Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Forum: Frauenweihe

Charisma einer Christin

Die Forderung nach einem sakramentalen Amt für Frauen in der Kirche hat im Neuen Testament keine Grundlage, wohl aber kennt es vielfältige andere Betätigungsfelder für christliche Frauen in Kirche und Welt.
"Maria Magdalena"
Foto: Universal Pictures | Maria Magdalena (im gleichnamigen Film, gespielt von Rooney Mara) gehörte zum Jüngerkreis Jesu. Obwohl Jesus Frauen große Wertschätzung entgegenbrachte, übertrug er nur männlichen Jüngern die besonderen Vollmachten.

Nach dem katholischen Verständnis ist das Weiheamt charakterisiert durch die Vollmachtsübertragung zur verbindlichen Verkündigung des Evangeliums und durch den Bezug auf die Sakramente, insbesondere die Eucharistie. Zu diesem Amtsverständnis findet man Anknüpfungspunkte im Neuen Testament. Allerdings wird nirgends die Frage direkt beantwortet, ob auch Frauen zu kirchlichen Amtsträgern geweiht werden können. Eine Antwort auf diese Frage kann also nur erschlossen werden aus der kirchlichen Praxis, wie sie in den neutestamentlichen Schriften aufscheint.

Die Evangelien bezeugen, dass Jesus einen größeren Jüngerkreis hatte, zu dem auch Frauen wie Maria aus Magdala gehörten, und dass er aus diesem größeren Kreis zwölf Männer auswählte. Diese Zwölf stehen zunächst im Zusammenhang mit der Reich-Gottes-Botschaft Jesu. Sie vertreten die zwölf Stämme Israels und bezeugen damit die Absicht Jesu, ganz Israel für das Gottesreich zu sammeln. Die Evangelien bezeugen aber auch, dass diese Zwölf besondere Vollmachten erhalten (Mk 3,14f; 6,7). Nach Ostern gehören sie zu den Ersten, denen der Auferstandene erscheint (1 Kor 15,5). Unter ihnen ist keine Frau, obwohl Jesus sehr wohl Frauen besondere Wertschätzung zuteil werden lässt und sich für ihren Schutz einsetzt. Jesus heilt Frauen (Mk 5,21-43; 7,24-30) und erregt Anstoß durch seinen Umgang mit der Sünderin (Lk 7,36-50, bes. V 39). Dadurch hat es Gewicht, dass er offenbar besondere Vollmachten nur an männliche Jünger überträgt.

Neben den Listen mit den Namen der Zwölf (Mk 3,16-19 parr; Apg 1,13) gibt es im Neuen Testament noch weitere Jüngerlisten: Man denke an den Siebener-Kreis in Jerusalem (Apg 6,7) oder die Aufzählung der sieben Jünger in Joh 21,2. Auch in diesen Listen finden sich nur Männer. Ebenso kommen auf dem Apostelkonvent sowohl nach dem lukanischen (Apg 15) als auch nach dem paulinischen Bericht (Gal 2,1-10) nur Männer zusammen.

Paulus schätzt die Arbeit der Frauen

Nach Lukas setzt Paulus als Gemeindeleiter (Presbyter) nur Männer ein (Apg 14,23). Dies hat insofern Gewicht, als Lukas (ebenso wie Jesus und Paulus) eine große Wertschätzung für die Frauen erkennen lässt. Lukas hebt hervor, dass Frauen Jesus begleiteten und unterstützten (Lk 8,1-3); er kennt auch christliche Prophetinnen (Apg 21,9). Er erwähnt Aquila und seine Frau Priska, die bedeutende Helfer in der paulinischen Mission waren, und viele andere. Paulus erwähnt neben Priska noch weitere christliche Frauen, deren Arbeit für die Kirche er sehr schätzt. In 1 Kor 11,5 deutet er an, dass Frauen in der Gemeindeversammlung prophetisch reden.

Der Durchgang durch das Neue Testament lehrt, dass es beim kirchlichen Amt um Vollmacht (griech. exousia) geht und nicht um Macht. Die Zwölf erhalten z. B. nach Mk 3,14f von Jesus die Vollmacht, das Evangelium zu verkünden und Dämonen auszutreiben. Mit der vollmächtigen Verkündigung ist immer auch Lebensgefahr verbunden. Nachfolge bedeutet Kreuzesnachfolge (Mk 8,34). Das Martyrium ist allgegenwärtig in der frühen Kirche. Dies gilt in besonderer Weise für die Amtsträger. Die ersten Jünger Jesu sind größtenteils als Märtyrer gestorben. Paulus selbst wird immer wieder Opfer ungerechter Gewalt wegen seiner Verkündigung. Er zählt in 2 Kor 11,21-33 seine Leiden auf. Bis in unsere Gegenwart sind in vielen Ländern gerade die Amtsträger Verfolgungen ausgesetzt.

Nun wird immer wieder behauptet, im Neuen Testament gebe es viele Beispiele für Frauen, die Gemeinden geleitet und wohl auch der Eucharistiefeier vorgestanden hätten. Dazu gibt es aber keinen Beleg. Am ehesten könnte man denken an Lydia (Apg 16,14f) oder an Nympha (Kol 4,15). Doch an beiden Stellen wird nur gesagt, dass diese Frauen die örtliche christliche Gemeinde in ihrem Haus aufnehmen. Dass sie lehrende Funktionen ausgeübt haben, gar mit einer besonderen kirchlichen, möglicherweise von Paulus verliehenen Vollmacht, wird nicht einmal angedeutet. Dass sie der Eucharistie in ihren Häusern vorgestanden haben, ist reine Phantasie. Die einzige Stelle, an der überhaupt ein Vorsitz bei der Eucharistiefeier erwähnt wird, findet sich in Apg 20. Paulus unterbricht in Troas seine Reise nach Jerusalem. Nachdem er den Eutychus wiederbelebt hatte, der während der paulinischen Predigt eingeschlafen und aus dem offenen Fenster gefallen war, heißt es: „Dann stieg Paulus wieder hinauf, brach das Brot und aß und redete mit ihnen bis zum Morgengrauen“ (Apg 20,11). Also weder der Hausvater noch eine andere Person aus der Gemeinde vor Ort steht der Eucharistie hier vor, sondern der durchreisende Missionar, der zuvor in seiner Verkündigung den Glauben noch einmal verbindlich für die Gemeinde dargelegt hatte.

Noch schwieriger wird es, der Chloë eine amtliche Funktion nachzuweisen. Paulus schreibt, dass er von „denen der Chloë“ (1 Kor 1,11) über Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gruppenbildungen in der korinthischen Gemeinde gehört hat. Diese Leute der Chloë sind also Christen. Aber ist Chloë selbst überhaupt eine Christin? Sie kommt nirgends in den Grußlisten der Paulusbriefe vor. Vielleicht betreibt sie als Heidin ein Geschäft und hat einige Angestellte, die Christen sind. Dass sie eine Gemeindeleiterin ist, ist ihrer kurzen Erwähnung jedenfalls nicht zu entnehmen.

Auch Gal 3,28 lässt sich nicht für die beliebige Austauschbarkeit aller Funktionen in der Gemeinde anführen. Dass es weder „männlich noch weiblich“ gibt, meint im Sinne des Paulus ganz gewiss keine Auflösung der Geschlechter. Nach 1 Kor 12,7 hat jeder in der Gemeinde sein Charisma; nicht alle Charismen sind gleich, auch wenn sie in gleicher Weise zu achten sind (1 Kor 12,11f u. ö.). So lässt sich mit Gal 3,28 sehr wohl vereinbaren, dass Männer und Frauen unterschiedliche Aufgaben in der Gemeinde wahrnehmen.

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Ein vielfältiger Apostelbegriff bei Paulus

Als Beleg für die führende Rolle von Frauen in den paulinischen Gemeinden wird gerne die Apostelin Junia in Röm 16,7 angeführt. Allerdings gilt es zu bedenken, dass Paulus – wie auch das Neue Testament insgesamt – noch einen sehr vielfältigen Apostelbegriff hat. Paulus kennt Apostel u.a. im Sinne von Gemeindegesandten, die einfache Botendienste übernahmen (Phil 2,25). Dass Andronikus und Junia nicht Apostel im Sinne des paulinischen Apostolats sind, ergibt sich vor allem daraus, dass Paulus als Gemeinsamkeit mit ihnen nicht das Apostelamt nennt, sondern dass sie mit ihm im Gefängnis waren und dass sie auch Juden sind. Schließlich ist noch die „Diakonin“ Phoebe aus Röm 16,1f zu behandeln. Ihr hat Paulus die Aufgabe anvertraut, den Römerbrief nach Rom zu bringen. Paulus schätzt ihren Einsatz in der Gemeinde von Kenchreä sehr. Eine gemeindeleitende Funktion ist der Stelle nicht zu entnehmen.

Immer wieder wird behauptet, dass Frauen in neutestamentlicher Zeit zunächst wichtige Aufgaben gehabt hätten, dass sie im Laufe des 1. Jh. aber immer weiter an den Rand gedrängt worden seien. Der Lukas-Evangelist kennt offenbar keine Gemeindeleiterinnen. Dennoch würdigt er den Einsatz von Frauen für die Weitergabe des Glaubens und deren Weltdienst (Apg 16,14: Lydia ist Purpurhändlerin; Apg 18,2f: Priska und ihr Ehemann Aquila arbeiten als Zeltmacher). Auch in den Pastoralbriefen sind die Presbyter und Episkopen (Bischöfe) Männer. Sie sollen gute Hausväter sein (1 Tim 3,4f; Tit 1,6-8).

Auch das Diakonenamt ist zunächst einmal Männern vorbehalten. Der Diakon soll Ehemann nur einer Frau sein (1 Tim 3,12). Mitten in den Anforderungen an Diakone ist aber überraschend von Frauen die Rede (1 Tim 3,11). Es können die Ehefrauen der Diakone gemeint sein. Da aber im Zusammenhang mit Episkopen und Presbytern nirgends Ehefrauen erwähnt werden und da die Eigenschaften, die von den Frauen erwartet werden, teilweise mit denen der männlichen Diakone identisch sind, geht man heute in der Regel davon aus, dass mit den Frauen Diakoninnen gemeint sind. Da sie aber von den männlichen Diakonen abgehoben werden und eigene Anforderungen erfüllen sollen, haben sie offenbar auch andere Funktionen.

"Ehret die Witwen!"

Neben den Diakoninnen als eigener Gruppe finden sich Witwen, die dem Verfasser des 1. Timotheusbriefes nicht nur wichtig sind im Hinblick ihrer sozialen Absicherung, sondern auch als eigener Stand. Er widmet ihnen einen längeren Abschnitt (1 Tim 5,3-16). Sie sollen einander beistehen, beten, Dienste für die Gemeinde verrichten. Der Verfasser bringt den Witwen eine besondere Wertschätzung entgegen (1 Tim 5,3: „Ehret die Witwen!“). Zwar finden sich im 1. Timotheusbrief und im Titusbrief Passagen, die in unseren Ohren Anstoß erregen (1 Tim 2,9-15; Tit 2,3-5), die man aber vor dem Hintergrund ihrer Zeit und angesichts einer die Gemeinde verwirrenden schöpfungsfeindlichen und die Ehe ablehnenden Irrlehre (1 Tim 4,3-5; Tit 1,11; vgl. auch 2 Tim 3,6-9) auch als eine positive Würdigung der Tätigkeit von Frauen in der Familie und in der Gemeinde lesen kann.

Es zeigt sich also wieder: Die Beschränkung der gemeindeleitenden Ämter auf Männer führt nicht zu einer Abqualifizierung der Frauen. Im Gegenteil, wir finden eine Würdigung der unterschiedlichen Funktionen, die Frauen in den Gemeinden, in ihren Familien, im Beruf und in der Mission ausgeübt haben. Eine Frage bleibt noch: Warum sind die Funktionen, die man später als Priesteramt bezeichnet, schon in neutestamentlicher Zeit Männern vorbehalten? Die katholische Kirche versteht das Priesteramt als sakramentales Amt. Die Sakramentalität besteht darin, dass der Priester sich nicht nur in den Dienst Christi und der Kirche stellt. Er übt nicht einfach eine Funktion aus. Der Priester repräsentiert Christus. „Er vollzieht in der Person Christi (in persona Christi) das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar“ (Lumen Gentium 10), wie das II. Vaticanum lehrt (vgl. auch Lumen Gentium 28 und Presbyterorum Ordinis 2 u. ö.).

"Die Beschränkung der gemeindeleitenden Ämter
auf Männer führt nicht zu einer Abqualifizierung der Frauen."
Lothar Wehr

Die Repräsentation Christi verlangt nun den Mann als Priester, denn wie bei den anderen Sakramenten muss das äußere, sinnenhafte Zeichen der unsichtbaren Wirklichkeit des Sakramentes (der bewirkten Gnade) entsprechen. Das Wasser der Taufe weist hin auf die von Sünden reinigende Wirkung der Taufe, die Salbe auf die heilende Kraft der Krankensalbung usw. Christus ist zwar als Mensch in die Welt gekommen, um alle Menschen, Männer und Frauen, zu erlösen. Aber er war ein Mann und ist als Mann am Kreuz gestorben. Wer Christus repräsentiert, muss ein Mann sein, da nur so eine Entsprechung besteht zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Wirklichkeit des sakramentalen Amtes. Eine solche Argumentation ist heute schwer vermittelbar, weil weithin ein Verständnis für die Symbolik der Geschlechter fehlt. Hier wären wohl auch religionspsychologische Überlegungen einzubeziehen.

Unser heutiges Sakramentsverständnis kann man im Neuen Testament noch nicht erwarten. Aber Ansätze dazu finden wir bereits. In 2 Kor 5,18.20 bezeichnet sich Paulus als Gesandter „an Christi statt“, dem als dem mit Christus Versöhnten der Dienst der Versöhnung anvertraut ist. Im Kolosserbrief wird der Apostel ganz eng mit dem leidenden Herrn verbunden (Kol 1,24). Man kann auch auf die oben bereits genannten Stellen verweisen, an denen Jesus bereits den Zwölf die Vollmacht überträgt, das zu tun, was er selbst wirkt. Jeweils repräsentieren die Gesandten ihren Herrn; sie sind ihm gleichgestaltet.

Frauen sind in vielen wichtigen Positionen tätig

Das Neue Testament bietet kein explizites Verbot, Frauen einen Leitungsdienst in der Gemeinde durch Weihe zu übertragen, es setzt aber offenbar als selbstverständlich voraus, dass nur Männer Ämter übernehmen können. Für Frauen bieten sich aber schon in neutestamentlicher Zeit eine Vielzahl an Möglichkeiten, als Christinnen in Kirche und Welt Verantwortung zu übernehmen. In unserer Zeit gibt es viele wichtige Aufgaben für christliche Frauen: Einsatz für den Lebensschutz, Kritik am in Europa immer weiter um sich greifenden und das christliche Menschenbild und die Schöpfungsordnung in Frage stellenden Gender-Mainstreaming, Einsatz für die Stärkung der Familie im christlichen Verständnis, Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen und so weiter.

Frauen sind heute in der Kirche in vielen wichtigen Positionen tätig: zum Beispiel in Schulen, in der Katechese, als Referentinnen, in Frauenorden und neuen geistlichen Gemeinschaften, als Äbtissinnen, als Leiterinnen von Referaten und Abteilungen in bischöflichen Ordinariaten, als Professorinnen an Theologischen Fakultäten. Das kirchliche Amt, Diakon, Priester, Bischof, sollte Männern vorbehalten bleiben, wie es von Anfang der Kirche an gewesen ist. Es gilt, die Vielfalt der Aufgaben und Funktionen (Charismen) in der Kirche wahrzunehmen. Schon Paulus sah in dem Streben nach bestimmten Charismen einen Missstand (1 Kor 12). Welche Funktion der Einzelne auch immer in der Gemeinde ausübt, sie ist ein Dienst an der Gemeinde. Wer ein bestimmtes Charisma anzielt aus Machtstreben oder um Ansehen zu erlangen, hat die neutestamentliche Botschaft vom Amt in der Kirche nicht verstanden. Deshalb gehen die Forderungen nach mehr Macht für Frauen in der Kirche am biblischen Verständnis von den Diensten in der Gemeinde völlig vorbei.

Der Autor ist römisch-katholischer Priester und Professor für Neues Testament an der KU Eichstätt

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