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Mein Tagesposting: Eine persönliche Auferstehung

Von Klaus Kelle
Klaus Kelle
Foto: dpa |

Fast genau auf den Tag ist es ein Jahr her, als ich morgens in einem Klinik-Bett aufwachte und nicht wusste, wo ich war und warum ich dort war, wo ich war. Eine Stationsschwester und kurz darauf meine Frau klärten mich auf. An einem Samstagmorgen um sieben Uhr erlitt ich einen Herzinfarkt. Meine Frau war da und brachte innerhalb von Sekunden das ganze Haus zum Beben. Nach unglaublich schnellen fünf Minuten waren zwei Notärzte in unserem Schlafzimmer, weitere fünf Minuten später stand die Feuerwehr vor unserem Haus, um mich mittels Drehleiter aus einem Fenster im zweiten Stock zu hieven, da es im Treppenhaus zu eng für den Transport war. Unsere Nachbarn hatten an diesem Morgen viel zu gucken.

Drei Mal wurde ich mit Stromstößen reanimiert. Als ich danach ins künstliche Koma versetzt worden war, wagte kein Arzt auch nur eine vorsichtige Prognose, ob ich wohl jemals wieder erwachen würde und falls ja, ob ich dann meine Frau und Kinder noch erkenne.

Heute fühle ich mich objektiv besser als vor dem „Event“, wie mein wunderbarer Kardiologe die dramatischen Ereignisse bis heute bezeichnet. Und bis heute werde ich von Freunden, vornehmlich Christen, gefragt: „Hast Du etwas gesehen?“ Und „War da irgendein Licht?“ Und ich muss sie alle enttäuschen. Da war … nichts. Keine helle Erscheinung, kein Jesus, der mir die Hand entgegenstreckt, kein Schweben über dem Krankenbett. Einfach nichts.

Habe ich deshalb den Glauben verloren? Kein Stück. Denn ich war ja nicht tot, ich war nur nah dran am schwarzen Abgrund. Das ist etwas anderes. Doch ich habe so eine Welle an Zuneigung und ehrlicher Anteilnahme erlebt, die mich bis heute trägt und die ich in dieser Form niemals zuvor erlebt habe. Meine Frau sagt: „Du bist sentimentaler geworden.“ Und das stimmt. Als ich erfuhr, dass der erste Mensch, der quasi zeitgleich mit meiner Einlieferung im Krankenhaus erschien, ein Freund war, der im Hauptberuf katholischer Priester ist, kamen mir die Tränen. Als ich von den Gebetsketten quer durch Deutschland in den Sozialen Netzwerken erfuhr, von einem katholischen Kloster in Bayern, in dem für mich die Messe gelesen wurde, als ich all die Briefe und Karten las, wo teils mir völlig unbekannte Menschen höchst persönliche Sätze geschrieben hatten, von den Blumen, die eines Nachts von Fremden vor unserer Haustür abgestellt wurden und von den Freunden aus Berlin, die gar nicht an Gott glauben, aber sich abends zusammensetzten und für mich beteten. So, wie sie meinen, wie man das macht. Einfach weil wir Freunde sind. Das hat mich gerührt, wie ich es kaum beschreiben kann.

Ich glaube nicht, ich bin felsenfest überzeugt, dass meine vollständige Genesung nicht einfach nur ein Zufall war, einfach Glück. Nicht einfach nur das alltägliche Handwerk guter Ärzte. Kennen Sie den wunderbaren Film „Das Lied von Bernadette“ aus 1948 nach dem gleichnamigen Roman von Franz Werfel über die wundersamen Ereignisse um ein 14-jährige Mädchen in dem Örtchen Lourdes in den französischen Pyrenäen? Im Vorspann dieses Filmes werden zwei Sätze eingeblendet, die lauten: Denen, die nicht glauben, kann man es nicht erklären. Und denen, die glauben, muss man es nicht erklären. Daran habe ich in den vergangenen Tagen häufig gedacht.

 
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27.03.2024, 11 Uhr
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