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Träume vom Himmel

Auferstehung in Literatur und Dichtung. Von Ilka Scheidgen
"In Christus ist auferstanden die Welt, der Himmel, die Erde." (Hl. Ambrosius)
Foto: IN | „In Christus ist auferstanden die Welt, der Himmel, die Erde.“ (Hl. Ambrosius)

Ostern feiern Christen in aller Welt seit 2000 Jahren das Fest der Auferstehung Jesu von den Toten. Und an jedem Sonntag bekennen sie in den Gottesdiensten rund um den Globus: „Wir glauben an die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt“. Die zentralste Botschaft des Christentums, die von der Auferweckung des gekreuzigten Christus, ist das konstituierende Movens einer Hoffnung, die aus eben dieser ihre Beglaubigung erhält.

Interessanterweise wird sowohl in den Evangelien als auch in den Briefen des Neuen Testaments nirgends die eigentliche Auferstehung Jesu beschrieben. Sie erfährt ihre Beglaubigung aber durch das Zeugnis derjenigen, denen Jesus nach seinem Tod am Kreuze erschienen ist. Will man sich nun auf die Suche begeben nach literarischen Zeugnissen im Verlaufe der Jahrhunderte, so stößt man sehr schnell an seine Grenzen und stellt verwundert fest, dass es im Gegensatz zur bildenden Kunst nur wenige direkte Auseinandersetzungen mit diesem Thema gibt, es sei denn im Rahmen von Romanen, die sich mit dem Leben Jesu beschäftigen. Selbstredend, dass es eine Fülle an erzählerischen Texten für Kinder gibt und natürlich eine Vielzahl an theologischen Büchern, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.

In der bildenden Kunst wird der auferstandene Christus meistens als verklärter, über dem Grab schwebender oder dem Grab entsteigender Heroe dargestellt, so bei Mathias Grünewald, bei Rafael und Michelangelo oder Meistern des Mittelalters. Offenbar ist es für Dichter und Schriftsteller ungleich schwieriger, sich Jesus als einen vom Tode auferstandenen Menschen vorzustellen und zu beschreiben.

Aber es gibt einige wenige Beispiele, in denen die Auferstehung, manchmal metaphorisch, manchmal sogar wortwörtlich behandelt wird. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Gedicht „Auferstehung“ von Marie-Luise Kaschnitz (1901–1974). Es handelt nicht von der Auferweckung Jesu, sondern von der jedem Menschen grundsätzlichen Möglichkeit einer Auferstehung. Die Trauer über den Tod ihres Mannes ließ die Dichterin diese Verse schreiben: „Manchmal stehen wir auf/ Stehen zur Auferstehung auf / Mitten am Tage/ Mit unserem lebenden Haar/ Mit unserer atmenden Haut.// Nur das Gewohnte ist um uns./ Keine Fata Morgana von Palmen/ Mit weidenden Löwen / Und sanften Wölfen.// Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken/ Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.// Und dennoch leicht/ Und dennoch unverwundbar/ Geordnet in geheimnisvolle Ordnung/ Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.“

Und auch auf die Frage nach einem Leben nach dem Tod fand die Dichterin eine sehr persönliche Antwort: „Glauben Sie fragte man mich/ An ein Leben nach dem Tode/ Und ich antwortete: Ja/ Aber dann wusste ich/ Keine Auskunft zu geben/ Wie das aussehen sollte/ dort/…/ Nur Liebe frei gewordne/ Niemals aufgezehrte/ Mich überflutend.“

Mit der Schriftstellerin Luise Rinser (1911–2002) hat sich Kaschnitz über eben jene Frage nach einem Leben nach dem Tode – also nach der Auferstehung – unterhalten und von jener eine positive Antwort erhalten. Luise Rinser hat sich in ihrem Roman „Mirjam“ auch des Themas angenommen. Es erzählt das Leben Jesu und seiner Jünger, sein Wirken während seiner drei öffentlichen Jahre bis hin zu seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung aus der Sicht der Maria (Mirjam) aus Magdala, einer Jüngerin im Kreise der engen Jüngerschaft um den Rabbi Jesu (Jeschua). Die Szenen sind einem aus den Evangelien vertraut. Rinser erzählt auch in einem durchaus biblischen Ton. Doch Mirjam wird zur Projektionsfigur ihrer Schöpferin. Sie kann mithin Fragen und Zweifel, Gespräche unter den Jüngern über Erwartungen an den oft unverstandenen Meister, in der Erzählung unterbringen, ohne dass diese wesensfremd wirken. Die Autorin wollte mit diesem Roman ihre eigenen tiefsten Überzeugungen, ihre Hoffnungen und Träume von einer gelingenden Welt, wenn man dem Liebesgebot des Nazareners folgt, zum Ausdruck bringen und Menschen für die Botschaft des Jeschua begeistern. Die Mirjam, die als eine der wenigen seiner Anhänger Jesus bis unters Kreuz folgte, nur begleitet von dem Jünger Johannes und der Mutter Jesu. Und die als erste Jesus als Auferstandenen sah. Und so auch erhielt Mirjam (nach Luise Rinser) von Jesus den Auftrag, vom Friedensreich zu verkünden. „Dies ist mein Auftrag an dich: Lehre die Einheit alles Lebendigen, lehre die Liebe.“ Denn: „Wer liebt, lebt schon hier und jetzt im Friedenreich. Das ist die Lösung aller Fragen.“

Mehr im metaphorischen Sinne behandelt der berühmte Roman von Lew Tolstoi (1828–1910) mit dem Titel „Auferstehung“ dieses Thema. Tolstoi beschreibt einen Mann, der schuldig geworden, durch eine radikale Lebensänderung im christlichen Sinne aus seiner Schuld aufersteht. Eine frühe Erzählung von Heinrich Böll (1917–1985) „Steh auf, steh doch auf“ beschreibt eine ähnliche innere Verwandlung. Zuerst steht der Protagonist am Grab seiner Geliebten, der er dieses verzweifelte „Steh auf“ in seinem Schmerz über ihren Tod zuruft, während er beim Verlassen des Friedhofes plötzlich selbst diesen Ruf an sich vernimmt „Steh auf, steh doch auf“, worin sich eine innere Auferstehung vorbereitet.

Die Schriftstellerin Gabriele Wohmann (1932–2015) hat in ihrer realitätsgesättigten Prosa immer wieder kleine Religionssplitter eingestreut. Ihr als Pfarrerstochter war der Umgang mit den biblischen Verheißungen von Kind an vertraut und blieb es lebenslang. Titel wie „Erzählen Sie mir was vom Jenseits“ (1994), „Sterben ist Mist, der Tod aber schön – Träume vom Himmel“ (2011) und „Eine gewisse Zuversicht“ (2012) greifen nur explizit auf, wovon sie niemals müde wurde zu träumen: von einem wunderbar irdisch vorgestellten Jenseits, dem Leben, zu dem nach Karl Barth, „der Vorhang erst richtig aufgeht“ nach dem Tod. Und auch Paulus konnte sie in Geschichten und Gesprächen stets unterbringen mit „Jetzt sehen wir in einen Spiegel, in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht.“ Sie predigte aber nicht etwa, sondern lässt den Leser teilhaben an ihren Erfahrungen, Wünschen, Hoffnungen. „Im Vertrauen auf die Auferstehung kann ich Heimweh, Sehnsucht, Verlangen nach Unvergänglichkeit wohnlich einquartieren. Und wenn Goethe recht hat (ich finde: ja!) und alle diejenigen auch für dieses Leben schon tot sind, die kein anderes hoffen, muss ich, bei so maximal hochgesteckter Erwartung, ganz außergewöhnlich lebendig sein, auch in diesem Leben vorerst; im anderen, besseren aber um noch nicht vorstellbar vieles mehr. Es geht bei Christi Auferstehung um alles oder nichts. Ich entscheide mich für alles.“ „Würde doch der Tod richtig verstanden, als der Übergang zum wahren, wenn auch zugegebenermaßen leider unbekannten Sein, dann nur könnte vernünftig gelebt und gestorben werden. Mit dem Sterben gelebt werden“, so ist schon in ihrem Roman „Schönes Gehege“ (1975) zu lesen.

Der Schriftsteller Patrick Roth (Jahrgang 1959) bildet in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle, behandelt er doch tatsächlich biblisches Geschehen in seinen Romanen. Die drei Bände der so genannten Christus-Trilogie wurden zusammengefasst herausgegeben unter dem Titel „Resurrection“, was übersetzt Auferstehung heißt. Und mit der Auferstehung beschäftigt er sich auch in der Erzählung „Magdalena am Grab“, in der er das Ostergeschehen, die Erscheinung des Auferstandenen, als eine Geschichte des Erkennens erzählt. Jesus und Magdalena, Gott und Mensch, stehen einen Moment lang voneinander abgewandt, einander nicht ansehend. Im Nachspielen dieser Szene bemerkt der Erzähler den „ausgelassenen Satz“ des Evangeliums, den Gang Magdalenas an dem noch unerkannten Jesus vorbei und nach seinem Anruf ihre Rückwendung zu ihm und ihre Verwandlung in eine Erkennende.

So wie es die Dichter immer schon in besonderer Weise vermocht haben. Sei es Rainer Maria Rilke (1875–1926), der in seinen Gedichten von der Pilgerschaft „von dem, was du sehntest, bist du erlöst/ zu etwas, was du hast“ Visionen ausspricht einer „Wirklichkeit durch jenen Spalt/ durch den du hindurchgingst“ oder in seinem berühmten Herbst-Gedicht, dieser Lebens-Analogie schlechthin, mit dem wunderbar trostreichen Bild „Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen/ unendlich sanft in seinen Händen hält“. Wie wir natürlich den Dichtern unsere schönsten Auferstehungslieder, die in den Kirchen zur Osterzeit gesungen werden, zu verdanken haben.

Oder wie der Dichter Christian Lehnert (Jahrgang 1969) es auch heute in die Sprache zu nehmen wagt, die Zusage des Heils, der Heilung, zwischen Golgatha und Auferstehung. „Das Schweigen können Einzelne nicht brechen,/ Wir sind erwartet. Wie ein leerer Rahmen/ beginnt am Hang der Wald, hat keinen Namen:/ Dass nichts bestimmt ist, das ist sein Versprechen.“

Und noch einmal Paulus – und auch das ist Dichtung: „Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ Größer als der Tod ist die Liebe, das wusste auch die deutsch-jüdische Dichterin Hilde Domin (1909–2006): „Aber die Liebe/ der Tode und der Auferstehungen fähig“.

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