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Selbststand in Christus

Frauen sollten ihren Selbsstand in Christus entdecken als sich das Priestertum gegen den biblischen Bericht zu kämpfen.
Katharina von Siena
Foto: KNA | Die Männlichkeit Jesu ist kein Zufall, sondern sein Leib macht den Unterschied offenkundig zu anderen Entwürfen des Göttlichen: Katharina von Siena betet den Gekreuzigten an.

Das weibliche Priestertum eignet sich nicht für ein Streitgespräch, in dem man „gewinnen“ will. Die Frage führt in die vielschichtige Tiefe der Anthropologie, und zwar nicht vom Blick der vielfach verwirrten Gegenwart aus, sondern von der Bibel aus – und hier gibt es Unausgeschöpftes und Unerschöpfliches; vieles auch, das biblisch nur angedeutet und weiter nicht beleuchtet ist.

Karl Rahner gibt die Sachlage vor: „Das bloße Faktum, dass Jesus ein Mann war, ist hier noch keine Antwort, weil nicht einsichtig wird, dass ein Mensch, der ,in persona Christi? handelt, diesen dabei gerade in seinem Mannsein repräsentieren müsse. Es wäre wohl schwer vermeidbar, sich nicht auf eine Anthropologie zu berufen, die doch wieder die gleiche Würde, die gleiche Berechtigung der Frau bedroht.“ Zwei Themen sind also zu bedenken: die gleiche Würde der Frau (nicht ihre Gleichberechtigung!) und die Männlichkeit Jesu.

Die Bibel bringt weltgeschichtlich den Durchbruch, Frau wie Mann als einander ebenbürtig zu sehen. Der Dreifach-Auftrag im Paradies vor dem „Fall“ unterscheidet nicht nach Fähigkeiten. Und alles durch die Sünde Verlorene wird durch Jesu Tod „noch wunderbarer erneuert“: „Es gilt (…) nicht Mann noch Frau: alle seid ihr Einer in Christus.“ (Gal 3,28) So brach das Christentum aus den maskulinen Philosophien und Männerbünden aus. Aus der Freude an der Freiheit in Christus konnten sich Frauen unmittelbar zu Gott stellen: als (einzige) Ehefrau in sakramentaler Bindung, als Jungfrau oder Witwe lösten sie sich aus spätantiken Unterordnungen und Demütigungen, die sie nur auf Eros oder Kindergebären hin lasen. Person heißt seit Christus: Selbstand, Freiheit vor Gott und Eigenwert – über alle Funktionen hinaus. Vor den unleugbaren Unterschieden von Mann und Frau, die einer Sonder-Berufung entsprechen, wurde christlich die Einheit und gleiche Würde beider im Ebenbild anerkannt. Nie hat das Christentum die Seele, die mögliche Heiligkeit, die Gottnähe der Frau abgestritten, wie dies religiös durchaus der Fall war. Aber in kirchliche Ämter wurde sie dennoch nicht in dieselbe Stellung wie der Mann einbezogen. Dies mag Gründe haben, solange eine Gesellschaft wegen der hohen Sterblichkeit und der harten Lebensumstände bitter nötig auf Mütter und das Betreuen des häuslichen Bereiches angewiesen ist. Aber seit 150 Jahren haben Frauen ihre Lebensmöglichkeiten in jede Richtung erweitert. Dabei wurde die geistige Dimension der Frau keineswegs erst entdeckt, das geschah schon in der Urkirche, aber erstmals in Breite in das Berufsleben umgesetzt. Würde sich nicht der Kirche ein neues Kraftfeld öffnen, wenn sie Frauen, gespeist von diesen Erfahrungen, auch das Weiheamt in die Hände legte?

Mit dem Gesagten ist die Berechtigung der Frage nach dem Priestertum der Frau anerkannt. Nur ist nicht klar, ob die Frage schon ihre eigene Antwort enthält. Denn was spricht nicht für das Priestertum der Frau? Vorrangig die Männlichkeit Jesu, und zwar verbunden mit der Deutung von Geschichte, genauer: heiliger Geschichte. Der Phänomenologe Michel Henry hat in seinem letzten Werk Incarnation (2000) die Bedeutung des Leibes und näherhin des Fleisches herausgearbeitet. Leib ist die Konkretion des Fleisches; im Fleisch sind Mann und Frau identisch, in der Konkretion des Leibes sind sie unterschieden. Das meint nicht naiv den biologischen Unterschied, denn er reicht tiefer als in die Biologie, vielmehr meint Leib die menschliche Gesamtprägung, die Stellung zur Welt.

Eben dieses Begreifen ist heute durch die Gendertheorie verbogen. Ihr harter Kern versteht Körper als gleichsam vorgeschlechtliches Objekt: Man kann ihn willentlich überschreiben und lässt so den Unterschied von Zeugen und Gebären oder die leibhafte Erotik von Eindringen und Empfangen verschwinden. Frau „kann“ sich als Mann bestimmen und umgekehrt. Stattdessen zeigt Henry den Leib als je spezifisch geschlechtliche Ankunft im Dasein, also bei sich selbst.

So gesehen ist die Männlichkeit Jesu nicht ein Zufall, sondern sein Leib macht den Unterschied offenkundig zu anderen Entwürfen des Göttlichen, die ihm nur eine spirituelle, keine leibhafte Gegenwart einräumen. Die Männlichkeit Jesu führt in eine Herausforderung: Gott als Sohn und Mann. Phänomenologie wird Mystagogie: Das Sichtbare führt in ein Geheimnis. Und damit zur Faktizität von Geschichte. Ist Geschichte immer überholbar, grundsätzlich vergangen? Im Gegenteil: Geschichte liegt nicht als Museum im Rücken, „hinter uns“, sondern „in uns“. Das Geschehene sinkt nicht ins Gewesene zurück, sondern ist für die Gegenwart wirksam. Das spitzt sich zu in der Heilsgeschichte. Ist Jesus nur unter den Beschränkungen eines spätantiken Juden zu verstehen, der alte Festlegungen nicht wirklich durchbrochen hat?

Diese Frage ist nicht an einem einzigen Fallbeispiel zu beantworten. Zur Sprache kommen muss vielmehr die Gesamteinschätzung Jesu. Der Glaube hat in seinem Leben keine zufälligen, im Gegenteil: ausdrückliche Entscheidungen gesehen. Dies gilt besonders für seinen Tod und seine Auferstehung sowie die seltsamen vierzig Tage der Belehrung danach. Der „Neue Bund in meinem Blute“ ist das verpflichtende Testament: sein Leiden in einem Mahl gegenwärtig zu halten. Offenbar hat er dazu nur „die Zwölf“ und nicht den sonst häufig vertretenen Frauenkreis (Lk 8) zugezogen und ihnen die memoria-Feier anvertraut – während er anderswo Frauen zwanglos und dem Zeitgeist widersprechend auszeichnet, in theologische Gespräche einbezieht und im engeren Kreis mitführt. Ist die Wahl der Zwölf nun als vordergründig oder als bindend anzusehen? Der Glaube kann darin nicht eine Zufallsentscheidung, die Umstände nicht als beliebig sehen. So haben sich Theologie und kirchliche Praxis mit der Faktizität des Willens Jesu (und der Apostel) auseinanderzusetzen: Entweder indem sie sie für zweitrangig erklären oder als unverrückbaren Bezugspunkt von Heilsgeschichte sehen. Es ist die Auseinandersetzung mit der herausfordernd konkreten Gestalt eines Gottes, der in Geschichte so und nicht anders eingreift. Über diesen Befund hinaus kommt man in leere oder modische Vermutungen.

Seit jeher besteht die Kirche auf der realsymbolischen, also männlichen Vergegenwärtigung „in persona Christi“. Wenn man der Kirche nicht einfach Naivität unterstellt, dann ist weiterzudenken: Was sagt Leibsein des Mannes, der Frau aus? Und zwar tiefer erfasst als alles, was heute den Leib zum Körper verkürzt, zum bloß neutralen Werkzeug eines leibfernen Ich macht. Wie wirklich und zugleich symbolisch ist der männliche, der weibliche Leib? Wird das nicht durchdacht, kann jeder und jede alles beanspruchen.

Wären Frauen ihrer selbst gewiss, was ihre eigene große Geschichte seit 2000 Jahren angeht, und wäre christliche Anthropologie entfaltet auch in bisher vernachlässigte Tiefen, dann wäre ihre Selbstachtung groß genug, um sich nicht das Priestertum gegen den biblischen Bericht zu erkämpfen. Diese Selbstachtung beruht auf dem wunderbar freien Umgang Jesu mit Frauen, ihrer Heiligung durch ihn und ihrer großen Liebe zu ihm. Immer „wird man erzählen, was sie ihm getan hat“ - die eine, die ihn salbte, und die vielen anderen.

Wenn die gelebte Wirklichkeit Jesu der Maßstab christlicher Nachfolge und des kirchlichen Lehramtes ist, so ergeben sich allerdings weitreichende Folgen, die noch nicht ausgeschöpft sind. Die Entscheidungen Jesu sind alle ernstzunehmen. Dazu gehört, dass an Pfingsten die Versammelten mit dem Feuer und der Redegabe des Heiligen Geistes erfüllt wurden – Männer und Frauen gleichermaßen. Hier steht die Kirche vor der ernsthaften Selbstprüfung, was sich daraus zukünftig gestalten lässt. Allerdings macht auch bei solcher Mitarbeit der Ton die Musik. Forderungen zu erheben, ultimativ oder drohend, wird dem unerzwingbaren Wirken des Heiligen Geistes nicht gerecht.

Schwer wiegt, dass mit dem weiblichen Priestertum die „symbolische Ordnung“ der Schöpfung und die Repräsentation des „neuen Adam“ Christus außer Kraft gesetzt würde. Neben der Symmetrie der „Ebengeburt“ und der gemeinsamen Würde bleibt die spannungsvolle Asymmetrie von Mann und Frau zu kultivieren. Zu Bestehen dieser Asymmetrie hilft einmal mehr ein Gedanke Guardinis: „Es gibt Fragen, die so beantwortet werden können, dass die Antwort vollkommen befriedigt, das heißt, Frieden gibt. (…) Andere gibt es aber, bei denen zwar verstandesmäßig eingesehen werden kann, dass die Antwort so und so lauten müsse; die Antwort aber nicht „befriedet“, sondern ein Rest von Widerstand im Gemüt bleibt. Das sind jene Fragen, in denen die Antwort (…) zwei „Größen“ auf einen Nenner bringen müsste, die nicht auf einen Nenner zu bringen sind, nämlich Gott und Geschöpf (...) Diese Fragen sind vom Verstande her in befriedender Weise nicht zu lösen. Für sie liegt die Lösung in der Demut, im Vertrauen des Glaubens, und in der Hoffnung auf das Licht der Ewigkeit.“ So sieht wirklich spannende christliche Kultur aus.

Die Autorin ist emeritierte Professorin für Religionsphilosophie der TU Dresden und lehrt an der Hochschule Heiligenkreuz.

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