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Hans Mathias Kepplinger: Entfremdung von meinungsmächtiger Elite

Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger ist der Ansicht, dass die Schere zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung immer weiter auseinander geht. Zudem beklagt er eine zunehmende Tabuisierung bestimmter Themen.
Donald Trump und die Medien
Foto: dpa | In der Auseinandersetzung mit US-Präsident Trump wandelten sich Medien wie die renommierte "New York Times" zu Kampforganisationen, meint Kepplinger. Auch deutsche Medien erliegen der aktivistischen Versuchung.

Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger ist der Ansicht, dass die Schere zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung immer weiter auseinander geht. „Es gibt eine Entfremdung zwischen der meinungsmächtigen Elite und der Mehrheit der Bevölkerung“, meint Kepplinger im Gespräch mit der „Tagespost“. Im Jahr 1976 hätten in Deutschland 42 Prozent der Bevölkerung die SPD gewählt, und 55 Prozent der Journalisten. „Der Abstand war relativ klein.“ 2005 hätten mit 36 Prozent die meisten Journalisten die Grünen gewählt, aber nur acht Prozent der Gesamtbevölkerung. „Der Abstand war jetzt mehr als doppelt so groß“, so Kepplinger.

Zunehmende Tabuisierung ist zentrales Problem

Hinzu komme, dass in Deutschland nur 6 000 bis 8 000 Journalisten, die täglich miteinander kommunizierten, die politische Berichterstattung bestimmten. „Durch diese Orientierung aneinander entstehen festgefügte Sichtweisen, die sie für die einzig sachlich richtige und moralisch vertretbare Haltung halten.“

Ein zentrales Problem des heutigen Journalismus sieht der emeritierte Professor in einer zunehmenden Tabuisierung. Ein jüngstes Beispiel sei in Beitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“, in dem der Sinn der privaten Seenotrettung infrage gestellt wurde. „Schon die Frage, ob die private Seenotrettung sinnvoll ist, wird ja schon tabuisiert“, beklagt Kepplinger. Das sei eine ungewollte Absage an ein Grundprinzip des Liberalismus.

  

"De-Professionalisierung" des Journalismus

Für eine liberale Demokratie sei dies höchst gefährlich, „denn sie beruht auf der Forderung, dass alle nicht strafbaren Positionen diskutiert werden können“. In dem konkreten Fall gehe es jedoch schlicht um Macht und Diskursbeherrschung. Dies sei in der ganzen westlichen Welt feszustellen, so  der Kommunikationswissenschaftler. Ein besonders krasses Beispiel seien die USA. „Große Medien wie die ,New York Times' oder die ,Washington Post' sind in der Berichterstattung über den Präsidenten von neutralen Medien zu Kampforganisationen geworden. Journalisten werden von Beobachtern zu Akteuren.“ Hier finde eine De-Professionalisierung statt.

Zur Person Hans Mathias Kepplinger

Kepplinger wurde im Jahr 1943 geboren und war Professor für Empirische Kommunikationswissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Dort war er am Institut für Publizistik tätig. Er zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Kommunikationswissenschaftlern in Deutschland. Darüber hinaus veröffentlichte er zahlreiche wissenschaftliche Publikationen.

Tabuisierung, De-Professionalisierung, Diskursbeherrschung: Der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger zeichnet ein düsteres Bild vom Zustand des heutigen Journalismus. Lesen Sie das komplette Interview in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 26. Juli. Kostenlos erhalten Sie diese Ausgabe hier.
 

DT/mlu

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