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Ist Mehrheit die neue Wahrheit?

Josef Bordat über die Folgen der Hybris einer gescheiterten wissenschaftlichen Weltsicht.
Mehrheitsprinzip
Foto: dpa | Mehrheitsprinzip bei der Wahrheitssuche?

Wahrheit erscheint vielen Menschen verzichtbar. Doch das ist ein Irrtum. Weil die Moderne Werte an Argumente und Wissen und nicht an Autorität und Tradition bindet, ist sie auf eine erkenntnistheoretische Einigung angewiesen. Diese kann aber ohne verbindliche Regeln für den diskursiven (und möglichst herrschaftsfreien) Einigungsprozess nicht erzielt werden. Soweit die Ausgangsthese in Bordats Essay, aus der er nun die Schlussfolgerungen zieht.

Zunächst gelte: Wenn nun in diesem nicht auf Übersubjektives verwiesen werden darf, also auf Erkenntnisquellen wie das Gebot Gottes oder das Naturrecht, sondern allein das intersubjektiv Geteilte gelten soll, wird die gewünschte Einigung durch die neue Autorität der Mehrheit herbeigeführt. Dieses Verfahren allein wird heute als „vernünftig“ betrachtet.

Der Befund, der sich daraus ergibt, sei eindeutig: Der epistemologische Relativismus, der aus dem gescheiterten szientistischen Projekt einer „wissenschaftlichen Weltsicht“ (Wiener Kreis) folgt, stößt die Tür zum ethischen Relativismus weit auf, wenn und soweit eine Bezugnahme auf die Werte des Christentums selbst unter der Bedingung abgelehnt wird, dass diese nur noch als rein funktionalistische Klammer erscheint.

Dies wiederum hat zur Folge: Die angestrebte Einigung über die „Einheitswissenschaft“ (Carnap) ist in weiter Ferne, die tradierte Klammer nicht mehr verfügbar – man hatte sie in einem unhinterfragten Fortschrittsoptimismus über Bord geworfen, ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass man keinen adäquaten Ersatz parat hat.

Daraus, so Bordat, ergebe sich schließlich eine Gefahr für alle gesellschaftlichen Debatten: So wie wir in der Epistemologie „Bestätigungsfähigkeit“ für „Wahrheit“ eingesetzt haben, setzen wir in der Ethik „Mehrheit“ für „Wahrheit“ ein. Eine Gesellschaft aber, die keine Differenz zwischen Mehrheit und Wahrheit macht, nimmt sich die Möglichkeit zur Selbstkorrektur, wenn die Mehrheit irrt.

Den ausführlichen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Tagespost vom 24. Mai 2018.

DT (jbj)

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