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz übt entschieden Kritik an den deutschen Medien. Eine Art „Merkelismus“ habe schon seit vielen Jahren den gesamten Mainstream-Journalismus erfasst, so der 65-Jährige, der Medienwissenschaften an der TU Berlin lehrt, im Gespräch mit dem ehemaligen „Handelsblatt“-Herausgeber Gabor Steingart. Aus dem alten Meinungsjournalismus, den es immer schon gegeben habe, sei ein Gesinnungsjournalismus geworden, dem es gar nicht mehr darum gehe, über die Welt zu informieren „sondern die Welt zu retten vor dem Bösen“.

Selbstmissverständnis unter Journalisten in Deutschland

In Deutschland herrsche vor allen Dingen ein grundsätzliches Selbstmissverständnis unter vielen Journalisten, behauptet Bolz am Telefon in Steingarts Podcast-Sendung. Viele würden die angelsächsische Tradition übernehmen und die klassische Trennung von Information und Meinung nicht mehr mitmachen wollen. „Zum ersten Mal ist es in Deutschland so, dass die Journalisten, die ja von Haus aus eher regierungskritisch sein sollten, also eine Art Kontrollfunktion haben sollten, sich seit vielen Jahren mehrheitlich auf der Propaganda-Seite der Regierung befinden.“ Feindbilder seien Trump, die AfD und „alle alten weißen Männer. Und eigenartigerweiße sind da gerade die intelligenten Journalisten nicht davor gefeit“.

Allein schon der Gedanke, ob eine Information über einen Sachverhalt bei den Bürgern zu Reaktionen führen könnte, die nicht im Sinne der Regierung oder im Sinne der Sittlichkeit sind, hält der Medienwissenschaftler für eine Überlegung, die ein Journalist gerade nicht anstellen sollte. Denn diese zeuge davon, „dass man die Bürger für unverantwortlich hält, dass man sie für eine manipulierbare Masse hält und dass man diese Leute kontrollieren muss in ihrer Meinungsbildung“.

Bolz: Man traut den Bürgern nicht mehr zu, sich eigene Meinung zu bilden

In diesem Umgang mit den Rezipienten sieht Bolz genau das Gegenteil dessen, was eigentlich der Auftrag des Journalisten sei, „nämlich tatsächlich zu informieren. Da wird er zum Oberlehrer, weil er gar nicht glaubt, es mit erwachsenen Menschen zu tun zu haben“. Ein großes Problem von Regierung und Medien in der heutigen Zeit sei es, dass man die Bürger an der Hand nehmen wolle, „von der Wiege bis zur Bahre. Man traut den Bürgern nicht mehr zu, dass sie sich eine eigene Meinung bilden. Und das halte ich für hochbedenklich“.

Gleichzeitig erklärt Bolz, dass er häufig alternative Informationsquellen nutze. „Und das sind Informationsquellen anderer Journalisten, Leute, die wirklich noch was drauf haben, die noch ihr Ethos kennen.“ Von denen sei er radikal abhängig – wie jeder andere, der sich gegen momentane journalistische Trends wehre. Bolz betont, dass er keinesfalls pauschalisieren wolle. „Ich will nur darauf hinweisen, dass es so etwas wie Mainstream-Journalismus heute gibt, dass auch so ein böses Wort wie Staatsfunk im Blick auf öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht mehr ganz so abwegig ist. Und dass auch so böse Worte wie Lückenpresse nicht ganz gegenstandslos sind.“

Bolz: Nutze soziale Medien "sehr sehr stark" zur Information

Darüber hinaus weist Bolz darauf hin, dass er häufig die sozialen Medien zur Information nutze. „Ich lebe sehr sehr stark von dem, was die sozialen Medien bieten. Ich bilde mir auch ein, da ganz intelligente Filter eingebaut zu haben, um von dem Wahnsinn nicht erschlagen zu werden, den es eben da auch gibt.“

Auf die Frage, wie Bolz es schaffe Filter einzubauen, die dafür sorgten, dass er nicht nur in seiner eigenen Meinung bestätigt werde, antwortet der Medienwissenschaftler: „Das ist allerdings ein guter Einwand. Da kann ich nie sicher sein. Ich kann nur Filter einbauen, die verhindern, dass ich von Blödsinn überflutet werde.“ Auch er lebe in einer Filterblase, höre sich aber dennoch noch andere Nachrichtensendungen an. „Also kein Grund zum Kulturpessimismus“, so Bolz.

DT/mlu

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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