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Ein großes Herz für menschliche Gesten

Immer nah am Heiligen Stuhl: Wie große Frauen Päpste unterstützt haben. Von Barbara Wenz

Als Ulrich Nersinger in seinem Vorwort für sein jüngstes Buch „Der Papst und die Frauen“ schrieb, dass dieses Thema vermutlich immer wichtiger werden würde, konnte der versierte Kirchengeschichtler und Vatikanist die aktuellen Entwicklungen noch nicht erahnen: Die Veröffentlichung eines brisanten Dokumentes des ehemaligen apostolischen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Mario Vigano, in dem dieser schwere Anschuldigungen gegen Papst Franziskus erhebt und seinen Rücktritt fordert. Daraufhin schrieben mutige Frauen einen Offenen, kritischen Brief an Franziskus, der von mittlerweile mehr als 46 000 katholischen Frauen mitunterzeichnet wurde. Diese Episode in der Geschichte der Weltkirche steht noch mit offenem Ausgang da. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches war es Nersinger nach seinen eigenen Worten wichtig, eine Erfolgsgeschichte zum Thema Frauen und Päpste zu erzählen, die es wert sei, dargelegt zu werden. Dem ist unbedingt so und nicht nur katholische Frauen werden dem Autoren dankbar sein, sich dieses Themas angenommen zu haben.

Geschichte in Geschichten

Denn er kann es wie kein Anderer: Als katholischer Mann hat er den „ethnologischen Blick“ und kann Details einordnen. Es ist zuweilen nicht immer erfreulich, wenn katholische Männer über gläubige Frauen schreiben, doch Nersinger ist ein Garant für Objektivität, Liebe zu seinem Sujet und seinen Protagonisten und Protagonistinnen sowie für seine Feder mit Herzblut. In 24 leicht zu lesenden Episoden, die ohne mühselige Erläuterungen und Fußnoten auskommen, entfaltet er eine „Geschichte in kleinen Geschichten“.

Natürlich geht es in den hier vorgestellten Gemmen um berühmte Frauen der Kirchengeschichte wie Katharina von Siena, die nicht nur einen Papst dazu überreden konnte, von Avignon nach Rom zurückzukehren, sondern auch gleich noch ein Schisma verhindert hat. Um Birgitta von Schweden und eine ihrer geistlichen Töchter, Maria Elisabeth Hesselblad, die während der deutschen Besetzung Roms in ihrem Ordenshaus Menschen jüdischen Glaubens und politisch Verfolgten Unterschlupf gewährte und dafür im Jahre 2005 in Yad Vaschem als eine „Gerechte unter den Völkern“ geehrt wurde. Doch es gab nicht nur heilige Weibsbilder, die auf ihren Papst Einfluss nahmen. Nersinger erzählt uns auch die wahre Geschichte über Lucrezia Borgia in dem Kapitelchen über Papst Alexander VI. und seine Frauen und erklärt, wie die schwarzen Legenden um die Papsttochter entstanden sind. Und schließlich gibt es da noch die Damen, deren Namen inzwischen fast vergessen sind, wie etwa Donna Olimpia Maidalchini, die Schwägerin von Papst Innozenz X. oder der Skandal um die Hinrichtung der Beatrice Cenci.

Ein regelrechter Abenteuerroman sind die Erlebnisse der Theresa von Spaur, die Nersinger mit ihrer eigenen Schilderung zu Wort kommen lässt. Auch seine Episode über die in Berlin geborene Eva-Maria Jung-Inglessis, die in Sankt Peter Zuflucht vor den Nationalsozialisten fand und in Rom zum katholischen Glauben konvertierte, enthält immer wieder originale Stellen aus ihren Schriften, die uns ihre Situation mit ihren Augen sehen lassen. Sie studierte Kirchengeschichte und Kunsthistorik unter anderem auch an päpstlichen Instituten, finanzierte ihr Studium durch die Mitarbeit im Archiv der Bauhütte des Petersdoms und erhielt das große Privileg, ihre Eheschließung mit Emilios Inglessis in der Privatkapelle von Papst Johannes XXIII. feiern zu dürfen – der griechische Kirchenhistoriker Inglessis hatte Johannes XXIII. als Ministrant gedient während dessen Zeit als Apostolischer Delegat und Vikar für Griechenland und die Türkei.

Meister der Miniatur

Doch Nersinger stellt uns nicht nur sorgfältig und kundig ausgewählte weibliche Einzelschicksale und Persönlichkeiten in ihrem jeweiligen Bezug zum Pontifex dar, sondern er weiß auch, was hinter der Legende um die Päpstin Johanna steckt, die es einmal geschafft haben soll, sich als Mann verkleidet ins höchste Kirchenamt wählen zu lassen, sich einen Liebhaber nahm und während einer Prozession eine Fehlgeburt gehabt haben soll, an der sie letztlich zu Tode kam. Was es mit dem Kotstuhl auf sich hat, der angeblich daraufhin installiert worden sein soll und auf dem jeder künftige Papst Platz für eine besondere Art der Untersuchung Platz nehmen musste, das ist eine simple Geschichte, die der Autor ebenso kenntnisreich wie spannend darzulegen vermag. Hinzu kommt, dass er ein großes Herz für kleine menschliche Gesten besitzt. Das zeigt sich an der wunderschönen Miniatur über den Besuch Evita Peróns im Vatikan. Doch auch Liebhaber von kirchenhistorischen Kuriositäten kommen wieder voll auf ihre Kosten, etwa wenn der Autor über die „geweihten Windeln“ plaudert und worin genau ihre Bedeutung bestand.

Ulrich Nersinger hat wieder ein Füllhorn an Fakten, Details, Begebenheiten und Anekdoten vorgelegt – und seine Episoden sind ebenso vergnüglich wie interessant zu lesen. Der Autor möchte dabei auch zu einer weiteren anregenden Beschäftigung mit den jeweiligen weiblichen Persönlichkeiten der Historie anregen.

Am Besten erwirbt man gleich zwei Exemplare von „Der Papst und die Frauen“, eins zum Selbstlesen und eins zum Weiterverschenken an eine gute Freundin oder eine liebe Verwandte.

Ulrich Nersinger: Der Papst und die Frauen. Bernardus Verlag, Aachen 2018, 134 Seiten, ISBN 978-3-81070-297-5, EUR 12,80

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