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Von der Donareiche zum Weihnachtsbaum

Eine hier kaum bekannte Bonifatius-Legende aus den angelsächsischen Ländern zum Fest der Geburt Christi. Von Ulrich Nersinger
Bonifatius Legende
Foto: Petra Kehl Verlag | An der Stelle, an der Bonifatius die Wotans-Eiche fällte, wuchs nach der Legende eine Tanne – der erste Christbaum.

In seiner „Vita Sancti Bonifatii“ erzählt Willibald von Mainz die wohl bekannteste Episode aus dem Leben des heiligen Bonifatius: Um das Jahr 722 stößt der angelsächsische Missionar in dem Ort Geismar bei Fritzlar in Hessen auf eine Menschengruppe, die sich anschickt, eine dem Gott Donar geweihte Eiche zu verehren. Er erklärt ihnen, dass der Baum keinerlei Macht besitze. Und um dies zu beweisen, greift der Gottesmann kurzerhand zur Axt und fällt den Baum. Zum Erstaunen der Heiden wird der Frevler daraufhin keineswegs vom Blitz getroffen, auch sonst erfolgt kein strafendes Zeichen der heidnischen Gottheit. So bewies Bonifatius den Menschen die Macht des wahren Gottes und machte sie empfänglich für das Evangelium Jesu Christi.

Aus dem Tannenbaum wird der erste Christbaum

Diese Geschichte hat Claudia Cangilla McAdam in „Kristoph und der erste Weihnachtsbaum“ aufgegriffen. Doch in ihrem Bilderbuch endet die Episode anders als gewohnt nicht damit, dass aus dem Holz der Donareiche die Kirche St. Petrus zu Fritzlar erbaut wird. An der Stelle der gefällten Eiche wird vielmehr ein Tannenbaum entdeckt. Und aus diesem Tannenbaum wird der erste Christbaum. Die amerikanische Autorin bedient sich hier einer Legende, die sowohl in England als auch in den USA verbreitet ist und die Entstehung des typisch deutschen Brauches, zu Weihnachten einen Christbaum aufzustellen, mit dem heiligen Bonifatius, dem Apostel der Deutschen, in Verbindung bringt. 

„The First Christmas Tree“ und die Donareiche 

Die Legende vom ersten Weihnachtsbaum findet sich auch auf der Homepage der Parish Church von Fuldas Partnerstadt Crediton, die den Anspruch erhebt, der Geburtsort des heiligen Bonifatius zu sein. Die dortige Pfarrgemeinde veranstaltet sogar jedes Jahr das „Chrismas Tree Festival“ (Weihnachtsbaumfestival). Selbst in einen Bericht auf der Internetpräsenz der BBC über die Grafschaft Devon (in der Crediton liegt) hat die Geschichte Eingang gefunden. Zurückgehen dürfte sie auf Henry van Dyke (1852–1933). Der Amerikaner mit niederländischen Wurzeln war Geistlicher und wirkte während des Ersten Weltkriegs in den Niederlanden als amerikanischer Botschafter. In einer seiner berühmtesten Weihnachtsgeschichten, „The First Christmas Tree“ beschreibt er, wie Bonifatius zur Weihnachtszeit die Donareiche fällte und den Tannenbaum fand.

Der erste Weihnachtsbaum bekommt eine theologische Deutung

Claudia Cangilla McAdam stieß auf diese Legende, als sie vor mehr als zehn Jahren für ein Bilderbuch über den Weihnachtsbaum im Weißen Haus recherchierte. Die Episode mit der Donareiche empfand sie als spannend und einprägsam. Da sie zeichnerisch gut umsetzbar war, bot es sich an, aus ihr ein Bilderbuch für Kinder zu machen. Lebendig und ansprechend illustriert von Dave Hill ist die Geschichte dazu geeignet, Anstöße für ein Gespräch mit jungen Christen über den Glauben zu geben. In Claudia Cangilla McAdams Legende gibt der heilige Bonifatius dem ersten Weihnachtsbaum eine theologische Deutung, die den Leser anspricht: „Dieses Kind des Waldes ist das Holz des Friedens. Sehr ihr, wie es zum Himmel weist? Der Baum ist das Symbol für das Ewige Leben, denn seine Zweige sind immer grün. Wir wollen ihn den Baum des Christkinds nennen. Versammelt euch um diesen Baum, nicht in den wilden Wäldern, sondern in euren Heimen. Mögen seine Zweige keine bösen Taten überschatten, sondern Gaben der Liebe und Lichter der Güte tragen.“

Im Anhang hält der gelungene und empfehlenswerte Bildband noch eine besondere Zugabe bereit: ein Segensgebet für einen Weihnachtsbaum.

Claudia Cangilla McAdam/Dave Hill: Kristoph und der erste Weihnachtsbaum. Eine Bonifatius-Legende. Petra Kehl Verlag, Bildband, Künzell 2016, 28 Seiten, ISBN 978-3930 883820, EUR 8,90

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