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Pius XII. – „Freund der Menschheit“

Neue Publikationen würdigen das Leben und Wirken eines großen und heiligmäßigen Papstes. Von Ulrich Nersinger
Papst Pius XII., der am 9. Oktober 1958 verstarb
Foto: dpa

Bei einer Gedenkfeier zum 60. Todestag von Pius XII., der am 9. Oktober 1958 verstarb, verlas Erzbischof Marcello Bartolucci, der Sekretär der Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren, ein Telegramm aus dem Vatikan, in dem Papst Franziskus seinen Vorgänger einen „aufrichtigen Freund der Menschheit und treuen Diener des Evangeliums“ nannte, „zu dessen Verkündigung er die Menschen guten Willens unablässig aufrief“. Anschuldigungen, Pius XII. habe zum Holocaust geschwiegen und sei dem jüdischen Volk gegenüber gleichgültig gewesen, seien eindeutig auf eine „Verleumdungskampagne“ zurückzuführen.

Dass die Causa Pacelli bei der Kongregation bisher noch nicht zum Abschluss gekommen sei, liege kirchenrechtlich an dem Fehlen eines für den Fortgang des Seligsprechungsverfahrens erforderlichen Wunders, das der Fürsprache von Pius XII. zuzuschreiben sei – so Erzbischof Bartolucci. Der römische Prälat empfahl, Eugenio Pacelli in konkreten Notlagen, unter anderem bei schweren Erkrankungen, um Fürsprache bei Gott zu bitten. Pius XII. gehört zu jenen großen Persönlichkeiten der Geschichte, der weltlichen wie der kirchlichen, deren Leben und Wirken kontrovers betrachtet wurden und werden. In einem Brief an die „Junge Welt“, die sich selbst als „eine linke, marxistisch orientierte überregionale Tageszeitung“ bezeichnet, ereiferte sich eine Leserin über die kürzlich erfolgte Heiligsprechung Papst Pauls VI.: „Unter dem Klerikalfaschisten Pius XII. war er als Giovanni Battista Montini ein führender Mann des vatikanischen Geheimdienstes Pro Deo, Mitorganisator der Flucht zehntausender Faschisten nach Südamerika auf der sogenannten ,Rattenlinie‘.“

Zwar sind die in dem Leserbrief vorgetragenen Behauptungen blanker Unsinn, doch sie zeigen, wie sehr noch immer offenkundige Entstellungen der Geschichte das Andenken von Pius XII. und Paul VI. zu schmälern und zu verdunkeln vermögen. Wichtig erscheint es daher, vor allem der Person Pius XII., der schon zu Lebzeiten der „Pastor Angelicus“, der „engelsgleiche Hirte“, genannt wurde, immer wieder aufs Neue im geschriebenen Wort gerecht zu werden. In diesem Herbst sind nun zwei empfehlenswerte Publikationen erschienen, die sich diesem Anliegen verpflichtet fühlen. Michael Hesemann, durch eine Reihe internationaler Bestseller einer breiten Öffentlichkeit bekannt, legt mit „Der Papst und der Holocaust“ eine beachtenswerte Publikation vor. Seit dem Jahre 2008 recherchiert er im Auftrag der amerikanischen „Pave the Way Foundation“, die sich für die Aussöhnung von Juden und Christen einsetzt, im Vatikanischen Geheimarchiv zu Pacellis Rolle im Zweiten Weltkrieg. Aufsehen machte sein Dokumentenfund, der darauf verwies, dass der Heilige Stuhl schon 1939, zwei Monate nach der Pogromnacht, 200 000 Juden aus dem Deutschen Reich evakuieren wollte.

Hesemanns Kooperation und Freundschaft mit dem Jesuiten P. Peter Gumpel, der bereits im Pontifikat Pauls VI. (1963–1978) gemeinsam mit einem Mitbruder in dem Seligsprechungsverfahren für Pius XII. tätig wurde, ermöglichten ihm fundierte Einblicke in die Causa Pacelli. Seinem neuen Werk stellt der Autor ein Zitat Benedikts XVI. zu Pius XII. voran: „Er handelte oft im Verborgenen und in der Stille, gerade weil er im Licht der konkreten Situationen jenes komplexen historischen Augenblicks spürte, dass man nur auf diese Weise das Schlimmste verhindern und die großmöglichste Zahl von Juden retten konnte“ (9. Oktober 2008).

Das Wort des emeritierten Papstes kann als das Leitmotiv des Buches, als roter Faden, der sich durch die Darlegungen Hesemanns zieht, betrachtet werden. Der Autor präsentiert dem Leser eine verständlich und spannend verfasste Publikation, die eine große Sachkenntnis aufzeigt, eine enorme in den Archiven geleistete Fleißarbeit bezeugt und sich als nützlicher Beitrag zum Seligsprechungsverfahren erweist. Schade nur, dass manche römische Gegebenheiten kaum oder gar nicht in die Darstellung miteinbezogen wurden – so die Aktivitäten und die Publikation zur deutschen Besetzung Roms des späteren Kardinals Pietro Palazzini, eines „Gerechten unter den Völkern“, die Infiltration vatikanischer Institutionen (etwa der Päpstlichen Gendarmerie) durch Faschisten oder der Einfluss filofaschistischer hoher geistlicher Würdenträger wie der des Kurienkardinals Nicola Canali.

Auch für den renommierten Berliner Historiker Michael F. Feldmann nimmt die wissenschaftliche Beschäftigung mit Pius XII. seit zwei Jahrzehnten einen breiten Raum in seinem literarischen Schaffen ein. Sein aktuelles Buch „Pius XII. Ein Papst für Deutschland, Europa und die Welt“ ist in der Schriftenreihe „Propyläen des christlichen Abendlandes“ erschienen, deren Anspruch es ist, „unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse Kirchengeschichte kompakt und präzise zu vermitteln“.

Die Publikation fußt auf einem früheren Werk des Historikers, das nun auch die jüngsten Forschungen zu dem Pontifex, der von 1939 bis 1958 der katholischen Kirche vorstand, eingehend würdigt. Feldmann legt eine ausgewogene und in jeder Hinsicht zuverlässige Biografie des Papstes vor, die dem Leser das Wesentliche im Leben und Wirken des Pontifex aufzeigt und vermittelt. Für den Autor war Pius XII. neben seiner enormen innerkirchlichen Rolle im Sog von Nationalsozialismus und sowjetischem Kommunismus ein Mann, der bemüht war, den Menschen auf der ganzen Welt Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben der Völker zu machen. Michael F. Feldmann zählt Pius XII. „zu jenen Staatsmännern, für die mit ,Europa‘ noch die Vision des ,christlichen Abendlandes‘ verbunden war“. In einer Zeit, in der Europa bewusst auf seine christliche Identität zu verzichten scheint, ja sie sogar in vielen Bereichen mit ideologischer Verbissenheit bekämpft, gewinnt die Beschäftigung mit dem Pacelli-Papst an Bedeutung und wird die Lektüre von Feldmanns Publikation für ihren Leser zum Gewinn.

– Michael Hesemann: Der Papst und der Holocaust. Pius XII. und die geheimen Akten im Vatikan. Langen-Müller, Stuttgart 2018, 448 Seiten, ISBN 978-3-7844-3449-0, EUR 28,–

– Michael F. Feldkamp: Pius XII. Ein Papst für Deutschland, Europa und die Welt (Propyläen des christlichen Abendlandes, 2). Patrimonium-Verlag, Aachen 2018, 198 Seiten, ISBN 978-3-86417-114-7, EUR 14,80

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